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Gericht: Ex-AfD-Abgeordneter Jens Maier wird in den Ruhestand versetzt

Die Versetzung des als rechtsextrem eingestuften Richters und AfD-Mitglieds Jens Maier in den Ruhestand ist rechtmäßig. Doch der will das Urteil nicht akzeptieren.

Von Karin Schlottmann
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Das Leipziger Dienstgericht für Richter unter Vorsitz von Hanns-Christian John verwehrt AfD-Mann Jens Maier die Rückkehr in den Richterdienst.
Das Leipziger Dienstgericht für Richter unter Vorsitz von Hanns-Christian John verwehrt AfD-Mann Jens Maier die Rückkehr in den Richterdienst. © dpa

Leipzig. Der Platz von Jens Maier im Gerichtssaal 115 blieb leer. Der frühere AfD-Bundestagsabgeordnete erschien am Donnerstag nicht zu dem Prozess, der über seine berufliche Zukunft entschieden hat. Rechtsanwalt Jochen Lober beantwortete die Frage des Gerichts nach den Gründen für das Fernbleiben nicht. Sein Mandant habe keine persönliche Ladung erhalten, sagte er. Fünfeinhalb Stunden später fiel das Urteil: Der Antrag des Justizministeriums, Maier in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, sei zulässig, entschied das Richterdienstgericht. Er sei als Richter nicht mehr tragbar.

Es war eine heikle Frage, über die die drei Richter des Richterdienstgerichts in Leipzig zu urteilen hatten. Darf ein Richter für Äußerungen, die er als Bundestagsabgeordneter getätigt hat, nachträglich sanktioniert werden? Die Versetzung in den Ruhestand nach Paragraf 31 Richtergesetz sei keine Strafe, erläuterte der Vorsitzende Richter Hanns-Christian John die Urteilsgründe. Ein Richter auf Lebenszeit kann in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden, heißt es im Gesetz.

Eine Reihe von Kommentaren und Wahlkampfreden, die in der Verhandlung zwischen den Vertretern des Justizministeriums und Anwalt Lober ausführlich diskutiert wurden, haben laut Gericht in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, Maier werde sein Amt nicht mehr unparteiisch und ohne Ansehen der Person ausüben. Es komme also nicht auf persönliches Verschulden an, sondern auf das Vertrauen in die Justiz.

In den vom Gericht zitierten Äußerungen ging es unter anderem um die auf Facebook verbreitete Beschimpfung einer verschleierten Fußgängerin als „Schleiereule“ und „Gesinde“. Als weiteren Beleg wertete John eine Äußerung auf Twitter. Dort hatte Maier einen Presseartikel sinngemäß mit den Worten kommentiert, wenn sich Angeklagte vor AfD-Richtern fürchten, haben „wir nichts falsch gemacht“.

Bereits im August 2014 bezeichnete Maier auf Facebook muslimische Frauen als "Schleiereulen".
Bereits im August 2014 bezeichnete Maier auf Facebook muslimische Frauen als "Schleiereulen". © SZ-Archiv

John sagte, die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, Maier werde sich von seiner selbst erfundenen Eigenschaft als AfD-Richter bei Urteilen von falschen Motiven leiten lassen. Maiers Anwalt hatte argumentiert, dass dieser Tweet von einem Mitarbeiter geschrieben worden sei. Dies ist aus Sicht des Gerichts unerheblich, weil die Bemerkung in seinem Namen und über seinen Account veröffentlicht worden war.

Zahlreiche öffentliche Belege

Anwalt Lober hatte bei den weiteren vom Justizministerium als rassistisch, antisemitisch oder menschenverachtend eingestuften Äußerungen ähnlich argumentiert. Die Kommentare seien entweder von Mitarbeitern geschrieben oder sinnentstellend wiedergegeben worden. Lober warf dem Ministerium vor, mit Unterstellungen und Erfindungen zu arbeiten. Die Proteste gegen die Rückkehr des Juristen in den sächsischen Justizdienst kämen politisch alle „aus einer Ecke“, Kritik an der Arbeit Maiers als Richter habe es nicht gegeben.

Das Gericht schloss sich dieser Argumentation nicht an. Das Ministerium hatte in der Antragsschrift etwa ein gutes Dutzend Belege aufgeführt, die seiner Meinung nach eine Beeinträchtigung der Rechtspflege begründeten. Cornelia Schönfelder, die zuständige Abteilungsleiterin, nannte unter anderem eine aus ihrer Sicht verharmlosende und die Opfer verhöhnende Äußerung über einen Attentäter in Dresden und den Massenmörder Breivik.

In dem Verfahren ging es auch um die Einstufung Maiers als Rechtsextremist in den Jahresberichten des Verfassungsschutzes. Lober hatte beantragt, das Verfahren vor dem Richterdienstgericht auszusetzen, bis über eine Klage Maiers gegen den Verfassungsschutz entschieden worden sei. Darin wendet er sich gegen seine Erwähnung in dem Bericht. Da diese Bewertung als Begründung herangezogen worden sei, müsse zuerst darüber entschieden werden.

Schönfelder sagte, das Ministerium habe die Verfassungsschutzberichte nicht benötigt, da es zahlreiche öffentlich zugängliche Fundstellen mit entsprechenden Belegen gebe. Das Gericht hatte sich bereits vor der mündlichen Verhandlung mehrere Youtube-Filme mit Wahlkampfauftritten Maiers angesehen.

Vom Bundestag ins Amtsgericht Dippoldiswalde

Das Ministerium habe Äußerungen Maiers im Parlament bei der Entscheidungsfindung nicht herangezogen, sagte Schönfelder. Aber bei der Frage, ob er jederzeit die Gewähr dafür biete, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, müsse sein gesamtes Verhalten herangezogen werden. Das richterliche Mäßigungsgebot gelte auch für Abgeordnete.

Das Gericht wies darauf hin, dass die Verfassungsschutzberichte vom Landesamt korrigiert werden mussten. Dabei sei es auch den „Flügel“ der AfD gegangen, dem Maier angehört haben soll. Die AfD hatte in mehreren Prozessen Teilerfolge vor dem Verwaltungsgericht Köln erzielt.

Maier war 2017 in den Bundestag eingezogen. Bis dahin war er Richter am Landgericht Dresden. Auf seinen Antrag wies ihm das Ministerium 2021 eine Stelle beim Amtsgericht Dippoldiswalde zu, beantragte aber zugleich seine Versetzung in den Ruhestand. Im März wurde ihm vorläufig das Führen der Amtsgeschäfte untersagt. Gegen das Urteil des Dienstgerichts kann Maier nun Revision einlegen. Der Freistaat muss ihm nun die Ruhestandsbezüge, die im als 60-Jährigen zustehen, zahlen.