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Dresdner Mikrochipfirmen locken Nachwuchs mit Klimaschutzthemen

Die wachsende Chipbranche in Sachsen braucht Tausende neue Mitarbeiter. Beim Mikrosystemtechnik-Kongress in Dresden verraten die Chefs, mit welchen Argumenten sie werben.

Von Georg Moeritz
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Fachtagung mit Ausstellung: Zum Mikrosystemtechnik-Kongress in Dresden haben Unternehmen und Forscher Stände aufgebaut.
Fachtagung mit Ausstellung: Zum Mikrosystemtechnik-Kongress in Dresden haben Unternehmen und Forscher Stände aufgebaut. © SZ/Georg Moeritz

Dresden. Sachsen kann unter den weltweit führenden Mikrochip-Standorten von Weltrang 5 auf Platz 3 aufrücken, wenn die angekündigten Großinvestitionen klug genutzt werden. Die Digitalisierung mache Mikrosystemtechnik immer wichtiger, sagte am Montagabend in Dresden Professor Hubert Lakner als Kongressvorsitzender bei der Eröffnung des größten deutschsprachigen Kongresses der Branche.

Der Mikrosystemtechnik-Kongress findet noch bis Mittwoch im Dresdner Kongresszentrum statt. Lakner leitet das Dresdner Fraunhofer-Institut IPMS und sagt voraus, dass dank Chips das autonome Fahren sowie "andere Formen des Fliegens" Realität werden. Künstliche Intelligenz werde in viele Formen des täglichen Lebens hineinwachsen, sagte Lakner vor rund 500 Teilnehmern.

Die Klimaziele und sparsamer Umgang mit Energie sind laut Lakner "nur durch den Einsatz von Mikroelektronik" zu erreichen. Dass in den vergangenen Jahren zeitweise Mikrochips fehlten und Fabriken stehenblieben, lag laut Lakner auch an den Entscheidern der Industrie: "Man hat Fehler gemacht" und angesichts der Corona-Krise Chips abbestellt. Nun würden zusätzliche Fabriken gebaut, die Branche brauche Nachwuchskräfte. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen müssten über Bedarf ausbilden, sagte der Fraunhofer-Institutsleiter. Deutschland müsse zudem attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland werden.

"Super-cool": Ingenieure bekämpfen Klimawandel

Schon in Grundschulen müsse das Interesse an Technik gefördert werden, forderte Alf Henryk Wulf, Präsident des Elektrotechnik-Verbands VDE. Umfragen unter Schülern zeigten, dass sie falsche Vorstellungen von der Elektronik-Branche hätten und häufig der Meinung seien, Elektroingenieure würden Kabel verlegen und Weihnachtsbeleuchtung installieren. Tatsächlich arbeiteten sie an der Wärme- und Mobilitätswende, indem sie etwa Akkulaufzeiten optimierten und sich bemühten, den Klimawandel aufzuhalten.

Der Branchenpräsident lobte das Europäische Chip-Gesetz, das die Subventionen für die neuen Mikrochipfabriken von Intel, TSMC und Infineon in Ostdeutschland ermöglicht. In Deutschland werde zwar täglich geklagt und schwarzgemalt, doch es gelte: "In Krisen haben wir uns immer bewährt." Wettbewerb und Fortschritt trieben die Branche an.

Beim Mikrosystemtechnik-Kongress wurden Siliziumscheiben von Globalfoundries Dresden als Preise in einem Schülerwettbewerb vergeben.
Beim Mikrosystemtechnik-Kongress wurden Siliziumscheiben von Globalfoundries Dresden als Preise in einem Schülerwettbewerb vergeben. © SZ/Georg Moeritz

Die Klimaerwärmung zu bekämpfen sei "für junge Ingenieure super-cool", sagte Infineon-Vorstand Rutger Wijburg. Der Manager war früher Geschäftsführer der größten Dresdner Chipfabriken, erst bei Globalfoundries, dann bei Infineon. Er warb um Nachwuchs mit dem Argument: "Man macht etwas Gutes für die Welt." Zwar sei Asien führend bei der Computertechnologie, mit Unternehmen wie Samsung und TSMC, und bei Software lägen die USA vorne mit Microsoft und Google. Aber Europa sei schon lange führend bei Sensoren. Die steckten in winzigen Mikrofonen und Drucktasten, im Radar und im Airbag.

Infineon fordert wettbewerbsfähige Strompreise

Der Infineon-Manager dankte Politikern, die das Chip-Gesetz auf den Weg gebracht haben. Infineon erweitert gerade sein Dresdner Werk und hat 1.000 zusätzliche Arbeitsplätze angekündigt. TSMC aus Taiwan schafft 2.000 Stellen mit seiner ersten europäischen Fabrik in Dresden. Globalfoundries hat Interesse bekundet, für acht Milliarden Euro sein Werk Dresden zu erweitern, wenn die Bedingungen stimmen.

Zu besichtigen: Außer Fachvorträgen gibt es beim Mikrosystemtechnik-Kongress auch Diskussionen an Ausstellungsstücken.
Zu besichtigen: Außer Fachvorträgen gibt es beim Mikrosystemtechnik-Kongress auch Diskussionen an Ausstellungsstücken. © SZ/Georg Moeritz

Wijburg forderte allerdings außer Subventionen auch "wettbewerbsfähige Strompreise" für die Fabriken. Zudem dürften nicht alle giftigen Materialien gleichzeitig verboten werden: Wijburg erwähnte die Diskussion um PFAS, kaum abbaubare Chemikalien. "Ab und zu hat es Konsequenzen für die Gesundheit", sagte der Infineon-Vorstand. Doch alle diese Materialien auf einmal zu sperren sei unmöglich. "Wir brauchen lösungsorientierte Regularien", die über eine gewisse Zeit reichten.

Grüne Technik soll Standortvorteil für Deutschland sein

Staatssekretärin Sabine Döring aus dem Bundesforschungsministerium betonte, auf Halbleiter sei das Land angewiesen - nicht nur für die Energiewende, sondern auch für die Medizintechnik. Das Europäische Chip-Gesetz sei "eine Generationenchance". Dadurch kämen auch Technologien nach Europa, die bisher importiert werden mussten. Das Ministerium wolle "grüne" Informations- und Kommunikationstechnologie zu einem Standortvorteil machen. Mikroelektronik müsse "nachhaltiger werden", die Technologie sei "Teil der Lösung".

Sachsens Staatskanzleichef Oliver Schenk begründete die deutschen Milliardensubventionen für die neuen Chipfabriken: Wenn Intel und TSMC sich für andere europäische Standorte entschieden hätten, "was wäre das für ein Geschrei um den Standort Deutschland". Nun aber holten viele Firmen Kompetenzen aus anderen Teilen der Welt zurück. Andere Staaten müssten ökonomisch und technologisch "von uns in einer Abhängigkeit sein, um mit uns zu reden". Um Subventionen gebe es einen globalen Wettlauf, sagte Schenk.