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Wie die Tempo-20-Regelung in der Radeberger Innenstadt bei Händlern und Anwohnern ankommt

Seit Ende Juni dürfen Autofahrer nur noch mit Tempo 20 in der Innenstadt fahren. Wie stehen Händler, Anwohner und Gewerbeverein zu der umstrittenen Regelung?

Von Verena Belzer
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Ab hier gilt seit Ende Juni Tempo 20 auf der Radeberger Hauptstraße.
Ab hier gilt seit Ende Juni Tempo 20 auf der Radeberger Hauptstraße. © Marion Doering

Radeberg. Es ist ein Thema, das die Geister scheidet: die Entscheidung für Tempo 20 auf der Radeberger Hauptstraße und rund um den Markt. Seit zwei Wochen gilt die neue Regelung, die als Verkehrsversuch angelegt ist und nun sechs Monate lang erprobt werden soll.

Zahlreiche Autofahrer schimpfen über die Maßnahme. Kommentare wie "Oh mein Gott, warum nicht gleich schieben?", "Wer geht schon in der Innenstadt einkaufen. Außer Rossmann ist da eh nicht viel los. Jetzt geht es eben zu DM am Silberberg" oder "Wer hat sich denn den Schotter wieder ausgedacht?" liest man unter dem Beitrag zur Ankündigung im sozialen Netzwerk Facebook.

Ausgedacht hat sich die Maßnahme das Radeberger Ordnungsamt unter der Leitung von Mandy Thümer. Die Schulleiter der beiden betroffenen Schulen, Andreas Känner vom Humboldt-Gymnasium und Susanne Krohn von der Grundschule Stadtmitte, begrüßen die Entscheidung. Ihre Schüler sind regelmäßig auf der Hauptstraße unterwegs.

Und auch der Radeberger Gewerbeverein ist für Tempo 20 in der Innenstadt: "Der Gewerbeverein steht dem Tempolimit 20 km/h positiv gegenüber", erklärt Pressesprecher Karsten Misch. Es gäbe aber das Problem, dass Radfahrer die Hauptstraße mit teils hoher Geschwindigkeit gegen die Einbahnstraße herunterfahren, berichtet Misch.

Doch was sagen eigentlich die konkret betroffenen Händler und Gewerbetreibenden? Wie erleben sie tagtäglich die Verkehrssituation in der Innenstadt? Haben sie Sorge, dass ihnen wegen der Regelung Kunden abhandenkommen?

Rasende Autos und Lärm auch nachts in Radeberg

"Ich denke, die Maßnahme ist nicht zum Nachteil von uns Händlern", sagt Bianca Maass, die an der Ecke Hauptstraße/Ecke Dr.-Wilhelm-Külz-Straße ihre Stoffmeisterei betreibt und hier Stoffe und alles rund ums Nähen anbietet. Die neue Tempo-20-Regelung beginnt ein kleines Stück über ihrem Geschäft. "Die Autos rasen hier wirklich um die Kurve", berichtet Bianca Maass. "Da kommt es oft zu brenzligen Situationen. Ein Glück, dass noch nichts passiert ist."

Und auch Bianca Maass stört sich an den Radfahrern, die die Hauptstraße runterfahren, obwohl das nicht erlaubt sei.

Würden sich die Autofahrer an Tempo 30 auch wirklich halten, fände sie das ausreichend. "Zumindest hier unten an der Hauptstraße. Weiter oben, wo die Schulkinder regelmäßig unterwegs sind, finde ich Tempo 20 gut." Dort sei die Straße auch ziemlich eng, vor allem auf Höhe des Pilsfaßes.

Nicht weit von dieser Stelle entfernt, betreibt Heike Träber die Radeberger Buchhandlung. Sie bestätigt, was auch Bianca Maass' Eindruck ist: "30 Stundenkilometer wären ok, wenn sich die Autofahrer dran halten würden." Sie findet Tempo 20 aber auch in Ordnung. Manchmal sei es in ihrem Laden auch ganz schön laut, wenn die Autos daran vorbeifahren.

Eine Anwohnerin im selben Haus, die kürzlich ausgezogen ist, habe ihr davon berichtet, wie es auch nachts oft laut gewesen sei wegen der Autos, die auf dem Pflaster zu schnell unterwegs sind. "Wenn 30 ist, fahren doch viele einfach 50", sagt Heike Träber.

Ihre Kunden hätten die neue Regelung bisher jedenfalls nicht angesprochen, berichtet die Buchhändlerin.

Ärger um Radfahrer auf der Radeberger Hauptstraße

Jutta Naumann, die ihr Miederwaren-Geschäft "Wäsche-Mädels" direkt am Markt hat, findet die Temporeduzierung nicht schlecht. "Die Autofahrer rasen hier wirklich manchmal entlang", berichtet sie von ihren Erfahrungen. Sie sei sich allerdings nicht sicher, ob das so durchsetzbar sei. "Die meisten halten sich doch eh nicht dran." Sie wolle sich überraschen lassen, wie der Verkehrsversuch weitergeht.

Viel gefährlicher als schnelle Autos seien in ihren Augen aber Radfahrer, die entgegen der Einbahnstraße die Hauptstraße auf dem Fußweg entlang fahren.

Das sieht ihr Ehemann Eckehard ähnlich. "Um die Radfahrer kümmert sich niemand", sagt er. "Da kontrolliert niemand, ob sie sich an die Regeln halten." Tempo 20 in der Innenstadt halte er auch für eine Unverschämtheit, sagt er. "Man muss doch mal die Kirche im Dorf lassen."

Wer einmal wegen eines Tempoverstoßes in Radeberg zahlen müsse, komme dann doch nie wieder in die Stadt. "Warum muss immer wieder etwas Neues erfunden werden?", fragt er.

Bisher halten sich nicht alle an die neue Regelung

"Ich persönlich finde Tempo 20 nicht störend", sagt Harald Grüninger, der an der Hauptstraße den Immobilienservice Radeberg betreibt. "Ob es zu Tempo 30 einen Unterschied und damit einen Vorteil bringt, das halte ich allerdings für fraglich."

Er persönlich habe aktuell den Eindruck, dass sich die wenigsten an die neue Temporegelung halten. "Aber ich habe bisher die Innenstadt auch nicht als große Unfallquelle wahrgenommen."

Sowohl gewerbetreibend als auch Anwohner ist das Ehepaar Steffi und Detlev Dauphin, das sein Architekturbüro und Zuhause im selben Haus am Markt hat. "Es fahren immer noch sehr viele Autos sehr schnell durch die Innenstadt", berichtet Steffi Dauphin von ihren Erfahrungen. "Meiner Ansicht können nur Straßenhöcker oder seitliche Umfahrungseinschränkungen nutzen. Ob das jedoch in unserer Innenstadt umgesetzt werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis."

Wenn es die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöhe, sei sie für die Tempo-20-Regelung in der Innenstadt, "aber was ich wirklich nicht will, ist eine komplett autofreie Innenstadt".