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Mundschutz macht ehrliche Kommunikation unmöglich

Robert Körner gab seinen Job als Feldjäger auf, um Mimik-Experte zu werden. Heute schult er Führungskräfte und Polizisten und sieht in Corona-Masken eine Chance.

Von Nadja Laske
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Der Kommunikationstrainer Robert Körner ist auch als Buchautor bekannt.
Der Kommunikationstrainer Robert Körner ist auch als Buchautor bekannt. © René Meinig

Dresden. Der Griff zur Sonnenbrille ist für ihn mehr als nur Anstand. Er gehört zum Berufsethos. Robert Körner zieht sich die dunklen Gläser von den Augen, noch bevor er zur Begrüßung ansetzt. Sein Gegenüber soll die Chance haben, ihm in die Seele zu blicken, auch wenn er das am besten verhindern kann. Den Schutz der Brille braucht der Kommunikationstrainer dafür nicht.

Kunden tragen Mundschutz im Geschäft nur kurz, Reisende im Zug manchmal stundenlang, Kellner und Verkäufer den ganzen Arbeitstag. Bei Stirn und Augen ist seit Wochen Schluss. Die Menschen begegnen sich mimisch dezimiert. Doch was bedeutet das für unseren täglichen Umgang miteinander?

"Durch den Mundschutz fehlen uns fünfzig Prozent der Mimik", sagt Robert Körner. Schlimmer noch: Wir müssen auf die entscheidende Hälfte des Gesichtes verzichten. Denn im hiesigen Kulturkreis konzentriere sich die Aufmerksamkeit auf die Mundpartie. Anders als in Asien beispielsweise, weis Körner. Dort spiele nonverbal eine viel größere Rolle, was sich an den Augen ablesen lässt. Hierzulande aber behindert ausgerechnet die Maske über Nase, Mund und Kinn die Deutung des Anderen. "Mit Mundschutz ist eine offene und ehrliche Kommunikation nicht möglich."

Freude und Ärger, Schmerz, Trauer, Zorn, Überraschung, all das spiegelt sich im Gesicht wider. Augen können vor Schreck weit aufgerissen oder Münder aus Ekel verzerrt sein. Manch mimische Äußerungen sind beherrschbar, andere geschehen einfach, in Bruchteilen von Sekunden und gesteuert von einer Hirnregion, die sich mit Wille und Übung nicht dominieren lässt. "Wenn sich Menschen gegenseitig austauschen, tun sie das zu 55 Prozent über die Mimik, zu 38 Prozent über die Stimme und zu nur sieben Prozent ist relevant, welchen verbalen Inhalt wir versenden", erklärt Robert Körner.

Die Augen mögen das Fenster zur Seele sein, wie es romantisch heißt. In unserem Kulturkreis aber entscheidet die Mimik der untere Gesichtshälfte über das richtige Verständnis, weiß Robert Körner.
Die Augen mögen das Fenster zur Seele sein, wie es romantisch heißt. In unserem Kulturkreis aber entscheidet die Mimik der untere Gesichtshälfte über das richtige Verständnis, weiß Robert Körner. © René Meinig

Als der 37-Jährige vor Jahren begann, sich immer intensiver mit der menschlichen Kommunikation, insbesondere mit der Verständigung ohne Worte, zu beschäftigen, hatte er eine schwere Zeit durchlebt und einen Entschluss gefasst. Nach dem Abitur war Robert Körner zur Bundeswehr gegangen und hatte bei der Militärpolizei seine Offizierslaufbahn angetreten. Zum Studium ging er nach München, wollte hoch hinaus. Doch dann scheiterte seine Ehe und die Mutter seiner damals dreijährigen Tochter zog nach Dresden, in Körners alte Heimat.

"Die Pendelei zwischen Bayern und Sachsen war auf Dauer nicht auszuhalten, zumal ich mein Kind durch die Distanz noch seltener sah als zuvor", erzählt er. Also überlegte er, was in seinem Leben anders laufen müsste, um aus diesem tiefen seelischen Loch aufzutauchen, in das ihn die Scheidung mit ihren Folgen gerissen hatte. 

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"Zwei Menschen haben mich entscheidend geprägt. An ihre Worte erinnerte ich mich in dieser Zeit ganz besonders." Seine Mutter war ihm mit ihrer Lebensweisheit von den vier "M" stets eine Begleiterin voller Zuversicht. "Die vier M heißen: Man muss Menschen mögen, wenn man glücklich und erfolgreich sein will." Als Führungskraft einer Krankenversicherung war das ihr Credo, das sie ihrem Sohn eindringlich empfahl. "Mein Vater sagte immer zu mir: Das Leben ist Arbeit, und entscheidend ist, was du aus deinen Niederlagen lernst."

Trennung und Scheidung kann befreiend oder schmerzlich empfundenes Scheitern sein. Aus seinem Misslingen wollte Robert Körner lernen und Besserung ableiten. Auch dabei erinnerte er sich an einen Satz seiner Mutter: "Entdecke und tue, was dir Spaß macht, dann kommen Erfolg und Geld von ganz allein." Die offenen und versteckten Geheimnisse der menschlichen Kommunikation jenseits der Worte haben Robert Körner schon lange fasziniert. So begann er, sich darin zu vertiefen und qualifizierte sich zum Kommunikationstrainer mit dem Schwerpunkt nonverbale Kommunikation.

Vor ziemlich genau sieben Jahren verließ Robert Körner die Bundeswehr und startete in die Selbstständigkeit, zog mit seiner neuen Familie nach Pirna. "Seitdem habe ich keinen Tag mehr das Gefühl gehabt, dass ich arbeite", sagt er. Als Experte für Kommunikation gibt er Führungskräften Coachings, führt ganze Seminargruppen an die Lesarten der menschlichen Mimik, Gestik, Stimme und Körperhaltung heran. In Firmen hält er Vorträge und an der Hochschule der sächsischen Polizei Vorlesungen. Dort bringt er als Dozent Polizisten Fragetechniken für Verhöre und Gesprächsführung für den Umgang mit Suizidgefährdeten, Obdachlosen oder aggressiven Deliquenten bei. Er lehrt sie, wie sie beispielsweise auf Demonstrationen auf Beschimpfungen reagieren und ihre Emotionen managen.

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Für jegliche kommunikativen Angriffe rät Körner: "Es ist entscheidend, die bessere Energie zu haben." Dabei reiche es nicht aus, sich einfach nur nicht herausfordern zu lassen, zu schweigen und Beleidigungen auszuhalten. "Sonst geht man hinterher nach Hause, fühlt sich trotzdem angegriffen und lässt seinen Ärger an anderer Stelle aus." Dem Prinzip "Druck erzeugt Gegendruck", das sich auch auf emotionale Fragen anwenden lässt, könne man nur mit gekonnter Rhetorik begegnen, die entschärft und nicht den Beschimpften, sondern den Beleidiger dumm dastehen lässt.

Auch in seinem Privatleben wendet Robert Körner die Lehren der Kommunikation an. Inzwischen ist er in zweiter Ehe verheiratet und hat mit seiner neuen Frau zwei Kinder, sieben und acht Jahre alt. "Wir hatten früher arge Probleme mit dem Zubettbringen", erzählt er. Während seine Frau es mit Gute-Nacht-Geschichte, Küsschen und Kuschelei versuchte und die Kleinen den Tagesabschluss mit Tricks und Kniffen zu unterwandern wussten, setzte Robert Körner auf große Gesten, die Autorität widerspiegelten und Grenzen markierten. "Ich habe mich im Kinderzimmer aufgebaut und mit fester, ruhiger Stimme gesagt: Gute Nacht mein Liebling, schlaf schön, ich freue mich auf dich morgen früh." Fertig. Unbedingt empfehlenswert - auch für jeden Vater, der nicht 2,05 Meter groß gewachsen ist wie Robert Körner.

Trotz seiner Kritik an der coronabedingten Behinderung der Kommunikation im öffentlichen Leben hat der Mimik-Experte eine Hoffnung: "Ich denke, dass diese Erfahrung uns empathischer machen wird", sagt er. "Denn wir sind gezwungen, genauer darauf zu achten, was uns ein anderer Mensch sagen will. Wir müssen uns stärker darum bemühen, ihn richtig zu verstehen." 

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