SZ + Dresden
Merken

Tief unter der Dresdner Hofkirche gebaut

Eine Vermesserin hatte in den 80er-Jahren die Sicherheit der Kathedrale genau im Blick. Was sie unter dem Gotteshaus machte.

Von Peter Hilbert
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Karin Blüher war vor über 30 Jahren beim Bau dieses Saals unter der Hofkirche dabei. Geschichtsexperte Christoph Pötzsch kennt die damaligen Ereignisse genau.
Karin Blüher war vor über 30 Jahren beim Bau dieses Saals unter der Hofkirche dabei. Geschichtsexperte Christoph Pötzsch kennt die damaligen Ereignisse genau. © René Meinig

Dresden. Die Hofkirche ist derzeit zur Baustelle geworden – zumindest das Innere. Bis Februar kommenden Jahres werden 56 Kirchenfenster im Erdgeschoss und drei in der Sakristei erneuert. Zudem errichten Bauleute Gerüste, die bis unter die Decke des Hauptschiffs reichen. Denn dort müssen Schäden an Sachsens größter Kirche beseitigt werden. Darüber hatte Karin Blüher in der SZ gelesen und sich erinnert, wie sie bei Bauarbeiten in den 1980er-Jahren in der Hofkirche mit dabei war.

Dompfarrer Norbert Büchner kümmert sich derzeit nicht nur um Gottesdienste, sondern auch um die Bauarbeiten in der Hofkirche.
Dompfarrer Norbert Büchner kümmert sich derzeit nicht nur um Gottesdienste, sondern auch um die Bauarbeiten in der Hofkirche. © René Meinig

Die Vermessungstechnikerin hatte damals bei der Bergsicherung Dresden gearbeitet. Schließlich ging es bei den Arbeiten in die Tiefe hinab. Der Vorteil für das katholische Bistum Dresden-Meißen war damals wie heute, die Hofkirche gehörte dem Staat, damals eben der DDR. Und die musste sich um die Erhaltung des ganz und gar nicht zu ihrem  ideologischen Konzept passenden Gotteshauses kümmern.

„Ich hatte damals die Senkungsmessungen mit gemacht“, berichtet die heute 64-Jährige. „In die Wände und Pfeiler der Kirche hatten wir dazu kleine Bolzen als Messpunkte reingeschossen.“ Die entdeckt sie noch heute beim Vor-Ort-Termin in der Hofkirche. Ermittelt werden sollte mit den Messungen, ob sich die Hofkirche bei den Bauarbeiten senkt.

Christoph Pötzsch weiß noch genau, worum es ging. Der ebenfalls 64-Jährige war schon damals in der Hofkirchen-Gemeinde aktiv und arbeitete später von 1990 bis zu seinem Ruhestand beim Bistum Dresden-Meißen, zuletzt als Leiter des katholischen Büros. Noch heute ist der Geschichtskenner als Domführer aktiv.

Bau begann 1987

Begonnen hatte alles mit Grabungen, bei denen die Standfestigkeit der 1755 fertiggestellten Kirche untersucht werden sollte. Schließlich war sie einst auf sumpfigem Gelände errichtet worden. Also rückte die Bergsicherung Mitte der 1980er-Jahre an. „Eine Fläche in der Kirche wurde beräumt, der Untergrund aufgegraben und bergmännisch untersucht“, sagt Pötzsch. 

In dem Zuge sei der damalige Generalvikar Hermann Joseph Weisbender auf eine Idee gekommen. Der Verwaltungschef des Bistums gab den Startschuss, dass dort ein zusätzlicher Raum für die Domgemeinde ausgebaut wird. „Damals mussten wir nach dem Gottesdienst immer einen halben Kilometer bis zu unserem Gemeinderaum im Propst-Beier-Haus auf der Schweriner Straße laufen“, sagt Pötzsch.

Der Bau begann nach dem Katholikentreffen im Juli 1987, weiß Dompfarrer Norbert Büchner. Das geht aus den detaillierten Aufzeichnungen seines Vorgängers Klemens Ullmann hervor. Errichtet wurde der Saal als Unterkirche unter dem hinteren Teil des Hauptschiffs. Karin Blüher kann sich noch genau erinnern, wie die hölzerne Schalung der Faltendecke aussah, bevor sie betoniert wurde. „

Das war ein sehr spannendes Verfahren“, berichtet die Vermesserin. „Unsere Aufgabe war es, diese Arbeiten vermessungstechnisch zu begleiten und vor allem regelmäßige Senkungsmessungen mit Präzisions-Nivellier-Latten durchzuführen.“ So wurde geprüft, ob die Hofkirche wegen der unterirdischen Arbeiten eventuell absinkt. „Das war aber nicht der Fall“, erzählt die Dresdnerin.

Der Johann-Adolf-Hasse-Saal unter der Hofkirche steht derzeit meistens leer. Denn die Chöre können wegen der Corona-Pandemie nicht proben.
Der Johann-Adolf-Hasse-Saal unter der Hofkirche steht derzeit meistens leer. Denn die Chöre können wegen der Corona-Pandemie nicht proben. © René Meinig

Nach fünfjähriger Bauzeit kann dieser jüngste Raum der Hofkirche im November 1992 übergeben werden. Doch die Kirchgemeinde, die ihn einst haben wollte, hat es sich anders überlegt. „Wir haben den Saal dann doch nicht gewollt“, sagt Pötzsch. Denn einen Nachteil habe er schon: Es gibt keine Küche, in der auch mal ein Tee oder ein Kaffee gekocht werden kann. Also bleibt für die Gemeinde nach den Gottesdiensten weiter der Weg durch den Zwinger zur Schweriner Straße angesagt.

Ab 1992 wird der Saal von der Landesfilmstelle und dem Medienverleih des Bistums genutzt. So beispielsweise für den Religionsunterricht, erklärt Dompfarrer Büchner. Doch damit ist es am 13. August 2002 schlagartig vorbei. Durch den Heizungskanal dringen die Weißeritzfluten in den Medienverleih ein und überschwemmen den Saal. Mitarbeiter versuchen noch, das Inventar zu retten. Doch vieles fällt dem Wasser zum Opfer. „Der gesamte Raum wird zerstört“, sagt Büchner.

Der Raum wird trockengelegt und saniert. Er wird seitdem als Chor- und Einsingeraum vom Kathedralchor und den Kapellknaben genutzt. „Darüber sind wir sehr froh“, erklärt der Pfarrer. „Denn dort ist genug Platz für die Chöre.“ Seit 2005 heißt er Johann-Adolf-Hasse-Saal. Benannt ist er nach dem ehemaligen Hofkapellmeister, der das geistliche Te Deum komponiert hatte, das bei der Weihe der Hofkirche 1751 erstmals aufgeführt wurde. „Noch heute wird das Te Deum jedes Jahr zu Silvester bei uns aufgeführt“, erzählt Büchner.

Im Hasse-Saal können die Chöre wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht unter der markanten Faltendecke proben. Einschränkungen gibt es deshalb auch eine Etage darüber. Erst durften gar keine Gottesdienste durchgeführt werden. Jetzt predigt Büchner zwar wieder, wegen der Bauarbeiten jedoch im linken Seitenschiff mit dem Märtyreraltar. Teilnehmen dürfen an den Gottesdiensten jedoch nur bis zu 38 Gläubige im Sicherheitsabstand von 1,5 Metern. Sie haben auf den Bänken, auf die bis zu 200 Menschen passen, allerdings viel Platz.

Viel Platz ist im linken Seitenschiff der Hofkirche derzeit bei Gottesdiensten. Nur bis zu 38 Gläubige dürfen teilnehmen, um den nötigen Sicherheitsabstand zu gewährleisten.
Viel Platz ist im linken Seitenschiff der Hofkirche derzeit bei Gottesdiensten. Nur bis zu 38 Gläubige dürfen teilnehmen, um den nötigen Sicherheitsabstand zu gewährleisten. © René Meinig

Dass die Bauarbeiten vorankommen, ist im Hauptschiff zu sehen. Im Altarraum ragen schon die ersten Gerüste hoch empor, die in den vergangenen beiden Wochen aufgebaut wurden. Für Vermesserin Karin Blüher, die vor über 30 Jahren hier gearbeitet hatte, ein beeindruckender Anblick.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter "Dresden kompakt" und erhalten Sie alle Nachrichten aus der Stadt jeden Abend direkt in Ihr Postfach.

Mehr Nachrichten aus Dresden lesen Sie hier.