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Kreis Görlitz richtet Notunterkunft in Görlitzer Turnhalle ein

Görlitz wird zur Pufferzone für ukrainische Flüchtlinge. Fast alle reisen weiter. 700 kamen allein am Montag. Eine Bilanz des Tages.

Von Matthias Klaus & Frank-Uwe Michel
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So sieht es jetzt in der Turnhalle des Görlitzer Berufsschulzentrums aus.
So sieht es jetzt in der Turnhalle des Görlitzer Berufsschulzentrums aus. © Martin Schneider

Es sind Dinge, mit denen der Leiter des Katastrophenschutzamtes des Landkreises Görlitz normalerweise dienstlich eher wenig zu tun hat. Windeln. Babynahrung. Damenhygiene. Am vergangenen Wochenende hatte das Björn Mierisch plötzlich auf dem Schirm. Vor allem Kinder und Frauen, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, so war ihm eine Information zugekommen, werden wohl in den nächsten Stunden im Bahnhof Görlitz ankommen. Björn Mierisch organisierte.

Ein Teil der Sporthalle des Beruflichen Schulzentrums Christoph Lüders in Görlitz wurde mit Betten ausgerüstet, etwa 40 Ehrenamtliche packten an. „Innerhalb von sechs Stunden wurde die Sporthalle zu einer Notunterkunft“, schildert Björn Mierisch. Gegen 17 Uhr am Sonnabend war alles vorbereitet. 250 Menschen finden hier nun eine vorübergehende Unterkunft.

Vorübergehend – dieses Wort benutzt auch Landrat Bernd Lange. Denn er sieht Görlitz, den Landkreis in der aktuellen Flüchtlingskrise als Durchgangsstation für Flüchtlinge. „Görlitz bildet einen Puffer für Zgorzelec“, sagt er.

Ein Blick in die Turnhalle in Zgorzelec, die nun als Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge dient.
Ein Blick in die Turnhalle in Zgorzelec, die nun als Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge dient. © Foto: Matthias Wehnert

In der Nachbarstadt kommen Sonderzüge mit Flüchtlingen an. Sie werden mit Bussen nach Görlitz gebracht und von hier zumeist weitergeschickt. Ein Ziel ist die Erstaufnahme in Leipzig. Dort ist Platz für 2.500 Menschen. Das Problem: Ab 22 Uhr abends gibt es keine durchgehende Zugverbindung ab Görlitz mehr. Deshalb wurde die Sporthalle des Berufsschulzentrums in der Nähe des Bahnhofes als nächtliches Quartier umfunktioniert.

Ukraine-Flüchtlinge strömen am Montagvormittag im Görlitzer Bahnhof in die Regionalzüge Richtung Dresden.
Ukraine-Flüchtlinge strömen am Montagvormittag im Görlitzer Bahnhof in die Regionalzüge Richtung Dresden. © Danilo Dittrich

Nach einem Frühstück werden die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zum Bahnhof gebracht. „Sie können in Görlitz erst einmal runterkommen, schlafen, essen, sich frisch machen“, so Bernd Lange. Der Kreis Görlitz arbeitet eng mit dem Landkreis Zgorzelec zusammen. Insgesamt können beide etwa 650 Menschen versorgen. Die Unterkunft in Görlitz wurde bis zum Montagnachmittag dabei noch nicht benötigt.

Schwierig gestaltet sich offensichtlich die Kommunikation, wann wo und wie viele Flüchtlinge ankommen. Er habe bereits deswegen mit dem zuständigen Woiwoden telefoniert, sagt Rafał Gronicz, Bürgermeister der Stadt Zgorzelec. „Es ist sehr schwierig für uns zu organisieren, wenn wir nicht wissen, wann Sonderzügen ankommen. Mal sind sie zu früh, manchmal zu spät“, sagt Rafał Gronicz.

Am Montagvormittag wurden auf dem Görlitzer Bahnhof Fahrpläne auf Ukrainisch aufgehängt.
Am Montagvormittag wurden auf dem Görlitzer Bahnhof Fahrpläne auf Ukrainisch aufgehängt. © SZ/Matthias Klaus

Auf deutscher Seite bekommt der Landkreis Görlitz seine Informationen von der Landesdirektion Sachsen. „Was sie weiß, bekommen wir sofort auch auf den Tisch“, sagt Bernd Lange. Ukrainische Flüchtlinge haben einen anderen Status, als jene die etwa aus dem Irak über die Belarus-Route kommen. Ukrainer können sich in Europa frei bewegen, sich ihr Ziel aussuchen. Um an Hilfeleistungen zu kommen, müssen sie sich registrieren lassen. Im Landkreis Görlitz haben das bisher 600 getan.

Wie sich andere Gemeinden auf die Flüchtlinge vorbereiten

Derweil ist die Hilfsbereitschaft im Landkreis groß. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite des Kreises haben inzwischen etwa 320 Privatpersonen Unterkünfte angeboten, insgesamt um die 2.000 Betten. Das Landratsamt ist in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bürgermeistern, so Bernd Lange. In Kreba-Neudorf beispielsweise sind die in der Schule vorbereiteten Räume inzwischen belegt. Vier Erwachsene und sieben Kinder sind hier untergekommen. Sie alle stammen aus dem Transport von Teich-Touristik, der am Sonntag vor einer Woche Kriegsflüchtlinge von der polnisch-ukrainischen Grenze in die Oberlausitz gebracht hat.

Auch im Nieskyer Ortsteil See wird derzeit Wohnraum für Ukraine-Flüchtlinge hergerichtet. In der früheren Pfarrwohnung soll Platz für 13 Erwachsene und sieben Kinder entstehen. „Voraussichtlich ab Dienstag werden die Räume bezugsfertig sein“, sagt Simon Bieneck, stellvertretender Vorsitzender der Trinitatisgemeinde.

Das DRK betreut ukrainische Flüchtlinge im Görlitzer Bahnhof am Montagvormittag.
Das DRK betreut ukrainische Flüchtlinge im Görlitzer Bahnhof am Montagvormittag. © Foto: Danilo Dittrich

Landrat Bernd Lange hat derweil einen Vorschlag für den schnelleren Transport der Kriegsflüchtlinge: von Breslau über Horka nach Leipzig auf der Niederschlesischen Magistrale. Die wird derzeit für Güterzüge benutzt. „Was mit Güterzügen möglich ist, muss doch auch mit Personenzügen möglich sein“, so Bernd Lange. Bisher hat die Deutsche Bahn dafür noch kein grünes Licht gegeben. Aber der Görlitzer Landrat ist vorsichtig optimistisch, dass sich das in naher Zukunft ändert.

Die Situation im Görlitzer Bahnhof an diesem Montagvormittag.
Die Situation im Görlitzer Bahnhof an diesem Montagvormittag. © Foto: Danilo Dittrich

Etwa sechs bis zehn Leute sind notwendig, um die Notunterkunft im Berufsschulzentrum zu betreiben. Es wird einen Schichtdienst geben, sagt Björn Mierisch. Er gehe davon aus, dass dies mindestens drei Wochen, wahrscheinlich aber länger so gehen muss.Dass weitere Sporthallen in Görlitz zu Notunterkünften umfunktioniert werden, das sieht der Landrat derzeit nicht. „Natürlich wissen wir nicht, was in den kommenden Tagen passiert“, sagt er. Am Montagmorgen kamen etwa 350 Flüchtlinge aus der Ukraine in Görlitz per Bus aus Zgorzelec an und fuhren gleich weiter per Zug. Am Nachmittag sollten es noch einmal so viele werden. Bis Redaktionsschluss war allerdings noch kein weiterer Bus angekommen. Die Bundespolizei hatte sich schon mit mehreren Streifenwagen am Bahnhof postiert.

„Nach derzeitigem Stand werden wir in den kommenden zwei bis drei Monaten allein im Landkreis Görlitz bis zu 5.000 Geflüchtete aufnehmen“, so Landrat Bernd Lange. Er befürwortet eine dezentrale Unterbringung, sprich in Wohnungen. Ob so viele Kriegsflüchtlinge hier im Kreis bleiben wollen, ist ungewiss. Viele zieht es in Großstädte, zu Bekannten und Verwandten. So oder so: Für das Landratsamt ist die derzeitige Situation eine Ausnahmesituation. „Eine Chaosphase“, sagt der Landrat.