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AfD-Sondersitzung: Es geht um mehr als um den "Flügel"

Die Dresdner Erklärung der AfD hat Folgen. Wie steht es um die Einigkeit unter den Rechtspopulisten? Die Lage ist offenbar heikel.

Von Thilo Alexe
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Jörg Urban (l.), Spitzenkandidat der AfD in Sachsen, und Jörg Meuthen, AfD-Bundesvorsitzender.
Jörg Urban (l.), Spitzenkandidat der AfD in Sachsen, und Jörg Meuthen, AfD-Bundesvorsitzender. © dpa/Sebastian Kahnert

Vieles kommt zusammen, wenn sich die AfD-Fraktion am Dienstag zu einer Sondersitzung trifft. Es geht um die Dresdner Erklärung, einen Geschlossenheitsappell, der aber drastische Worte verwendet und als Kampfansage an Bundeschef Jörg Meuthen interpretiert werden kann. Es geht um den vom Verfassungsschutz in Bund und Land als rechtsextrem eingestuften AfD-Zirkel „Flügel“. Und letztlich um die Art und Weise, wie die Partei Oppositionsarbeit versteht.

Ein Anlass der Sitzung ist die Ende April veröffentlichte Dresdner Erklärung. Formal ist diese die Mahnung zur Einheit der AfD und eine Absage an Gedankenspiele von Meuthen, den „Flügel“ abzuspalten. Rund ein Drittel der Landtagsabgeordneten zählen zu den Erstunterzeichnern, darunter auch Landeschef Jörg Urban und Generalsekretär Jan Zwerg. In der Fraktion, so heißt es, besteht Klärungsbedarf, vor allem bei der Frage, wie der Text entstanden sei. Zu den Autoren zählen nach Parteiangaben der Dresdner Bundestagsabgeordnete Jens Maier und der Landesparlamentarier Norbert Mayer. Es habe an der Einbindung mancher Kollegen gemangelt, heißt es. Inhaltlich, so Unterstützer der Erklärung,  sei wenig strittig.

Sollte es sich also um ein vorwiegend kommunikatives Problem handeln, dürfte die Sitzung rasch enden, auch wenn noch andere Punkte auf der Tagesordnung stehen. Doch die Lage ist wohl heikler. Denn der Text lässt sich nicht nur als Kontrapunkt zur Arbeit des bei der Ost-AfD ohnehin wenig beliebten Meuthen lesen – ein Grund, warum der aus Görlitz stammende Ko-Chef Tino Chrupalla ihn wohl unterzeichnete. Er kann auch, ob beabsichtigt oder nicht, als Appell gelesen werden, „Flügel“-Leute nicht zu verprellen.

Wie mit "Flügel"-Ideen umgehen?

Rund ein Fünftel der etwa 35.000 AfD-Mitglieder bundesweit gelten als „Flügel“-Anhänger, die meisten dürften ostdeutschen Landesverbänden angehören. Mitte März stufte der Verfassungsschutz den Zirkel um die Landeschefs Björn Höcke und Andreas Kalbitz als rechtsextrem ein. Sachsens Verfassungsschutz folgte, wie eine Anfrage der Linkenabgeordneten Kerstin Köditz an die Staatsregierung ergab. Der 2015 gegründete „Flügel“ verstand sich zunächst als Gegenbewegung zur Parteigründerin Frauke Petry. Im Grundsatzdokument definiert er sich zudem als „Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Identität Deutschlands“.

Formal hat sich der „Flügel“, wie von Höcke und Kalbitz angekündigt, Ende April aufgelöst. Im Netz sind seine Seiten nicht mehr präsent. Doch was ist mit den Anhängern? Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer bezweifelt die Selbstauflösung. Die „Ankündigungen mancher AfD-Funktionäre“, sagte er dem MDR, seien „als Versuch einer Verschleierung der weiterhin bestehenden, demokratiefeindlichen Bestrebungen, sozusagen als bewusste taktische ‚Nebelkerze‘ zu bewerten“. 

Die AfD jedenfalls muss klären, wie sie mit „Flügel“-Ideen umgeht. Bei mangelnder Abgrenzung droht die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextrem. Bei allzu großer Distanzierung könnten Ostverbände verschreckt werden, die die stärksten Wahlergebnisse ablieferten.

Bruch der AfD wird nicht erwartet

Der dritte Knackpunkt dreht sich um eine Formulierung der Dresdner Erklärung. Im Schlussabschnitt heißt es, dass die Unterzeichner nur noch „solche Personen respektieren und fördern werden“, die sich glaubhaft für die AfD-Einheit einsetzen. Bis zu einem gewissen Punkt ist es normal, dass Landesverbände auf Bundesparteitagen diejenigen bei Gremienwahlen unterstützen, bei denen sie ihre Interessen am besten vertreten sehen. Doch im Hinweis auf den Respekt sehen Kritiker Diskussionsbedarf. 

Dahinter steht die Frage, wie die Partei, die Alexander Gauland als „gärigen Haufen“ bezeichnete, miteinander umgeht – und welchen Oppositionsstil sie pflegt. Etwa in der Corona-Krise: Neben der Kritik an der Regierung wegen der wirtschaftlichen Folgen der Beschränkungen gibt es auch Stimmen, die das Krisenmanagement als generell überzogen bewerten.

Was die nichtöffentliche Sitzung im Landtagsgebäude bringt, über deren Einberufung zuerst die Freie Presse berichtete,  ist also offen. Doch Befürworter des Dresdner Appells erwarten keinen Bruch. Die Fraktionsspitze äußerte sich auf Anfrage vorab nicht. Womöglich könnte Kritikern eine Brücke gebaut werden, indem für künftige Erklärungen mehr Beteiligung angekündigt wird.