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Werden höhere Preise die Lust auf Busreisen dämpfen?

Gestiegene Kosten für Diesel, Hotels und Verpflegung zwingen Sachsens Busreise-Veranstalter zu Zuschlägen. Trotzdem ist die Nachfrage sogar höher als vor Corona.

Von Kornelia Noack
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Frisch zurück von der Ostseeküste: Bus-Touristin Gudrun Weller aus Rosenthal war fünf Tage mit SZ-Reisen unterwegs.
Frisch zurück von der Ostseeküste: Bus-Touristin Gudrun Weller aus Rosenthal war fünf Tage mit SZ-Reisen unterwegs. © Jürgen Lösel

Gudrun Weller hat innerhalb von fünf Tagen viel gesehen und erlebt: ein Besuch im Schweriner „Märchenschloss“, ein Ausflug in die hübschen Altstädte von Wismar und Lübeck sowie zu den Fachwerkhäusern von Güstrow. Und auch eine 3-Seen-Schifffahrt war inklusive. Die 70-Jährige aus Rosenthal war mit SZ-Reisen unterwegs.

Die Mecklenburg-Bustour gehört zu den Klassikern des Veranstalters. Der Preis liegt derzeit bei knapp 770 Euro im Einzelzimmer inklusive Haustürabholung. Wer allerdings im neuen Katalog blättert, findet für nächstes Jahr einen höheren Preis: 799 Euro. Eine Ausnahme? Wohl nicht. „In der Branche gehen wir davon aus, dass Busreisen 2023 teurer werden“, sagt Geschäftsführer Axel Schmidt.

Busreisen sind äußerst beliebt

Jährlich buchen etwa 16 Millionen Deutsche eine Bustour mit Übernachtung. Zusätzlich starten etwa 65 Millionen Tages- und Ausflugsfahrten. Mit 14,3 Milliarden Euro im Jahr wird sogar mehr Umsatz erwirtschaftet als mit ausländischen Flugtouristen.

Auch Gudrun Weller hat sich diesmal ganz bewusst für den Bus entschieden: Die Entspannung beginnt mit dem Einsteigen. Übernachtungen und Ausflüge sind organisiert. Beschränkungen bezüglich des Gewichts bei Koffern gibt es nicht. Und mit dem Reiseleiter an Bord gibt es einen direkten Ansprechpartner. Diesen Komfort schätzen insbesondere ältere Reisende. „Außerdem werde ich zu Hause abgeholt und per Taxi wieder abgesetzt“, sagt Gudrun Weller.

Bus oft günstiger als Flugzeug

Neben dem Rundum-Sorglos-Paket, das Busreisen so attraktiv macht, spielt der Preis eine entscheidende Rolle. „Im Vergleich zu Flugreisen und individuellen Fahrten sind Busreisen schon immer günstig“, sagt René Lang. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Busreiseveranstalters in Schwarzenberg. Allein 800 Gäste hätten bei ihm für diesen Sommer einen zehntägigen Bade-Trip nach Kroatien gebucht. Kostenpunkt: etwa 2.200 bis 2.400 Euro für eine vierköpfige Familie. „Bei einem vergleichbaren Urlaub auf Mallorca schätze ich derzeit den doppelten Preis“, sagt Lang.

Schon immer sind Busreisen ein starkes Frühbucher-Geschäft. Und ab einem gewissen Zeitpunkt bleiben die Preise dann stabil: Kunden können sich also darauf verlassen, die Veranstalter besser planen. Letzte freie Plätze in einem Bus für Schnäppchenpreise verscherbeln – das gibt es nicht. „Im Flugzeug kann es dagegen schon mal vorkommen, dass meine Sitznachbarn 200 Euro mehr oder weniger gezahlt haben“, sagt Lang. „Wir sind auch gar nicht bestrebt, ein Last-Minute-Anbieter zu werden.

Veranstalter nehmen Diesel-Zuschläge

Eben dieser Anspruch jedoch bereitet vielen Veranstaltern derzeit Sorgen – trotz einer erfreulichen Buchungslage. Sie stecken in einem Dilemma: Die Prospekte für die aktuellen Reisen sind seit Monaten gedruckt. Das bedeutet, die Preise wurden vor mehr als einem Jahr kalkuliert, als der Diesel noch etwa 1,50 Euro gekostet hat – und nicht wie zu Hochzeiten im März 2,15 Euro. Sie stimmen hinten und vorne nicht mehr. Derzeit koste jeder Bus-Tag insgesamt etwa ein Drittel mehr als im vergangenen Jahr, sagt René Wächtler von Eberhardt Travel in Kesselsdorf.

„Wir können die Preise für unsere Busreisen zwar nachträglich leicht erhöhen, aber eins zu eins wollen und können wir die Mehrkosten nicht umlegen“, sagt René Lang. Und doch musste er auf den Dieselschock reagieren. Regelmäßig, etwa alle vier Wochen, überprüft er die Spritpreise und erhebt entsprechend einen Zuschlag. Derzeit sind es 2,50 Euro pro Person und Reisetag, bei Flusskreuzfahrten zehn Euro. „Damit können wir 60 bis 70 Prozent der gestiegenen Kosten decken“, sagt Lang.

Reisegäste zeigen Verständnis

Auch SZ-Reisen hat einen Zuschlag von drei Euro pro Person und Tag bei Busreisen eingeführt. Schiffsreisen könnten ebenfalls geringfügig teurer werden. „Wir arbeiten damit ungefähr kostendeckend“, sagt Geschäftsführer Axel Schmidt. Beim Reisedienst Sachsen-Express aus Freital zahlen Kunden derzeit zwei Prozent des Grundreisepreises mehr. Der überwiegende Teil der Gäste zeige dafür Verständnis. Nur vereinzelt gebe es mal Ärger, sagt Mitarbeiterin Angelika Hammer.

Hinzu kommt: Moderne Reisebusse rollen nicht ohne den Diesel-Zusatz Adblue, der – kurz gesagt – für saubere Abgase sorgen soll. Der Preis dafür ist so stark gestiegen wie nie. Adblue wird auf Basis von Erdgas hergestellt. Durch den Ukraine-Krieg ist gerade das knapp und teuer. Einige Hersteller haben die Produktion schon heruntergefahren. „Wenn es kein Adblue mehr gibt, bleiben die Reisebusse stehen“, sagt Lang.

Preissteigerungen bis 20 Prozent?

Nur, wo wird die Kostenspirale hinführen? So richtig in die Karten schauen lassen möchte sich noch niemand. Aber: „Ich rechne mit einer Preissteigerung von 15 bis 20 Prozent“, sagt Wächtler. Treffen dürfte der Anstieg insbesondere Mehrtagestouren mit Übernachtungen. „Wir haben uns bereits von Hotels getrennt, die einen unsäglichen Aufschlag verlangen“, sagt auch Lang. Ein Hotel in Südtirol beispielsweise habe man vor drei Jahren für knapp 50 Euro pro Nacht mit Halbpension einkaufen können. Heute würden 80 Euro verlangt. René Wächtler berichtet von teilweise 50-prozentigen Aufschlägen.

„Viele Hotels haben die lange Corona-Zeit für Renovierungen genutzt. Nun verlangen sie natürlich höhere Preise“, sagt Angelika Hammer vom Sachsen-Express. Sie hat dieselben Erfahrungen gemacht wie ihre Kollegen. „Außerdem haben sich einige Häuser im Ausland von Reisegruppen verabschiedet und sind nur noch für Individualtouristen buchbar.“

Mehr Buchungen als vor Corona

Wie die Kunden auf die steigenden Preise reagieren, bleibt abzuwarten. „Für uns als Veranstalter ist es eine Gratwanderung. Wie können wir den Preis gestalten, damit unsere Kunden weiterhin buchen?“, bringt René Wächtler die Fragen aller Fragen auf den Punkt. Er fürchtet angesichts der steigenden Kosten, dass viele eben nur noch einmal im Jahr wegfahren und nicht mehrmals. Derzeit sei die Nachfrage noch riesig.

„Nach der Corona-Pause wollen die Menschen wieder reisen und schauen da auch nicht auf jeden Euro“, hat René Lang festgestellt. „Wir spüren bei unseren Kunden eine Mischung aus Neugierde und Nachholbedarf.“ Italien, Kroatien, Paris, Schottland, Irland – die klassischen Ziele seien gefragt wie eh und je. Hier spielt auch die derzeit katastrophale Lage an deutschen Flughäfen mit Tausenden Flugausfällen und stundenlangen Wartezeiten den Busunternehmern in die Hände. „Wir können mehr Stabilität bieten, die gebuchten Busreisen führen wir in jedem Fall durch“, sagt Lang. Macht Corona dem Unternehmer im Herbst und Winter nicht wieder einen Strich durch die Rechnung, rechnet er mit rund 20 Prozent mehr Gästen als 2019.

Aktivurlaub ist gefragt

Viele Reisende haben während der Pandemie zudem die Lust am Wandern und Radfahren neu entdeckt. Diese Interessen möchten sie jetzt mit einer Busreise verbinden. „Aktivurlaub in landschaftlich reizvollen Regionen wie am Balaton, am Gardasee oder im Zillertal wird häufig gebucht“, sagt Axel Schmidt von SZ-Reisen. „Die Gäste haben die Wahl zwischen Busreisen mit E-Bike- oder Wander-Programm.

Von einer „extrem hohen Nachfrage“ spricht auch Angelika Hammer vom Reisedienst Sachsen-Express in Freital. Im Vergleich zum Vor-Corona Jahr habe man derzeit sogar mehr Reisen verkauft. „Touren innerhalb von Deutschland sind beliebt, ebenso nach Skandinavien, Slowenien, Italien oder in die Schweiz“, sagt Hammer. Bei Eberhardt Travel habe man schon im ersten Halbjahr ein Reiseaufkommen von rund 80 Prozent des Jahres 2019 erreicht, sagt Geschäftsführer Uwe Lorenz. Er schickt in einem normalen Jahr rund 40.000 Fahrgäste in seinen Bussen durch ganz Europa.

Branche litt unter Pandemie

Die zwei Jahre Pandemie hatten die Branche arg getroffen – vor allem in Sachsen. Erst seit dem 4. April dieses Jahres dürfen Reisebusse überall im Land wieder ohne Einschränkungen rollen. Von November 2020 bis Mitte April 2021 standen die Busse im ganzen Land still. Langsam rollten sie im vergangenen Sommer wieder an.

Dann die Vollbremsung, erneuter Lockdown im Freistaat – ab Mitte November waren touristische Busreisen untersagt. „Wir mussten unseren Kunden wenige Tage vor dem geplanten Start sagen, dass ihre Weihnachts- oder Silvesterfahrt nicht stattfinden kann“, sagt René Wächtler von Eberhardt Travel. Das habe nicht nur die Urlauber hart getroffen. Der Dezember sei bekanntermaßen ein umsatzstarker Monat.

„Das Ganze nahm bizarre Ausmaße an“, erinnert sich auch René Lang. Da zur selben Zeit in Brandenburg und Thüringen Busreisen erlaubt blieben, hätten viele Urlauber kurzerhand bei dortigen Veranstaltern gebucht. „Sie ließen sich also mit dem Taxi an die Landesgrenze bringen und stiegen dann dort in den Bus“, sagt Wächtler. Verübeln konnte man es ihnen nicht.

Veranstaltern fehlt Personal

Neben den gestiegenen Preisen für Diesel, Hotels und Verpflegung plagen die Veranstalter derzeit auch Personalsorgen. Bei Eberhardt Travel zum Beispiel hätten sich während der reisefreien Corona-Zeit ein Drittel der Mitarbeiter anderweitig orientiert. Auch beim Sachsen-Express in Freital seien Busfahrer abgesprungen.

Ganz ähnlich erging es René Lang. „Derzeit haben wir neun Busse im Einsatz, wir könnten für einige Ziele 14 füllen bei der großen Nachfrage“, sagt der Unternehmer. Seit März seien seine Mitarbeiter aus der Kurzarbeit raus. Zum Team gehören nun fünf Azubis und Studenten der Berufsakademie. Und im Juli konnte er nach langer Suche endlich zwei neue Fahrer einstellen.

Keine Maskenpflicht mehr im Reisebus

  • Eine allgemeine Maskenpflicht besteht in Reisebussen zurzeit nicht. Wer mag, kann freiwillig den Mund-Nasen-Schutz tragen.
  • Mit Hygienekonzepten beugt man bestmöglich Infektionen vor. Laut Internationalem Bustouristik Verband RDA ist es zu keinem erhöhten Infektionsgeschehen gekommen. Neben der Reinigung und Desinfektion der Busse gehören Regeln für Ein- und Ausstieg der Gäste dazu.
  • Moderne Belüftungsanlagen gewährleisten einen permanenten Austausch der Innenluft gegen Frischluft. Viele Veranstalter haben zudem Hochleistungspartikelfilter nachgerüstet.
  • Ob 2G oder 3G im Bus gilt, entscheiden die Veranstalter. Es hängt aber auch von den Regeln des Ziellandes ab. „Wir nehmen grundsätzlich jeden mit, verweisen aber auf 2G+“, sagt Veranstalter René Lang aus Schwarzenberg. Wer in diesem Jahr mit SZ-Reisen unterwegs ist, braucht einen 2G-Nachweis. Ab 2023 soll die 3G-Regel gelten.

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