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Wie Sachsens Sport sich jetzt neu erfindet

Von wegen nur Fußball. Auch andere Wettkämpfe sind wieder erlaubt, aber mit Einschränkungen. Alte Regeln gelten nicht mehr, und die Athleten improvisieren.

Von Daniel Klein & Tino Meyer & Timotheus Eimert
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Es wird wieder Staub aufgewirbelt in Meißen: Lokalmatador Ronny Weis (vorn) liegt beim ersten Speedway-Rennen in Deutschland nach der Corona-Pause vorn.
Es wird wieder Staub aufgewirbelt in Meißen: Lokalmatador Ronny Weis (vorn) liegt beim ersten Speedway-Rennen in Deutschland nach der Corona-Pause vorn. © Claudia Hübschmann

An diesem Wochenende hätte sich Moritzburg wieder verwandelt. Statt Touristen und Spaziergänger wären Triathleten die Hauptakteure rund ums Jagdschloss gewesen. Hätte, wäre – der Schlosstriathlon wurde abgesagt, wie viele andere Meisterschaften, Wettkämpfe und Sportevents auch. Monatelang gab es Wettbewerbe allenfalls am Computer. Die Zeit des absoluten Stillstandes ist jedoch vorbei, es geht wieder los, wenn auch zaghaft und natürlich anders als gewohnt.

Erst war das Sporttreiben im Freien wieder möglich, dann das unterm Hallendach, nun erlaubt die sächsische Corona-Schutzverordnung auch wieder Wettkämpfe. Keine Sportart wird dabei ausgeschlossen, Zuschauer allerdings schon, und das rigoros. Die weiteren Einschränkungen ähneln denen aus Supermärkten und Schulen, sie auf den Sport zu übertragen, erweist sich als große Herausforderung.

Dies bekamen auch die Organisatoren der Mid-Summer-Track-Night zu spüren. Am Donnerstag wird im Dresdner Heinz-Steyer-Stadion gelaufen, aber nicht wie geplant über 5.000 und 10.000 Meter, das verbieten die Abstandsgebote. „Wir haben in den letzten Wochen verschiedene Szenarien besprochen, wie wir das Event dennoch stattfinden lassen können und uns für eine Ausweichvariante entschieden“, sagt Erik Haß, Trainer beim Dresdner SC.

Sprints statt Langstreckenlauf

Der Verein organisiert zusammen mit der Laufszene Athletics den Wettkampf. Statt Ausdauerläufen stehen nun Sprints über 100, 200 und 400 Meter auf dem Programm. Zwischen den Athleten muss dabei jeweils eine Bahn frei bleiben.„Ohne diese Einschränkungen würde es überhaupt keinen Wettkampf geben“, sagt Haß. Rund 150 Athleten aus ganz Deutschland werden starten, darunter der Dresdner Karl Bebendorf, deutscher Meister über 3.000 Meter Hindernis, sowie Lucas Jakubczyk, Vize-Europameister mit der 4x100-Meter-Staffel. Zuschauen kann man – allerdings nur per Livestream.

Das Steyer-Stadion ist auch das Ziel des ReStart Run am 21. Juni. Gelaufen wird vorher nicht auf der Tartanbahn, sondern auf dem Elberadweg. Los geht es am Schillergarten auf Strecken über 7,2 und zehn Kilometern. Um größere Menschenansammlungen zu vermeiden, starten 900 Läufer am Morgen, weitere 900 um die Mittagszeit – und das jeweils gestaffelt in Gruppen im Halbstunden-Rhythmus. Im Startareal muss ein Mund-Nase-Schutz getragen werden. Gewertet wird zudem die individuell gelaufene Nettozeit, also kann auch der zuletzt gestartete Teilnehmer gewinnen.

„Besondere Zeiten verlangen besondere Maßnahmen“, sagt André Egger von der Laufszene Events GmbH, die in Dresden auch Team Challenge, Frauen- und Nachtlauf veranstaltet. „Doch wir freuen uns riesig, dass es so kurzfristig mit ReStart Run geklappt hat, erst recht nach so einer langen Pause.“ Der Dresden-Marathon im Oktober 2019 war der letzte offizielle Straßenlauf in der laufbegeisterten Stadt.

Der Sachsentrail im erzgebirgischen Breitenbrunn eine Woche später wird ebenfalls zeitlich entzerrt – und diesmal am Samstag und Sonntag gelaufen. Die Startzeiten wurden so auseinandergelegt, dass enge Kontakte unterwegs und im Ziel ausgeschlossen sind. Gewertet wird auch hier nur die Nettozeit.

Haß wie Egger haben ein detailliertes Hygeniekonzept ausgearbeitet. „Das ist eine Bedingung“, erklärt Christian Dahms, Generalsekretär des Landessportbundes (LSB) Sachsen. Von den jeweiligen Gesundheitsämtern genehmigt werden müssen sie – zumindest bei kleineren Wettkämpfen – jedoch nicht. „Aber man muss sie auf Verlangen vorzeigen können“, so Dahms.

Kugelstoßer David Storl organisierte in Leipzig einen Mini-Wettkampf., den er auch gewann.
Kugelstoßer David Storl organisierte in Leipzig einen Mini-Wettkampf., den er auch gewann. © Eibner-Pressefoto

Beim LSB, der 650.000 Mitglieder zählt, landen in diesen Tagen viele Anfragen von Vereinen. „Das Problem sind die sich rasch ändernden Regeln und Vorschriften. Mitunter sind auch die Formulierungen nicht so leicht verständlich“, erklärt Dahms. Auf der Homepage des LSB gibt es deshalb eine Übersicht mit den wichtigsten Fragen und Antworten, die immer wieder aktualisiert wird. „Und das in einfachen Worten.“Es geht wieder los, nach den Beobachtungen von Dahms vor allem im Kinder- und Jugendalter aber noch zögerlich. Er schiebt das auch auf die bevorstehenden Sommerferien. „Es sind nur noch vier Wochen Schule, in den Mannschaftssportarten haben die Ligen die Saison längst abgebrochen. Viele Vereine warten deshalb bis nach den Ferien.“

Ronny Weis und seine Mitstreiter vom MC Meißen wollten nicht länger warten. Vergangenen Samstag organisierten sie ein Geister-Speedway-Rennen – nicht nur, aber vor allem für die Kinder. „Bei ihnen haben wir gemerkt, dass sie unmotiviert waren, weil sämtliche Rennen und Meisterschaften abgesagt wurden“, erklärt er.Mit den Motorrädern trainiert haben sie in Meißen bereits, seitdem Sport im Freien erlaubt ist. „Da kamen sogar unsere Freunde aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zu uns, weil bei ihnen die Bahnen noch zugesperrt waren“, erzählt Weis. Das Geister-Rennen, bei denen die Bänke hinter der Bande komplett leer bleiben mussten, war die erste Speedway-Veranstaltung in Deutschland seit dem Ausbruch der Pandemie. „Es war toll, hat Spaß gemacht“, sagt der Sportleiter des MC Meißen. Die Finanzierung sei jedoch schwierig gewesen. „Keine Zuschauer, kein Programmheft, keine Sponsoren.“

Zuschauer sind nicht erlaubt

Funktioniert hat es trotzdem, weil die Profipiloten auf ihre Gage verzichteten – und die Rennleiter, Schiedsrichter, Sportkommissare sowie die Leute von der Streckensicherung auf ihre Anfahrtspauschale. Drei große, internationale Rennen hat der Klub in diesem Jahr geplant, darunter den „Silbernen Stahlschuh“ am 3. Oktober. Ob sie tatsächlich stattfinden können, hängt von weiteren Lockerung ab. „Das geht nicht ohne Zuschauer, da sind wir auf die Ticketverkäufe angewiesen“, erklärt Weis.

Mindestens bis zum 31. August bleiben die Zuschauer aber ausgesperrt. Es ist eine der wenigen Regeln, die deutschlandweit gelten. Jedes Bundesland hat eigene Verordnungen, und die variieren teilweise erheblich. Das macht die Ausrichtung bundesweiter Wettbewerbe schwierig. So waren am Pfingstsonntag beim 72. Sachsenringrennen 131 Radfahrer gemeldet, letztlich traten nur 40 in die Pedalen. Die Jedermann- und Nachwuchs-Rennen mussten abgesagt werden.

Wie sehr Freizeitläufern wie Spitzensportlern das Sich-Messen gefehlt hat, zeigen privat organisierte Mini-Wettkämpfe. So veranstaltete das Mitteldeutsche Kugelstoßteam um den zweimaligen Weltmeister David Storl ein „Training unter Wettkampfbedingungen“ auf dem Gelände neben der Leipziger Red-Bull-Arena. Storl gewann mit „soliden“, wie er fand, 20,45 Metern. Doch das Ergebnis spielte vor einer Woche eher eine Nebenrolle. Dank Sponsoring-Einnahmen, der Wettkampf wurde live im Internet übertragen, wird der Nachwuchs von drei Leipziger Leichtathletik-Vereinen unterstützt.