SZ + Dynamo
Merken

Energiekrise: Geht im Dynamo-Stadion bald das Licht aus?

Die steigenden Strompreise stellen die Betreiber des Dresdner Stadions und Dynamo vor Probleme. Aber nicht nur finanzielle. Einfach alles abschalten – so einfach geht das nicht.

Von Daniel Klein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Damit der Rasen punktuell besser wächst, leuchten im Harbig-Stadion acht 1.000-Watt-Natriumhochdrucklampen. Mancher Bundesligist bestrahlt die gesamte Fläche.
Damit der Rasen punktuell besser wächst, leuchten im Harbig-Stadion acht 1.000-Watt-Natriumhochdrucklampen. Mancher Bundesligist bestrahlt die gesamte Fläche. © Robert Michael

Dresden. Den grauen Flachbau in Containergröße kann man leicht übersehen. Überhören lassen sich die Geräusche, die dort nach Außen dringen, jedoch kaum. Zwischen Parkplatz und Rudolf-Harbig-Stadion läuft bei den Heimspielen von Dynamo ein 16-Zylinder-Schiffsmotor. Der springt als Notstromaggregat ein, wenn es mal zu einer Störung kommen sollte.

In den beiden Bundesligen schreibt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) vor, dass solch ein Aggregat immer laufen muss, damit das TV-Signal im Fall der Fälle keine Sekunde unterbrochen wird. In der 3. Liga, in der Dynamo spielt und am Samstag die letzte Heimpartie vor der WM-Pause gegen den FSV Zwickau bestreitet, fahren die Stadionbetreiber den Motor freiwillig hoch, um Kosten zu sparen. Bei einem Spiel ist der Strombedarf derart hoch, dass die Energieversorger für diese Spitzenlast höhere Preise verlangen. Mit dem Schiffsmotor lässt sich das abfedern, obwohl der Verbrauch mit 120 Litern Diesel pro Stunde nicht gerade niedrig ist.

In Zeiten der Energiekrise bekommt der unscheinbare Bau, der seit der Eröffnung des Stadions 2009 dort steht, eine viel größere Bedeutung. Er ist ein Puzzleteil, mit dem die Betreiber die Kosten in den Griff bekommen wollen. „Wir rechnen damit, dass die Ausgaben für Fernwärme und Strom in der laufenden Saison im Vergleich zu den Vorjahren etwa dreimal so hoch ausfallen werden“, erklärt Stadionmanager Ronald Tscherning. Genauer kann das der 43-Jährige nicht beziffern, weil die Entwicklung der Preise in den kommenden Monaten niemand seriös prognostizieren kann und Tscherning auch nicht weiß, ob oder in welchem Umfang die Preisbremsen der Politik greifen werden.

Fest steht auf jeden Fall: Er und seine Mitarbeiter müssen Energie sparen. Fußballstadien stehen da, so scheint es, unter besonderer Beobachtung und vor allem unter dem Verdacht, mit Rasenheizung und Flutlicht unnötig Energie zu verschleudern. Längst gibt es Stimmen, die Spiele nach Sonnenuntergang ebenso infrage stellen wie solche nach Schneefällen.

Rasenheizungen laufen fünf Monate ununterbrochen

Die DFL und der Deutsche Fußballbund (DFB), der für die 3. Liga zuständig ist, haben ihren Vereinen bisher lediglich Empfehlungen gegeben, wie sie Energie einsparen können. Verbote gibt es nicht. Bisher. Die Rasenheizungen laufen im Schnitt fünf Monate ununterbrochen, meist zwischen Oktober und März. Das ergab eine Umfrage der DFL, an der sich 30 Erst- und Zweitligisten beteiligten. Die Rasenerwärmer, die ähnlich funktionieren wie eine Fußbodenheizung, verschlingen rund 40 Prozent der Wärmeausgaben in den Stadien. Oder so viel wie 125 Einfamilienhäuser im Jahr.

Das ist auch in Dresden ähnlich. Bisher aber blieben die Schläuche kalt. Das liegt nicht nur an der warmen Witterung und der durch die Katar-WM ungewöhnlich frühen und langen Winterpause, sondern auch an den explodierenden Kosten.

Greenkeeper Axel Hocke mit der Beleuchtungseinheit MU 50, die das Wachstums des Rasens anregen kann.
Greenkeeper Axel Hocke mit der Beleuchtungseinheit MU 50, die das Wachstums des Rasens anregen kann. © kairospress/Thomas Kretschel

Folgenlos bleibt das jedoch nicht. „Damit der Rasen in der kalten Jahreszeit wachsen und sich vor allem regenerieren kann, braucht er mindestens sieben Grad Celsius an der Wurzel“, erklärt Tscherning. Wird es kälter, leiden die Pflanzen.

Im Januar, kurz vorm Start in die zweite Saisonhälfte, wird der Rasen, der erst Anfang Juli verlegt worden war, erneut getauscht. Kosten: 130.000 Euro. Da das Adventskonzert im Stadion ausfällt, wäre das nicht zwingend notwendig. „Aber der Rasen ist schon jetzt in keinem guten Zustand, was auch am regenreichsten September seit vielen Jahren liegt“, so Tscherning. Die Sonne, die niedriger steht als im Sommer, erreicht den Innenraum wegen der steilen Ränge und des Dachs nur noch in einzelnen Ecken. Nach dem Austausch will Tscherning die Heizung anschalten. „Stand heute“, betont er.

Bei knackigen Minustemperaturen muss er das schon eher. Da das Stadion im Trinkwasserschutzgebiet liegt, darf in den Leitungen kein Glykol, ein Frostschutzmittel, verwendet werden. Im Nutzungsvertrag mit dem Hauptmieter Dynamo ist zudem festgeschrieben, dass der Betreiber einen frostfreien Rasen in guter Qualität zur Verfügung stellen muss, der DFB schreibt einen „spielfähigen Rasen“ vor. „Bei einer kurzfristigen Absage wegen der Unbespielbarkeit des Platzes entstehen enorme Kosten. Zum Beispiel bleibt der Caterer auf seinem Essen sitzen“, gibt Tscherning zu bedenken.

Trotz der enorm gestiegenen Energiepreise ist ein rigoroses Abschalten der Stromfresser also nicht immer die beste Lösung. Das gilt auch fürs Warmwasser. „Die Gefahr eines Legionellen-Befalls wäre einfach zu groß“, erklärt Marcus Böhm, Leiter der Abteilung Technik. „Wir haben die Temperatur auf die unterste mögliche Schwelle runtergefahren.“

Die dritte Liga hilft beim Stromsparen

Ähnlich ist es beim Flutlicht. Hätte Dynamo den Abstieg aus der 2. Bundesliga verhindert, müsste es jetzt selbst bei Spielen am frühen Nachmittag komplett eingeschaltet werden. Das ist Vorschrift der DFL. Eine Klasse tiefer liegt die Entscheidung beim TV-Aufnahmeleiter, der die Lichtverhältnisse einschätzt. „Bei den vergangenen Heimspielen haben wir die Hälfte der Lampen angemacht“, sagt Böhm.

Im Einsatz sind im Harbig-Stadion noch immer die 2009 verbauten Gaslampen. Ein Wechsel auf LED wird ständig geprüft. Das wäre eine Investition im hohen sechsstelligen Bereich. Rechnet sich das? „Bei zwei Spielen pro Monat nicht wirklich, zumal unsere Lampen erst die Hälfte ihrer Lebensdauer erreicht haben und man beim Wechsel auf LED mehr Leuchten installieren müsste“, meint Böhm. Womöglich nehmen die Verbände die Entscheidung demnächst ab. Die Nachhaltigkeit wird bei der DFL Teil des Lizenzierungsverfahrens, LED könnte zur Auflage werden.

Warum gibt es keine Solaranlage auf dem Dynamo-Stadion?

Die Hälfte der Bundesligisten haben Photovoltaik-Anlagen auf ihren Stadiondächern verbaut, in Dresden gibt es keine. „Wir haben das vor sieben Jahren schon mal geprüft und damals wegen statischer Probleme verworfen“, erklärt Tscherning. „Doch die Module sind inzwischen leichter geworden. Wir sind in Gesprächen.“

Gespräche führt er auch mit Hauptmieter Dynamo. Die Verdreifachung der Energiepreise kann er nicht 1:1 an den Drittligisten weitergeben. „Aber klar ist, dass sich der Verein beteiligen muss“, sagt Tscherning.