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Das sagt der Elbflorenz-Kapitän über das Outing seines Freundes

Dresdens Handball-Kapitän Sebastian Greß spricht über das Outing seines Leipziger Kollegen Lucas Krzikalla, eigene private Veränderungen und das Formtief seiner Mannschaft.

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Geboren ist Sebastian Greß in Würzburg, aufgewachsen in Großenhain – und jetzt in Dresden die Identifikationsfigur des Handball-Zweitligisten HC Elbflorenz.
Geboren ist Sebastian Greß in Würzburg, aufgewachsen in Großenhain – und jetzt in Dresden die Identifikationsfigur des Handball-Zweitligisten HC Elbflorenz. © Lutz Hentschel

Sebastian, seit einigen Wochen sind Sie Vater einer Tochter. Wie hat das Ihren Alltag als Handball-Profi verändert?

Man kann jetzt zum Beispiel nicht mehr einfach etwas Essen gehen. Man ist deutlich gebundener, richtig viel geregelter Tagesablauf ist gerade nicht, was auch ein bisschen daran liegt, dass meine Frau noch ein paar gesundheitliche Probleme hat. Diese zusätzlichen Turbulenzen müssten nicht unbedingt sein. Aber alles, was mit unserer Tochter zu tun hat – darüber können wir uns nicht aufregen.

Haben Sie dadurch im Moment einen Sonderstatus im Team?

Wir schauen schon, dass alles in meinen Handball-Alltag passt. Am Anfang konnte ich mal einen Tag nicht zum Training kommen, weil meine Frau mit Fieber im Bett lag und ich auf das Baby achten musste.

In modernen Familien nehmen auch die Väter Elternzeit, das geht bei Ihnen schlecht– oder?

Das war bei uns nicht unbedingt ein Thema. Jetzt gerade, wo es etwas schwierig ist, ist es schon manchmal ein bisschen blöd, dass ich nicht wie andere Väter mal für ein, zwei Wochen einspringen kann. Andererseits habe ich den Vorteil, dass ich nie den ganzen Tag weg bin, dadurch kann ich eben auch viel helfen.

Der 27-Jährige ist nun häufig mit Kinderwagen unterwegs.
Der 27-Jährige ist nun häufig mit Kinderwagen unterwegs. © privat

Ihr langjähriger Freund und Kollege Lucas Krzikalla, mit dem Sie in Großenhain aufgewachsen sind, hat sich kürzlich als erster aktiver deutscher Handball-Profi als homosexuell geoutet. Wie bewerten Sie den Schritt?

Doll überrascht war ich nicht, dafür kenne ich ihn zu gut. Dafür gab es auch viel zu lange Gerüchte, das war ihm sicher auch bewusst. Er hatte eine Art und Weise, die vielleicht nicht so war wie bei anderen. Luci war für uns immer ein superguter Freund – und ist es immer noch. Und ein toller Handballer.

Die Reaktionen darauf waren überwiegend positiv, der Schritt war für ihn aber offenbar zwingend notwendig.

Wenn es für niemanden sonst wichtig war, dann für ihn auf jeden Fall. Für Lucas macht das bestimmte Sachen leichter. Vielleicht ist es in einem halben Jahr auch alltäglich, banal. Das wäre meiner Meinung nach das Beste. Einerseits muss man sagen, dass es wichtig für Menschen ist, die selbst in so einer Situation stecken und sehen: Okay, da passiert jetzt nichts Schlimmes. Andererseits ist es jetzt so, die Sache ist raus, für ihn wird das Leben ein bisschen einfacher, und für alle anderen sollte sich nichts ändern. Für mich ist es überhaupt nicht relevant, ob jemand mit einer Frau oder einem Mann zusammenlebt, danach beurteile ich einen Menschen nicht. Und das sollte für alle so sein.

Zurück zu Ihrer Mannschaft, der Start ist mit 5:9 Punkten schlecht gelaufen. Ist der nur missglückt oder läuft viel schief, was nicht schieflaufen sollte?

Ein bisschen von beidem. Was das große Problem ist, dass wir uns ein bisschen in ein Tief gespielt haben, was unsere Abwehr angeht. Das beeinflusst dann immer direkt das Selbstvertrauen im Angriff.

Wie spielt man sich denn in ein Tief?

Ich finde, wir haben schon in den ersten Spielen nicht gut verteidigt, da hat Marino (Torhüter Marino Mallwitz/Anm. d. A.) einfach nur super viel gehalten. Wir haben das Problem, dass, wenn etwas im Spiel schiefgeht oder etwas nicht funktioniert, wir häufig aus unserem System ausbrechen. Wir verteidigen nicht gut in dem System, das wir uns vorher erarbeitet haben. Da verlierst du irgendwann das Selbstvertrauen. Das ist nicht so einfach zu erklären, da passiert viel hintereinander, das ist wie ein Strudel. Wir verpassen meistens die richtigen Chancen und müssen dann Möglichkeiten nehmen, die nicht mehr so gut sind.

Aber in Ihrem Team steckt die individuelle Qualität, immer eine gute Abwehr zu stellen – siehe der Zweitrundenpokalsieg gegen Erstligist Minden?

Das ist das Kuriose, dass wir in so einem Spiel, in dem wir nichts groß zu verlieren haben, uns ganz anders bewegt haben.

Vereinschef Uwe Saegeling hat vor der Saison das Ziel formuliert, das Team solle mindestens unter die besten Vier kommen. Ist das zu viel Druck?

Nö, wir sind gut genug, um so etwas zu erreichen. Das darf nicht in den Köpfen sein. Nach sieben Spielen sollte ich nicht über ein Ziel nachdenken, dessen Fälligkeit in acht Monaten ist. Man muss sich Ziele setzen, auch für die Saison. Aber für uns als Mannschaft ist es viel wichtiger, dass wir uns fragen, wie können wir jetzt am Samstag in Coburg das nächste Spiel gewinnen – und dann das nächste. Um große Ziele zu erreichen, muss man die Unterziele packen. Und das Unterziel kann nur sein, das nächste Spiel zu gewinnen.

Sind Sie als Kapitän nun mehr gefragt?

Ich glaube, da sind wir alle gefragt. Sicher sollte ich schon versuchen, das Wort zu ergreifen, wenn etwas nicht passt, die Einstellung nicht stimmt. Aber ich kann nicht sagen, dass bei uns die Einstellung nicht stimmt. Wir haben gegen Potsdam einen Acht-Tore-Rückstand wettgemacht und hatten die Chance zum Ausgleich. Wir haben Mentalität, Kampfgeist. Wir können uns nicht alle gegenseitig an die Hand nehmen, jeder muss für sich gucken, wie er das schafft. Als Gruppe müssen wir die vielen Einzelleistungen zusammenfügen.

Sie haben in Dresden Ende 2021 einen Langzeitvertrag bis 2026 unterzeichnet. Wieso eigentlich für so lange?

Für mich ist es eine tolle Vorstellung, mit dem Verein hier einfach immer weiterzukommen. Ich komme aus Großenhain, spiele seit 2015 hier. Dieser Kontrakt ist für mich und meine Familie eine tolle Sicherheit, aber auch eine Möglichkeit zu sagen: Wir versuchen mit dem Verein immer weiter zu kommen. Den Weg, den wir bisher gegangen sind, ist rückblickend schon unfassbar. Für mich ist das eine große Chance, um zu sehen, wo der Verein noch hingeht – und ein Teil davon zu sein.

Hatten Sie vor der Unterzeichnung Ihres Langzeitvertrages auch Angebote aus der Bundesliga?

Ja, die gab es. Ich habe da auch drüber nachgedacht. Es hätten viele Aspekte dafür gesprochen, in die 1. Liga zu gehen und zu schauen, was dann passiert. Aber es gibt wenig vorstellbare Konstellationen, die für mich besser sind als die hier. Meine Familie wohnt eine halbe Stunde entfernt, die meiner Frau wohnt in Dresden. Das Umfeld ist über Jahre gewachsen. Hier gibt es einen Traum, man will hier weiterkommen. Es gibt aber auch genug Sachen, die im Team und drumherum noch besser gemacht werden können. Wir wollen vorankommen, nicht stagnieren – das ist mir unfassbar wichtig. Ich will ein Teil davon sein.

Der Traum heißt 1. Bundesliga?

Das ist auf jeden Fall so. Wann das eintritt, kann niemand planen. Aber man kann versuchen, sich darauf vorzubereiten und alles Mögliche zu tun, das Ziel zu erreichen.

Das Gespräch führte Alexander Hiller.