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So klein sind jetzt Dynamo Dresdens Aufstiegschancen

Zwei Mathematiker haben berechnet, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Dynamo Dresden nach der 1:4-Pleite von Meppen doch noch in die 2. Bundesliga zurückkehrt: Ein Funken Resthoffnung bleibt.

Von Daniel Klein
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Dynamos Trainer Markus Anfang kann nicht mehr hinsehen. Seine Mannschaft hat die gute Ausgangsposition verspielt.
Dynamos Trainer Markus Anfang kann nicht mehr hinsehen. Seine Mannschaft hat die gute Ausgangsposition verspielt. © osnapix

Dresden. Claudio Kammerknecht ist bei Dynamo fürs schnörkellose Verteidigen zuständig. Am Montagabend fasste er die 1:4-Pleite in Meppen ebenso schnörkellos zusammen. "Einen schlimmeren Tag kann es nicht geben", erklärte der Abwehrspieler, meinte das natürlich ausschließlich bezogen auf das Sportliche. Die deftige Niederlage bei den bereits vorher als Absteiger feststehenden Emsländern war schlimm, die Auswirkungen auf die Tabelle und die Ausgangssituation vor dem Saisonfinale am Samstag sind weitaus schlimmer.

Dynamo rutschte vom dritten auf den sechsten Platz ab – oder vom zweiten auf den fünften, wenn man die zweite Mannschaft des SC Freiburg, die nicht in die 2. Bundesliga darf, herausrechnet. Anders formuliert: Die Dresdner standen vor dem vorletzten Spieltag auf einem direkten Aufstiegsplatz. Bliebe es nun am Samstag so, hätten sie sich nicht einmal für den DFB-Pokal qualifiziert. "Wir haben es nicht mehr in der eigenen Hand", erklärte Trainer Markus Anfang. "Wir waren vor dem Spieltag in einer richtig guten Situation, jetzt sind wir in keiner so guten."

Wie klein oder groß Dynamos verbliebene Aufstiegschancen sind, können zwei Wissenschaftler exakt ausrechnen. René Schilling ist Professor für Wahrscheinlichkeitstheorie am Institut für Mathematische Stochastik der TU Dresden, sein ehemaliger Mitarbeiter Georg Berschneider arbeitet als Doktor für Mathematik an der Uni Magdeburg. Beide haben für die SZ ein Programm entwickelt, mit dem der Ausgang von Meisterschaften und Turnieren simuliert werden kann.

Zweimal bereits wurde das im Zusammenhang mit Dynamo erfolgreich eingesetzt. In der Saison 2017/18 kämpfte die Mannschaft bis zum Schluss gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga. Vor dem letzten Spieltag lag sie auf Platz 13 und hätte am Ende auf jedem der Ränge zwischen zehn und 17 einkommen können. Das Mathematiker-Duo errechnete, dass sich Dynamo um einen Platz verschlechtern wird, aber die Klasse hält. Genauso kam es auch.

Georg Berschneider (l.) von der Uni Magdeburg und René Schilling von der TU Dresden haben Dynamos Aufstiegschancen mathematisch exakt berechnet. Groß sind sie nicht mehr.
Georg Berschneider (l.) von der Uni Magdeburg und René Schilling von der TU Dresden haben Dynamos Aufstiegschancen mathematisch exakt berechnet. Groß sind sie nicht mehr. © kairospress/Thomas Kretschel

Drei Jahre später gab es in der 3. Liga ein spannendes Aufstiegsrennen – und die Schwarz-Gelben mittendrin. Vier Spieltage vor dem Ende simulierten Schilling und Berschneider die restlichen Partien und erklärten, dass Dynamo mit der größten Wahrscheinlichkeit Zweiter wird. Die Dresdner wurden sogar Meister – dieses Ergebnis hatte die zweithöchste Quote.

Und wie sieht es diesmal aus? "Der Spieltag hätte für Dynamo fast nicht schlechter laufen können", fasst Berschneider die Resultate vom vergangenen Wochenende und Montagabend zusammen. "Ich hatte davor schon mal einen Probedurchlauf gemacht: Da lag die Quote, dass die Dresdner direkt aufsteigen, bei 50 Prozent", erklärt er. Die ist nun dramatisch geschrumpft – auf 7,8 Prozent. Von einem Wunder zu sprechen, ist nicht übertrieben.

Schon weitaus freundlicher sind die Aussichten für den Relegationsplatz. Da liegt die Quote bei 24,4 Prozent. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass Dynamo auch in der kommenden Saison in der 3. Liga antreten muss: 67,8 Prozent. Diese konkrete Zahl hatte Top-Torschütze Ahmet Arslan ganz sicher nicht im Kopf, als ihm nach dem Schlusspfiff Tränen in den Augen standen. Doch das Wunder keine Wunder wären, wenn sie in schöner Regelmäßigkeit passieren würden, ist auch ihm bewusst gewesen.

Für die Berechnung haben die beiden Mathematiker die Ergebnisse der bisherigen 37 Spieltage eingegeben. Um den einzelnen Mannschaften eine Spielstärke zuzuordnen, wurde die Anzahl der erzielten Tore herangezogen. "Das Programm hat dann den finalen Spieltag simuliert – immer und immer wieder, insgesamt 100.000 Mal", erklärt Berschneider. Der Computer benötigte dafür zehn Minuten. Durch die unterschiedlichen Ergebnisse ergeben sich auch unterschiedliche Abschlusstabellen. Am Ende addiert das Programm dann, wie häufig Dynamo auf Platz zwei, drei, vier oder fünf landet – wenn man Freiburg II herausnimmt – und rechnet es in Prozente um. Mit 38,5 Prozent am wahrscheinlichsten ist demnach, dass sich die Dresdner nicht mehr verbessern können und damit auch den finanziell so lukrativen Einzug in die erste Hauptrunde des DFB-Pokals verpassen würden.

Aber all diese Zahlen sind mathematische Wahrscheinlichkeiten, die dann am präzisesten wären, wenn alle Mannschaften konstant spielen würden. Dass sie das jedoch nicht tun, macht die Faszination des Fußballs aus. "Man weiß nicht, was passiert. Du musst in dieser Liga erst mal die Spiele für dich entscheiden", erklärte Anfang in Meppen. "Alles ist möglich."