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Janßen: "Ich brauchte in Dresden keinen Polizeischutz"

Am Samstag trifft Olaf Janßen mit Viktoria Köln auf seinen Ex-Verein. Der Trainer verrät, wie er den Abstieg 2014 erlebt hat und warum Dynamos Weg schwierig ist.

Von Daniel Klein
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Olaf Janßen stieg mit Dynamo 2014 ab, Viktoria Köln führte er vom Tabellenkeller ins Mittelfeld.
Olaf Janßen stieg mit Dynamo 2014 ab, Viktoria Köln führte er vom Tabellenkeller ins Mittelfeld. © Foto: Fotostand

Herr Janßen, Sie haben Viktoria Köln Anfang Februar auf Platz 15 übernommen, jetzt steht die Mannschaft auf Platz acht, von den vergangenen zehn Spielen hat sie keins verloren. Wie haben Sie das geschafft?

Da steckt ganz, ganz viel Fleiß und Gier dahinter, war in dieser Form aber auch nicht zu erwarten. Ich habe von Beginn an gesagt, dass wir es nur gemeinsam schaffen können. Das war der Schlüssel. Und so war es möglich, extreme Entwicklungssprünge zu machen.

Bei Dynamo liegt der Trainerwechsel noch nicht so lange zurück. Unter Markus Kauczinski gab es zuletzt in vier Spielen keinen Sieg, unter seinem Nachfolger Alexander Schmidt läuft es deutlich besser. Warum gibt es oft bei einem neuen Trainer – zumindest anfangs – diesen Effekt?

Ich weiß nicht, ob sich das statistisch wirklich so belegen lässt. Aber Fakt ist, dass mit einem Trainerwechsel immer eine neue Zeitrechnung beginnt, das Vergangene spielt keine Rolle mehr – vor allem bei den Profis, für die es wieder bei Null beginnt. Dadurch kommen sie aus einer gewissen Lethargie heraus.

Viktoria spielt die zweite Saison in der 3. Liga, in der nächsten kommt mit Andreas Rettig ein im Profifußball sehr erfahrener Geschäftsführer. Wie will sich der Verein in den nächsten Jahren entwickeln?

Ich finde es total klasse, dass der Verein es geschafft hat, Andreas zu holen. Ich kenne ihn über viele Jahre, wir haben schon in verschiedenen Konstellationen zusammengearbeitet. Mit ihm haben wir bald einen Mann an Bord, der das Geschäft kennt, neue Strukturen aufbauen und unseren Ansatz der Nachhaltigkeit, also Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, umsetzen kann. Ich bin mir sicher, dass er ein Glücksgriff ist.

Bei aktuell 700 Mitgliedern und angesichts der Dominanz des 1. FC in der Region könnte man schlussfolgern: Das Entwicklungspotenzial ist begrenzt.

Das sehe ich total anders, weil es gar nicht unser Ansatz ist, den 1. FC zu überholen. Der erste Fußballklub wird auch immer die Nummer eins bleiben, wir wollen denen die Fans gar nicht wegnehmen. Die Beispiele Hamburg mit dem HSV und St. Pauli oder Berlin mit Hertha und Union zeigen, dass große Städte das Potenzial für zwei Profivereine haben, die gut harmonieren können, weil sie total verschieden sind.

Lässt es sich bei der Viktoria ruhiger arbeiten als anderswo?

Wenn man das von Außen betrachtet, wirkt das sicher so. Aber für mich als Trainer ist es genauso wie bei jedem anderen Verein: Ich will mit der Mannschaft und dem Funktionsteam den maximal möglichen Erfolg haben und Spaß an der Arbeit vermitteln. Den Druck, gewinnen zu wollen, mache ich mir in erster Linie selbst. Der einzige Unterschied ist, wie das dann medial begleitet wird. Viktoria bekommt natürlich nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie zum Beispiel der FC Bayern. Das macht es sicher ein bisschen entspannter.

Sie sind zum zweiten Mal als Cheftrainer bei Viktoria. Was macht den Klub für Sie besonders?

Wenn man einen Klub in seiner Stadt, in seinem Zuhause betreuen kann, ist das schon etwas sehr Besonderes. Meine fünf Kinder sind hier geboren. Hinzu kommt, dass im Verein und in der Führung Menschen sind, die meine Freunde sind, denen ich vertraue. Wir haben ein riesiges Potenzial hier und können Spuren hinterlassen.

Nach der Niederlage gegen Arminia Bielefeld und dem Abstieg im Mai 2014 tröstete Olaf Janßen den damals noch jungen Tobias Müller. Nach dem Spiel verließ der Trainer Dresden.
Nach der Niederlage gegen Arminia Bielefeld und dem Abstieg im Mai 2014 tröstete Olaf Janßen den damals noch jungen Tobias Müller. Nach dem Spiel verließ der Trainer Dresden. © Foto: Robert Michael

Sie stehen mit der Mannschaft im gesicherten Mittelfeld, Ihr Ex-Verein Dynamo kämpft um den Aufstieg. Inwieweit wird diese Konstellation am Samstag eine Rolle spielen?

Für uns überhaupt keine. Wir gehen alle Spiele so an, als wäre es das letzte. Diese Einstellung ändern wir auch nicht, nur weil der Klassenerhalt sicher ist. Weil es für Dresden um viel geht, erwarte ich ein emotionales Duell, eine Art Endspiel. Ich hoffe, dass sich meine Mannschaft genauso auf diese Partie freut wie ich.

Sie könnten entscheidend dazu beitragen, Dynamo die Rückkehr in die 2. Bundesliga zu vermasseln. Haben Sie das in den 90 Minuten im Hinterkopf?

Nein, gar nicht. Da habe ich nur meine Mannschaft im Kopf und die Frage, wie wir es schaffen, dieses Spiel zu gewinnen.

In den vergangenen zehn Jahren ist Dynamo ständig zwischen zweiter und dritter Liga gependelt. Sie selbst sind mit der Mannschaft 2014 nach acht Monaten im Amt abgestiegen. Warum kann sich Dynamo nicht dauerhaft in den Bundesligen etablieren?

Es wird nicht leichter mit den Jahren und mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten in diesen Ligen. Dieser Spagat wird immer größer. Ein Verein wie Dynamo wird aufgrund seiner Tradition und seiner Erfolge ganz weit oben angesiedelt – und in der Aktualität stets daran gemessen. Aber der Weg in die Bundesliga ist sehr lang und total schwierig. Man muss bei den Transfers fast immer zu 100 Prozent richtig liegen und die Möglichkeiten maximal ausschöpfen. Dynamo ist für mich daran nicht gescheitert, sondern weiter auf dem Weg, die optimale Konstellation zu finden. Dafür drücke ich die Daumen.

Wie haben Sie die Zeit in Dresden rückblickend erlebt?

Ich habe mich super wohlgefühlt in dieser Stadt. Wenn ich heute da bin und die Leute erkennen mich, haben sie ein Lachen im Gesicht. Das ehrt und freut mich. Ich durfte diese Wucht des Vereins erleben, wenn 30.000 im Stadion sind und jeder Sitz brennt. Dass eine ganze Stadt, eine ganze Region diesen Fußball lebt, ist etwas Einzigartiges in Deutschland.

Haben Sie nach der 2:3-Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld am 11. Mai 2014, als die Fans wüteten und Spieler verängstigt in den Kabinen saßen, noch lange gegrübelt, was Sie hätten anders machen können, um den Abstieg zu verhindern?

Es war meine erste Cheftrainer-Station, da sind Abstieg und Entlassung nicht einfach. Im Rückblick kann ich sagen: Das war bisher der größte Schmerz. Wir haben als Mannschaft Fortschritte gemacht, aber letztlich zu wenig Tore geschossen. Die Leute spürten, dass ich mit meinem Möglichkeiten alles versucht habe, diesen Abstieg zu vermeiden. Dafür bin ich sehr dankbar. Und deshalb brauchte ich beim Abschied auch keinen Polizeischutz, wie es mir vor dem ersten Arbeitstag prophezeit worden war.

Sie waren beim VfL Wolfsburg und Hertha BSC Co-Trainer in der Bundesliga, nun sind Sie Cheftrainer in der 3. Liga. Was macht mehr Spaß?

Entscheidend war für mich immer: Kann ich mich hinter eine Sache stellen? Ich habe diese Entscheidungen stets mit voller Überzeugung getroffen – und nun auch die, für die Viktoria zu arbeiten. Jetzt bin ich in Köln und fühle mich hier pudelwohl.

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