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Riesa schmiedet neue Pläne fürs Obdachlosenheim

Weil der Wunsch-Standort weiter fraglich scheint, will die Stadt jetzt eine Containerlösung prüfen.

Von Stefan Lehmann
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Obdachlosenheim an der Klötzerstraße in Riesa. Das obere Stockwerk ist laut DRK nicht mehr bewohnbar, die Heizkosten sind ebenfalls ein Problem. Nach einem neuen Standort wird schon seit Jahren gesucht - ohne Erfolg.
Obdachlosenheim an der Klötzerstraße in Riesa. Das obere Stockwerk ist laut DRK nicht mehr bewohnbar, die Heizkosten sind ebenfalls ein Problem. Nach einem neuen Standort wird schon seit Jahren gesucht - ohne Erfolg. © Sebastian Schultz

Riesa. Die Suche nach einem neuen Standort für Riesas Obdachlosenheim muss von vorn losgehen. Wie Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) am Mittwoch im Stadtrat mitteilte, zeichne sich keine kurzfristige Einigung mit dem Ölwerk ab.

Cargill hatte Anfang 2020 Bedenken gegen einen Umzug des Obdachlosenheims an die Speicherstraße angemeldet. Die Einrichtung wäre damit in direkte Nachbarschaft zum Industriebetrieb gezogen. Nach dem Widerspruch gegen das Vorhaben hatte sich Riesas Oberbürgermeister zunächst für einen Dialog mit dem Konzern ausgesprochen. Doch die Gespräche in den vergangenen anderthalb Jahren verliefen bislang ergebnislos.

Völlig abgeschrieben sei der Standort an der Speicherstraße nach wie vor nicht, heißt es auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung. Weil eine Lösung aber zumindest in der näheren Zukunft nicht abzusehen ist, prüfe man nun eine "mobile Variante". Die sieht vor, das Obdachlosenheim und wohl auch die Tafel in Wohncontainern unterzubringen.

Beim Vorstand des Deutschen Roten Kreuzes sorgt dieser Vorschlag für Kopfschütteln. Und das nicht, weil er nicht umsetzbar wäre. "Ich habe diese Variante schon vor dem Sommer angesprochen", sagt Falk Glombik. Er habe schon Anfang 2021 den Vorschlag unterbreitet, eine Firma in Chemnitz zu kontaktieren und auf Kosten des DRK eine Containerburg zusammenbauen zu lassen, "nach unserem Bedarf". Die Stadt hätte sich lediglich um einen Standort zu kümmern und eine Miete zu überweisen, so wie sie auch am jetzigen Standort die Betriebskosten trage. Aus dem Rathaus heißt es lediglich, das Thema Container sei nach der Sommerpause "ernsthaft in den Fokus" genommen worden.

"Man hätte schon im Frühjahr eine Lösung suchen müssen"

Den Chef des Riesaer DRK-Kreisverbands ärgert es maßlos, dass erneut monatelang überhaupt nichts passiert sei. Das Gebäude an der Klötzerstraße ist schon lange marode, mittlerweile sperrten sich sogar die Wartungsfirmen, noch einmal etwas an der Heizungsanlage zu machen - weil die schlicht zu alt sei. "Ich möchte langsam auch mal aus der Haftung raus", sagt Glombik. Ende 2019 sei er noch optimistisch gewesen, hatte zaghafte Hoffnung geäußert, vielleicht das nächste Weihnachtsfest schon an einem neuen Standort feiern zu können.

Mittlerweile klingt das völlig anders. Er sei sogar pessimistisch, was einen Umzug im Lauf des Jahres 2022 angeht. Zuletzt seien nicht einmal mehr seine Emails beantwortet worden. Falk Glombik spricht recht unverblümt von einer Hinhaltetaktik der Stadt.

Ähnlich äußert sich auch Linke-Stadträtin Sonja György. Auf ihre Anfrage hin hatte sich der Oberbürgermeister überhaupt erst zum neuen Sachstand beim Obdachlosenheim geäußert. "Für mich ist es nicht nachvollziehbar. Wir haben gleich wieder Winter, und es tut sich nichts. Ich weiß schon nicht mehr, wie oft ich schon nachgefragt habe." Überraschend sei die Nachricht für sie allerdings nicht. "Es war sehr lange schon klar, dass es in dem Gebäude nicht funktionieren kann. Man hätte schon im Frühjahr eine Lösung suchen können, suchen müssen!"

Blick auf die Speicherstraße. Das Gebäude mit dem roten Dach sollte eigentlich von der Wohnungsgesellschaft Riesa für die Nutzung als Obdachlosenheim umgebaut werden. Doch das benachbarte Ölwerk hat etwas gegen die Nutzung der Immobilie als Wohnunterkunft
Blick auf die Speicherstraße. Das Gebäude mit dem roten Dach sollte eigentlich von der Wohnungsgesellschaft Riesa für die Nutzung als Obdachlosenheim umgebaut werden. Doch das benachbarte Ölwerk hat etwas gegen die Nutzung der Immobilie als Wohnunterkunft © Foto: Lutz Weidler

Wie OB Müller auf Györgys Nachfrage mitteilte, sind der Stadt an dem Standort bisher keine Kosten entstanden. Die hatte allerdings die städtische Wohnungsgesellschaft WGR, betont die Linke-Stadträtin. Der Großvermieter hatte das Grundstück 2019 gekauft, mit dem Ziel, dort Tafel und Obdachlosenheim unterzubringen. Wie viel Geld die WGR dort schon investiert hat, "das erfahren wir ja gar nicht", ärgert sich Sonja György.

Die verlorengegangene Zeit sei das eine, das Geld, das für Planungen zum Fenster hinausgeworfen wurde, das andere, sagt auch Falk Glombik. Er glaubt nicht mehr daran, dass aus dem Standort an der Speicherstraße noch etwas wird, auch wenn die Leitung des Ölwerks in Riesa wechselt. Wenn der Konzern sich gegen die Ansiedlung sperre, dann habe da auch der Werkdirektor keinen Einfluss.

Der Frust ist nach mehr als einem Jahrzehnt ergebnisloser Standortsuche groß beim DRK, das im gleichen Haus das Obdachlosenheim und die Tafel betreibt. So groß immerhin, dass er das bestehende Modell der Unterbringung hinterfragt. Wenn man in der Stadtverwaltung kein Interesse mehr an der zentralen Unterbringung habe, "dann muss mir der OB das sagen". Dann müsse das DRK eben einen Standort für die Tafel suchen - und die Obdachlosen beispielsweise auf leerstehende Wohnungen im Stadtgebiet verteilt werden.