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Kein Hautarzt mehr in Löbau-Zittau - wo finden Patienten Hilfe?

Zum 30. Juni geht der letzte Dermatologe in Rente. Die KVS sucht nach Lösungen, zum Beispiel mit Telemedizin. In erster Linie sollen es nun die Hausärzte richten.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Symbolfoto © dpa

Dr. Volker Kohl schließt an diesem Donnerstag seine Hautarzt-Praxis in Zittau zu - für immer. Der Mediziner geht in den Ruhestand - und das hinterlässt für Patienten in der Region Löbau-Zittau ein großes Problem. Denn Dr. Kohl war nun noch der letzte praktizierende Dermatologe im Altkreis.

Seit in Neugersdorf die Hautärztin Uta Franke ihre Praxis ohne Nachfolger schloss - das war bereits im Februar 2020 - wurde die Lage immer prekärer. In Herrnhut hatte ebenfalls bis Anfang 2020 mit Grit Taesler noch eine Hautärztin praktiziert. Sie kann aber selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten.

Von über 100 Prozent auf null

Noch vor knapp zehn Jahren gab es im Raum Löbau-Zittau vier voll beschäftigte Hautärzte. Das entsprach statistisch einem Versorgungsgrad von 117 Prozent. Den Versorgungsgrad errechnet die KVS unter anderem auf der Grundlage der Einwohnerzahl im Gebiet. Rein statistisch gesehen gab es also damals sogar mehr Hautärzte als nötig. Diese Statistik zeigt aber auch: In den vergangenen zehn Jahren ist der Fachbereich komplett verschwunden aus der Praxislandschaft in Löbau-Zittau.

Probleme gibt es auch in anderen Fachbereichen, zum Beispiel in der Neurologie oder Orthopädie. Das Hautärzte-Problem ist aber das gravierendste Beispiel für den Fachärzte-Mangel in der Region.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsens (KVS) bestätigt auf Nachfrage: Mit dem Stand 1. Juli 2022 gibt es im Planungsbereich Löbau-Zittau keinen aktiv vertragsärztlich tätigen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mehr.

Suche nach Nachfolgern erfolglos

Auf ihrer Internetseite veröffentlicht die KVS regelmäßig Angebote für Praxen, die zur Übernahme stehen. Eine Hautarztpraxis findet sich aktuell in der Liste nicht für das Gebiet Löbau-Zittau. Das liegt daran, erklärt Sprecherin Katharina Bachmann-Bux von der Kassenärztlichen Vereinigung, dass es schlicht keine Hautärzte mehr gibt, die perspektivisch eine Praxis abgeben möchten. Zur Übernahme ausgeschriebene Praxen werden in der KV-Liste nur über einen begrenzten Zeitraum geführt, in der Regel ein halbes Jahr. Auch Dr. Kohl hatte seine Praxis angeboten. Ernsthafte Interessenten gab es nicht. Das ging auch Uta Franke in Neugersdorf bereits so. Schon langfristig war ein Nachfolger für die Praxis in der Fröbelstraße gesucht worden. Ohne Erfolg.

Ein Hautarzt, der sich jetzt niederlassen möchte, müsste also eine komplett neue Praxis gründen.

Zweieinhalb Hautarzt-Stellen sind frei

Die Kassenärztliche Vereinigung regelt, wie viele Ärzte sich in einem Gebiet niederlassen und vertragsärztlich arbeiten dürfen - also ihre Leistungen bei den Krankenkassen abrechnen können. Im Bereich Hautärzte sind in Löbau-Zittau aktuell 2,5 Stellen frei, die neu besetzt werden könnten.

In anderen Teilen des Kreises sieht es laut KV-Statistik anders aus, im Bereich der Stadt Görlitz und des Niederschlesischen Oberlausitzkreises gibt es sogar Zulassungsbeschränkungen. Denn hier sind mehr niedergelassene Hautärzte ansässig als anhand der Einwohnerzahl nötig wären, so schätzt es die KVS ein. Hier darf sich kein Hautarzt mehr niederlassen.

Nur in Görlitz und im Kreis-Norden noch Dermatologen

Zwei Hautärzte sind in Görlitz ansässig. Zwei Hautärzte mit insgesamt 1,5 Stellen sind im MVZ in Rothenburg angestellt. Und einen gibt es zudem in Weißwasser. Im Nachbarlandkreis Bautzen praktizieren noch Dermatologen, aber auch hier wird es bereits eng. In Bautzen ist eine von drei Planstellen unbesetzt. Die beiden anderen Hautarzt-Praxen sind überfüllt.

Am Städtischen Klinikum in Görlitz gibt es zudem eine Ambulanz. Hier sind allerdings bis Ende des Jahres gar keine freien Termine mehr zu bekommen. Zudem werden nur akute Problemfälle behandelt. Die KVS rät dringend dazu, zuerst den Hausarzt aufzusuchen, bevor man sich auf den Weg in die Klinik-Ambulanz macht. Der Hausarzt entscheide, ob er das Problem selbst behandeln kann oder ob eine Überweisung zum Dermatologen nötig ist.

Termine nur in dringenden Fällen

Wer nun dringend einen Hautarzt benötigt, soll sich künftig an die KVS wenden und sich über deren Terminservicestelle einen Facharzttermin vermitteln lassen. Die Servicestelle ist unter der Rufnummer 116 117 erreichbar. Voraussetzungen, über diese Hotline einen Termin zu bekommen, gibt es allerdings auch. Der Patient muss gesetzlich versichert sein und eine Überweisung zu einem Facharzt - in diesem Fall einem Dermatologen - mit einer Dringlichkeitskennzeichnung haben.

Einen Termin bekommt der Patient dann also, das kann aber auch beispielsweise in Dresden sein.

Telemedizin als Lösungsansatz

Dass dies für Patienten keine echte Lösung ist, dessen ist man sich bei der KVS bewusst. Deshalb gibt es Versuche, die Lage zu entspannen, solange sich keine neuen Ärzte finden. "Die KV möchte ein neues Versorgungsprojekt auf den Weg bringen", berichtet Katharina Bachmann-Bux. Dabei sollen die Hausärzte einbezogen werden. Und das soll so funktionieren: Der Hausarzt nimmt die vom Patienten beschriebenen Probleme auf und gibt sie in ein sogenanntes Telekonsilsystem ein. Die übermittelten Daten werden dort von Dermatologen abgerufen und geprüft. Die Fachärzte geben eine Einschätzung und Empfehlung ab und übermitteln diese an den Hausarzt zurück. Eine Art Ferndiagnose also. Im Rahmen einer Studie ist dieses System bereits in Baden-Württemberg getestet worden.

In der hiesigen Region befindet sich das Modell noch in der Aufbauphase, so Katharina Bachmann-Bux.

Hausärzte übernehmen Behandlung mit

Eine Folge der großen Versorgungslücke in der Dermatologie ist, dass viele Hausärzte die Behandlung von Hautproblemen mit übernehmen. Dafür haben sie eine besondere Genehmigung von der KVS, zum Beispiel für die Untersuchungen zur Früherkennung von Hautkrebs. Auf der Homepage der KVS kann man nach Hausärzten suchen, die eine entsprechende Erlaubnis haben. Bei der Arztsuche kann nach der Auswahl der Fachrichtung "Hausarzt" unter dem Punkt "Genehmigungspflichtige Leistungen" nach der Rubrik "Hautkrebsscreening" gefiltert werden. Dort sehen Patienten, welche Hausärzte die Hautkrebsvorsorge anbieten.

KV lockt mit Prämien und Festanstellung

Bereits Ende 2020 hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die prekäre Hautarzt-Situation in Löbau-Zittau offiziell festgestellt. Und versucht, neue Dermatologen zu locken. Eine Förderung von 100.000 Euro würde ein Hautarzt bekommen, der sich neu hier niederlässt. Außerdem verspricht die KVS einen Mindestumsatz. Eine stattliche Finanzspritze für eine Praxisneugründung wäre das - geholfen hat es bisher nicht.

Auch auf diversen Portalen und in Fachpublikationen sucht die Kassenärztliche Vereinigung gezielt mit Ausschreibungen nach Hautärzten. Außerdem hat sie ein besonderes Angebot für Hautärzte, die sich davor scheuen, selbstständig mit einer eigenen Praxis zu arbeiten. Sie würde eine KV-Eigenpraxis gründen und Fachärzte anstellen. "Aber auch hier gab es bislang keine Bewerbungen von Hautärzten", stellt KV-Sprecherin Katharina Bachmann-Bux fest.