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Dynamo-Fans boykottieren Geistertickets

Nach dem Protest der aktiven Fanszene zieht Türkgücü München das Angebot für die Dresdner Anhänger zurück. Das sind die Hintergründe der Aktion.

Von Sven Geisler
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Ein Foto von einer Choreografie im K-Block, als dort noch gut 9.000 Fans stehen konnten. Jetzt geht es um Geistertickets - und diesmal ist die aktive Szene dagegen.
Ein Foto von einer Choreografie im K-Block, als dort noch gut 9.000 Fans stehen konnten. Jetzt geht es um Geistertickets - und diesmal ist die aktive Szene dagegen. © Robert Michael

Dresden. Es wird eine Premiere: Auf Türkgücü München trifft Dynamo am kommenden Montag, 19 Uhr, zum ersten Mal. Der Verein entstand im Jahr 2001 als Nachfolger eines insolventen Klubs mit ähnlichem Namen, der so viel bedeutet wie "türkische Kraft". 2016 stieg der Hasan Kivran, der eine Vermögensverwaltung betreibt, als Präsident ein und investierte seitdem nach eigenen Angaben mehrere Millionen Euro für den sportlichen Aufstieg - mit dem Geld marschierte der Klub von der sechsten bis in die 3. Liga durch.

Jetzt allerdings hat der Investor seinen Rückzug angekündigt, ein Grund dürften die Verluste durch die Corona-Pandemie sein. Laut Informationen des Kicker bilanzieren die Münchner nach einem Minus von 1,9 Millionen Euro für die Saison 2019/20 für die erste Hälfte der laufenden Spielzeit Einbußen von rund zwei Millionen Euro und planen aktuell mit weiteren 2,1 Millionen Euro Verlust für die zweite Saisonhälfte.

Als eine Reaktion auf die Krise hat der Klub nun einen Verkauf von Geistertickets für die Partie gegen Dynamo gestartet und mehr als 7.000 dieser Karten bereits abgesetzt und zwischenzeitlich auch Dresdner Anhängern ein Angebot gemacht: Zum Preis von fünf Euro könnten sich die Dynamo-Fans ein virtuelles Ticket sichern, für jede 20. Karte dürfte ein Fanbanner der Schwarz-Gelben am Montagabend im Stadion an der Grünwalder Straße in München aufgehangen werden.

Die aktive Fanszene hat sich jedoch eindeutig dagegen positioniert und zum Boykott aufgerufen. "Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand aller Dynamofans diese Kartenaktion nicht zu unterstützen und sich weiterhin eindeutige von dieser Art des ,modernen Fußballs` zu distanzieren", heißt es in einer bei Instagram veröffentlichten Stellungnahme der Gruppe "kblockdynamo". Man distanziere sich seit vielen Jahren von vermeintlichen Investoren, "die Fußballvereine nur noch als Spielzeug und finanzielle Spekulationsobjekte betrachten".

Entsprechende Versuche, so etwas in Dresden umzusetzen, seien stets im Keime erstickt worden. Das gilt in dieser Konsequenz allerdings erst nach der Erfahrung mit einem Vermarkter. Von 1999 bis 2001 war der Medienunternehmer Michael Kölmel mit seiner Kinowelt bei Dynamo maßgeblich an finanziellen wie personellen Entscheidungen auf allen Ebenen beteiligt. Das in dieser Zeit gezahlte Darlehen summierte sich auf 5,845 Millionen Euro, die letzte Rate konnte am 21. März 2016 zurückgezahlt werden, zudem mussten die Fernsehrechte für weitere gut 1,8 Millionen Euro von dem Unternehmer zurückgekauft werden.

Die Zeche zahlten auch die Mitglieder durch zwei Sonderumlagen, die mehr mehr als 2,1 Millionen Euro brachten. Darüber hinaus hatte eine Faninitiative rund 130.000 Euro gesammelt. Es war eine der größten Hilfsaktionen der Dynamo-Fans für den Verein seit der Wende.

Dynamo stellt Rekord mit Geistertickets auf

Nun schreibt die aktive Fangruppe in dem Statement: "Für welches Chaos diese ,Investoren` sorgen können, sieht man gerade bei unserem nächsten Punktspielgegner in München." Dort wird nun versucht, die Anteile von Kivran an der Türkgücü Fußball GmbH zu verkaufen. Darüber werden laut Geschäftsführer Max Kothny bereits Gespräche geführt. Es sei auch egal, ob sie eine einzelne Person oder ein Konsortium kauft, es gehe darum "jemanden zu finden, der bereit ist, den Weg Türkgücü München weiterzugehen und dieses Projekt aufrecht zu erhalten".

Die Einnahmen aus den Geistertickets dürften bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sein, zumal die Gästeticket-Aktion inzwischen gestoppt wurde. "Nach den zahlreichen Nachrichten, die uns im Zuge der Gästeticket-Aktion von Türkgücü München für das Spiel gegen Dynamo Dresden erreicht haben, hat sich der Verein entschlossen, die Kampagne abzubrechen", teilte der Klub auf seiner Internetseite mit. Wie Kothny sagte, wurde dieses Angebot auch von eigenen Fans nicht akzeptiert. "Wir wollten mit dieser Aktion natürlich niemanden verärgern", meinte der Türkgücü-Geschäftsführer.

Die Geisterticket-Idee ist nicht neu. Bei Dynamo wurde der Verkauf von Geistertickets vor dem Jahreswechsel zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte erfolgreich praktiziert. Nachdem im März 2012 bereits 41.738 virtuelle Karten für das Heimspiel gegen den FC Ingolstadt abgesetzt wurden, waren die 72.122 zum DFB-Pokalspiel gegen Darmstadt kurz vor Weihnachten ein neuer Rekord.

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