SZ + Sport
Merken

Budissa Bautzens Trainer: Erst beleidigt, dann gefeiert

In der Fußball-Oberliga hat Budissa Bautzen eine beeindruckende Rückrunde hingelegt. Trainer Stefan Richter kennt allerdings auch die Schattenseiten des Geschäfts, wie er im Interview erzählt.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Weckrufe des Bautzener Trainers Stefan Richter kamen bei seinem Team an.
Die Weckrufe des Bautzener Trainers Stefan Richter kamen bei seinem Team an. © Florian Richter

Bautzen. Die Saison der Oberliga-Fußballer der FSV Budissa Bautzen war einzigartig und dürfte im Amateurbereich Deutschlands eine absolute Rarität darstellen. Als Schlusslicht und potenzieller Abstiegskandidat in die Winterpause gegangen, folgte in der Rückrunde eine „Auferstehung“ und eine Bilanz, die einem Aufsteiger in die Regionalliga Nordost würdig war. Cheftrainer Stefan Richter hat alles tagtäglich miterlebt, wurde angefeindet, beleidigt und am Ende wie ein Messias gefeiert.

Herr Richter, Tabellenletzter nach der Hinrunde. Sieben Gegentore im Winterpausen-Testspiel bei Landesligist Großenhain. Was haben Sie vor dem Rückrundenstart gedacht?

So eine Niederlage kurz vor Rückrundenstart tut schon weh, aber auch davon haben wir uns nicht verrückt machen lassen. Testspiele sollte man losgelöst vom Ergebnis betrachten, das haben wir getan und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Wir im Trainerteam waren absolut überzeugt von unserer Mannschaft und der Kaderplanung, die wir vorgenommen hatten. Das galt auch für die gesamte Hinrunde. Wir hatten auch die Rückendeckung vom Präsidium, alle blieben ruhig. Wir waren uns bewusst, dass die schwierige Situation auch mit den vielen verletzten Spielern zusammenhing. Wir waren fest davon überzeugt, dass die Rückkehr einiger Spieler eine ganz andere Qualität mit sich bringen würde, und waren absolut zuversichtlich für den Rückrundenauftakt. Und am Ende haben wir damit recht gehabt.

Die Beleidigungen, Kommentare, auch Diffamierungen während der Hinrunde gingen zeitweise unter die Gürtellinie. Was hat das mit Ihnen und Ihrer Familie gemacht?

Beleidigungen und Kommentare gehören leider ein Stück weit zum Geschäft dazu. Ich hin schon lange dabei und habe gelernt, damit umzugehen. Natürlich ist es nie schön und es gibt definitiv angenehmere Zeiten. Fußball ist und bleibt ein Tagesgeschäft. Wenn es gut läuft, klopfen Dir die Leute auf die Schulter, wenn nicht, wirst Du durchs Dorf getrieben. Oftmals sind es die gleichen Personen. Das muss man für sich einzuordnen wissen und damit umgehen. Letztendlich können nur diejenigen, die ganz eng am Team dran sind, beurteilen, ob wir gut arbeiten oder nicht. Alle anderen beurteilen oft nur das Ergebnis. Fußball ist eben ein Ergebnissport. Leider bleiben der Anstand und die Erziehung oftmals außen vor. Meine Familie hilft mir in solchen Situationen sehr und stärkt mir noch mehr den Rücken.

Die Verletztenliste in der ersten Halbserie war zeitweise unfassbar lang. Derart viele Ausfälle kann kein Verein verkraften, oder sehen Sie das anders?

Ich glaube, da gibt es keine zwei Meinungen. Jedes Team kann sicher vier, fünf Verletzte verkraften. Aber zehn bis zwölf Spieler zu kompensieren, das schafft nicht mal ein Bundesligist.

Die Moral Ihrer Spieler imponierte. War die ausschlaggebend, um die schwierige Phase zu überwinden?

Der Teamgeist war sehr entscheidend. Es gibt viele Mannschaften, die in solchen Situationen auseinanderbrechen, da jeder versucht, seine eigene Haut zu retten. Bei uns war das nicht der Fall. Wir hatten in der Winterpause auch Testspieler in Bautzen, um auszuloten, ob wir den Kader aufgrund der vielen Verletzten kurzfristig verstärken können. Die Probespieler waren überrascht, dass es bei uns nicht zuging wie bei einem Tabellenletzten. Alle waren begeistert von der guten Stimmung innerhalb des Teams und der Trainingsqualität - das ist in so einer Situation sicher nicht selbstverständlich. Der Zusammenhalt war herausragend!

Was haben Sie und Ihr Funktionsteam getan, um die Truppe wieder auf Kurs zu bringen?

Wir haben immer einen engen Austausch mit der Mannschaft gepflegt. Bei uns herrscht eine flache Hierarchie, das heißt, das Trainerteam steht nicht kilometerweit über der Mannschaft. Stattdessen begegnen wir uns auf Augenhöhe, um besser zu verstehen und Anpassungen vornehmen zu können. Zudem haben wir viel Zeit mit Videoanalysen verbracht und an einigen Stellschrauben gedreht, sind auch in schwierigen Situationen positiv geblieben.

Gab es Spiele, die für den Saisonverlauf besonders wichtig waren?

Ein Schlüsselmoment war das von Ihnen bereits erwähnte letzte Vorbereitungsspiel in Großenhain, das katastrophal verlief. Spätestens da wussten alle, dass wir nur mit absoluter Konzentration und voller Leidenschaft erfolgreich sein können. Danach folgte das erste Rückrundenspiel gegen Ludwigsfelde, das wir zu Hause mit 1:0 gewannen.

Mit Alexander Schidun kam in der Winterpause ein sehr erfahrener Spieler aus Kamenz. Hat er gehalten, was Sie sich von ihm versprochen hatten?

Absolut. Alexander gab uns in den ersten vier Spielen der Rückrunde eine enorme Stabilität auf der Sechserposition. Hinzu kam der 3:1-Heimsieg gegen Titelanwärter VFC Plauen. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, war sehr gut und zeigte allen, dass es möglich ist, gegen Top-Mannschaften der Liga zu gewinnen, wenn wir unsere Leistung auf den Platz bringen und uns auf uns selbst konzentrieren.

Worin unterschieden sich Hin- und Rückrunde?

Abgesehen von der Punktausbeute (15 und 39 Zähler/d. A.), hatten wir in der zweiten Halbserie einen ganz anderen Kader zur Verfügung. In der Hinrunde haben insbesondere die jungen Spieler sehr viel Lehrgeld bezahlt, konnten aber auch viele wertvolle Erfahrungen sammeln. In der Rückrunde haben wir uns dann aber doch noch für die harte Arbeit belohnt. Der Teamspirit, den wir hatten, war entscheidend dafür, dass wir aus der unteren Tabellenregion herausgekommen sind. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Mannschaft in dieser Situation zusammengehalten hat und trotz vieler Rückschläge immer wieder positiv geblieben ist. In den Trainingseinheiten haben sie sich nicht hängen lassen. Es ist eine richtig geile Mannschaft!

Wie ist der aktuelle Stand bei der Kaderplanung?

Wir sind mit der aktuellen Kaderplanung sehr zufrieden, konnten bislang alle Spieler halten, die wir mit in die nächste Saison nehmen wollen. Zwei, drei Spieler, die noch nicht ganz den Durchbruch geschafft haben, werden versuchen, in einer tieferen Liga Spielpraxis zu sammeln, und bleiben dennoch in unserem Fokus. Wir werden zwei, drei Spieler hinzuholen, um so neue Reizpunkte zu setzen. Wir machen aber nichts Verrücktes, wollen unseren eingeschlagenen Weg mit jungen Spielern aus der Region und aus dem eigenen Nachwuchs weiter forcieren.

Wann beginnt die Saisonvorbereitung und stehen schon Testspiele fest?

Es geht schon am 29. Juni wieder los. Leider haben wir aufgrund der Planung des Verbandes nur sieben Wochen zwischen dem letzten Spieltag der vergangenen Saison und dem ersten Spieltag 2023/24. Das ist eigentlich viel zu wenig Zeit, aber damit müssen ja alle Mannschaften klarkommen. Ein Highlight wird selbstverständlich das Gastspiel von Dynamo Dresden am 1. Juli. Zudem haben wir Testspiele gegen Königswartha und Eintracht Niesky terminiert. Zwei weitere Vorbereitungspartien sind noch geplant, auch ein Kurztrainingslager.

Bleibt da noch Zeit für einen Familienurlaub im Sommer?

Ja, mit Sicherheit. Jeder braucht auch mal eine Auszeit und die werden wir uns auch nehmen. Wir werden sicher ein paar Tage wegfahren, abschalten, einfach die Zeit genießen und mal alles andere Ausblenden.

Das Gespräch führten Jürgen Schwarz und Robert Steinbach.