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Nahost-Krise: Experten warnen Israel vor "ewigem Krieg" in Gaza

UN-Gericht berät über Eilantrag gegen Israel, Militär ruft zu Evakuierungen im Norden des Gazastreifens auf, EU dringt auf Ende des Militäreinsatzes in Rafah - unser Newsblog zum Krieg im Nahen Osten.

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Rauchschwaden steigen nach israelischen Angriffen im Gazastreifen auf.
Rauchschwaden steigen nach israelischen Angriffen im Gazastreifen auf. © Jamal Awad/XinHua/dpa

Angriff auf Israel - das Wichtigste in Kürze:

Hinweis: Berichte über das Kriegsgeschehen im Nahen Osten sowie Angaben von israelischer und palästinensischer Seite lassen sich nur schwer unabhängig prüfen.

Donnerstag, 16. Mai, 5.40 Uhr: Experten: Hamas im Gaza-Krieg noch lange nicht besiegt

Israel ist nach Einschätzung von Experten auch nach mehr als sieben Monaten Krieg im Gazastreifen noch weit von einem Sieg über die islamistische Hamas entfernt. "Die Hamas ist überall im Gazastreifen präsent", sagte Joost Hiltermann, Leiter des Programms für den Nahen Osten und Nordafrika bei der Denkfabrik International Crisis Group, dem "Wall Street Journal". "Die Hamas ist noch lange nicht besiegt." Die Terrororganisation sei zu einer Guerillataktik übergangen, was in Israel die Befürchtung schüre, in einen "ewigen Krieg" zu geraten, berichtete die Zeitung in der Nacht zum Donnerstag.

Unabhängig davon, ob Israel die Stadt Rafah im Süden Gazas in vollem Umfang angreife oder nicht, werde die Hamas nach Auffassung aktiver sowie ehemaliger israelischer Militärs sowie nach Einschätzung der US-Geheimdienste wahrscheinlich überleben und in anderen Gebieten des Küstenstreifens weiter bestehen, schrieb das "Wall Street Journal".

21.35 Uhr: USA: Führen mit Israel schwierige Gespräche und helfen gleichzeitig

Die US-Regierung hat angesichts von Berichten über eine neue Waffenlieferung an Israel in Milliardenhöhe ihre Unterstützung für das Land bekräftigt. Zwei Dinge könnten gleichzeitig wahr sein, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Mittwoch. Man könne schwierige Gespräche mit Verbündeten führen und Bedenken teilen, betonte sie mit Blick auf Israels umstrittenes Vorgehen in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. "Und wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir sicherstellen wollen, dass (Israel) in der Lage ist, sich zu verteidigen." Diese beiden Dinge schlössen sich nicht aus.

Mehrere US-Medien hatten zuvor berichtet, dass die US-Regierung eine neue Waffenlieferung an Israel im Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar (rund 924 Millionen Euro) plane. Sie enthalte Panzermunition, taktische Fahrzeuge und Mörsergranaten, schrieb das "Wall Street Journal" unter Berufung auf nicht genannte Quellen. Jean-Pierre reagierte ausweichend auf Fragen zu dem Paket. "Ich kann mich nicht zu den Einzelheiten dieses Waffentransfers äußern", sagte sie. Die Zuständigkeit liege beim US-Außenministerium.

US-Präsident Biden hatte Israel vergangene Woche damit gedroht, dass eine größere Bodenoffensive in der mit Binnenflüchtlingen aus anderen Teilen des Gazastreifens überfüllten Stadt Rafah Konsequenzen für US-Waffenlieferungen haben könnte. Aktuell hält die US-Regierung deshalb eine Munitionslieferung zurück. Jean-Pierre machte am Mittwoch erneut deutlich, dass die USA davon ausgingen, dass es sich bisher um einen begrenzten Einsatz des israelischen Militärs in Rafah handele - nicht um eine große Bodenoffensive. "Aber wir haben natürlich Bedenken, dass das passieren könnte", sagte Bidens Sprecherin. Aus diesem Grund würden die Gespräche mit Israel fortgesetzt.

19.29 Uhr: Britische Hilfe auf dem Weg zu neuem Pier in Gaza

Mit fast 100 Tonnen Ausrüstung für Notunterkünfte aus Großbritannien an Bord ist ein Schiff auf dem Weg zum Gazastreifen. Die Lieferung soll zu den ersten gehören, die über einen provisorischen Pier an Land gebracht werden sollen. Es handele sich um 8.400 Notunterkünfte aus Plastikplanen und sei der erste Teil eines britischen Hilfspakets im Wert von 2 Millionen Pfund (2,33 Mio Euro), teilte das britische Außenministerium am Mittwoch mit.

Premierminister Rishi Sunak sprach von einem wichtigen Moment. "Das Vereinigte Königreich hat rund um die Uhr mit unseren Verbündeten und Partnern zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass mehr Hilfe über alle möglichen Wege – Land, Luft und See – nach Gaza gelangt", sagte Sunak. Es sei aber noch mehr Einsatz nötig. "Deshalb werden wir uns neben der intensiven Arbeit zur Befreiung der Geiseln aus Gaza auch weiterhin darum bemühen, mehr Wege zu erschließen, um lebenswichtige Hilfe zu erhalten – um Menschen in dringender Not zu helfen."

Der provisorische Pier, der von der US-Marine und der US-Armee gebaut wurde, soll nach britischen Angaben zunächst die Lieferung von rund 90 Lastwagen-Ladungen internationaler Hilfsgüter pro Tag ermöglichen. Bei vollem Betrieb sollen bis zu 150 Ladungen möglich sein. Einen Bodeneinsatz britischer Soldaten, um die Güter an Land zu bringen, hatte die Regierung in London ausgeschlossen. Ein britisches Landungsschiff soll vor der Küste als Logistikzentrale dienen.

19.06 Uhr: Israels Verteidigungsminister warnt vor Militärherrschaft in Gaza

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hat die Unentschlossenheit Israels in der Frage, wer nach dem Krieg in Gaza herrschen soll, scharf kritisiert. Es müsse eine politische Alternative zur Herrschaft der islamistischen Hamas im Gazastreifen geschaffen werden, forderte Galant am Mittwoch vor Journalisten in Tel Aviv.

Ohne eine solche Alternative blieben nur zwei negative Optionen, nämlich eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelische Militärherrschaft, sagte Galant.

"Der "Tag nach Hamas" kann nur erzielt werden, wenn palästinensische Vertreter in Gaza die Kontrolle übernehmen, begleitet von internationalen Akteuren, die eine Regierungsalternative zur Hamas-Herrschaft schaffen", sagte Galant.

Israels Offensive im Gazastreifen schaffe bereits Ergebnisse, die Hamas sei militärisch schon sehr dezimiert. "Solange die Hamas aber die Kontrolle über das zivile Leben in Gaza bewahrt, kann sie sich wieder neu aufbauen und erstarken, sodass die israelische Armee zurückkommen und kämpfen muss, in Gebieten, in denen sie bereits im Einsatz gewesen war", erklärte Galant.

Er habe bereits seit Kriegsbeginn vergeblich eine Debatte über dieses Problem gefordert, sagte Galant in offensichtlicher Kritik an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Unentschlossenheit ist im Grunde auch eine Entscheidung - dies führt zu einem gefährlichen Kurs, der die Idee militärischer und ziviler Herrschaft Israels in Gaza fördert", sagte er. Dies sei für den Staat Israel eine "negative und gefährliche Option".

Galant bekräftigte, er werde einer dauerhaften israelischen Militärherrschaft im Gazastreifen nicht zustimmen. Er rief Netanjahu dazu auf, "eine Entscheidung zu treffen und zu erklären, dass Israel keine zivile und keine militärische Herrschaft im Gazastreifen einrichten wird". Netanjahu hatte zuvor gesagt, vor einem Sieg über die Hamas sei es sinnlos, über den "Tag danach" im Gazastreifen zu sprechen.

17.34 Uhr: Offensive in Rafah: UN-Gericht berät über Eilantrag gegen Israel

Im Zusammenhang mit der israelischen Militäroffensive gegen die islamistische Hamas in Rafah befasst sich der Internationale Gerichtshof in Den Haag am Donnerstag erneut mit einem Eilantrag gegen Israel. Südafrika fordert den sofortigen Rückzug Israels aus Rafah im südlichen Gazastreifen, um einen Völkermord an der palästinensischen Zivilbevölkerung zu verhindern. Die Lage habe sich durch die Angriffe Israels extrem verschlechtert und das Überleben der Menschen sei bedroht.

Das höchste Gericht der Vereinten Nationen setzte zwei Tage für die Anhörung an. Am Donnerstag hat Südafrika das Wort, Israel wird am Freitag reagieren. Bisher hatte Israel alle Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.

Südafrika hatte Ende 2023 bereits Klage gegen Israel wegen Verletzung der Völkermordkonvention eingereicht. In einer ersten Eilentscheidung hatten die UN-Richter Israel verpflichtet, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern. Das Gericht kann weitere Maßnahmen anordnen, wenn sich die Lage im Kriegsgebiet verschlechtert habe. Wann das Gericht entscheiden wird, ist noch nicht bekannt. Entscheidungen dieses Weltgerichts sind bindend.