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"Wem soll unser Boden gehören?": Bauern kämpfen in Dresden gegen Aldi & Co.

Eine kleine Gruppe Bauern demonstriert vor dem sächsischen Landtag für ein Gesetz, das sächsischen Boden vor Investoren schützen soll. Was unterscheidet sie von den Demonstranten der letzten Wochen?

Von Moritz Schloms
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Sebastian Kuckas am Donnerstag bei der Demo vor dem Landtag.
Sebastian Kuckas am Donnerstag bei der Demo vor dem Landtag. © SZ/Moritz Schloms

Sebastian Kuckas stapft am Donnerstagmittag auf ein halbes Dutzend Landwirte zwischen zwei Traktoren zu. "Und, was kam raus?", fragt ihn eine seiner Mitstreiterinnen. Der 34-jährige Bauer kommt gerade aus einer Ausschusssitzung im sächsischen Landtag, in der das neue Agrarstrukturgesetz besprochen wurde, das die Anwesenden befürworten. Die kleine Gruppe tauscht sich darüber aus, einige klammern die Hände um Tassen mit dampfenden Getränken, sie teilen eine Tafel Schokolade.

"Wem gehört unser Boden?"

Ziel des Agrarstrukturgesetzes ist, dass ansässige Landwirte künftig beim Grundstückskauf gegenüber großen Konzernen bevorzugt werden. Laut Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) soll das Gesetz Landwirte bei Kauf und Pacht vor "Landgrabbing" (Land schnappen) und spekulativ überhöhten Marktpreisen schützen.

"Das Gesetz wird nicht unseren sächsischen Landwirtschaftsbetrieben schaden, es soll nur den Einfluss der Blackrocks dieser Welt bei uns im Freistaat deckeln", sagt Günther. Er stellt sich zu den Landwirten, die mit ihren Traktoren vor dem Landtag stehen. Der Minister rechnet damit, dass das Gesetz noch in diesem Jahr vor den Wahlen im Landtag beschlossen wird.

Sebstian Kuckas treibt an diesen Donnerstagmittag eine ganz grundsätzliche Frage um: "Wem soll unser Boden gehören?". Auch er will die Investoren aus der Landwirtschaft heraushalten. "Diese Investoren wie zum Beispiel Aldi oder Quarterback, das sind keine leidenschaftlichen Bäuerinnen und Bauern. Unser Boden ist für die ein Spekulationsobjekt." Täglich gingen der deutschen Landwirtschaft 50 Hektar verloren.

Der 34-Jährige ist auf einem Bauernhof in Mittelsachsen groß geworden. "Mein Vater war einer der ersten Bio-Bauern Ostdeutschlands." 100 Hektar messe der Betrieb. "Nur gepachtet, kein Eigentum. Das konnten wir uns nie leisten, eben wegen der Bodenpreise." Mittlerweile arbeitet er in einem anderen Betrieb als "Ackerbauchef".

Eigentlich hat er gerade einen vollen Aufgabenzettel: "Feldränder verschneiden, Anbauplanung, Saatgut bestellen und es steht ein bisschen Bürokratie auf'm Plan, was man sonst übers Jahr nicht schafft", zählt er auf.

Warum Sebastian Kuckas für etwas protestieren will, nicht nur gegen etwas

Auch bei der großen Bauerndemo in Dresden eine Woche zuvor hatte der 34-Jährige in seiner Rede über die Investoren und den Boden gesprochen. Dort habe er viel Applaus bekommen. Doch trotzdem treffen sich an diesem Donnerstag vor dem Landtag nur zwei Traktoren und ein halbes Dutzend Bauern.

Auf den bisherigen Bauerndemos war das Gesetz kein zentrales Thema. Denn: Die Landwirte sind sich uneinig. Der bisherige Hauptakteur der Bauerndemos, der Sächsische Landesbauernverband, lehnt das neue Gesetz ab. Das Gesetz dürfe die sächsischen Großbetriebe der Landwirtschaft nicht einschränken und Fusionen behindern, so Präsident Torsten Krawczyk.

Lesen Sie dazu auch: "Land schafft Verbindung" - das ist der Verein hinter den Bauern-Protesten in Sachsen

Sebastian Kuckas ist der Ansicht, der Bauernverband hat es versäumt seinen Mitgliedern klar zu kommunizieren, worum es bei dem Gesetz wirklich geht. Er meint: "Die Grenze im Gesetz liegt bei 2.500 Hektar, 99,5 Prozent aller Betriebe, die letzte Woche auf der Demo waren, sind davon nicht betroffen. Es schützt sie nur."

Organisiert von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft versammelt sich eine kleine Gruppe vor dem Landtag.
Organisiert von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft versammelt sich eine kleine Gruppe vor dem Landtag. © SZ/Moritz Schloms

Als die Bauern untereinander diskutieren, meint einer: "Es ist doch immer so. Sobald es konkret wird, sind die Massen weg." Organisiert wurde diese Demo vor dem Landtag von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Wir von der AbL sind eigentlich nie nur gegen etwas, sondern versuchen im Dialog zu schauen, wie wir Probleme lösen können", sagt Kuckas.

Das viele nur noch dagegen seien, sei ein gesellschaftliches Problem. "Demokratie heißt nicht nur protestieren oder wählen, sondern auch sich einbringen und Vorschläge machen."