Sachsen
Merken

Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Scharfe Kritik an Kretschmer + Der Krisenplan von Sachsens Linke-Chef + Viele Sachsen wollen Neun-Euro-Ticket nutzen + Angriffe auf veganes Lokal

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) für seine ablehnende Haltung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.
Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) für seine ablehnende Haltung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. © www.imago-images.de

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Guten Morgen,

es gibt einen wichtigen Merksatz nach Landtagswahlen: Die Verlierer weisen meist darauf hin, dass die Wahl durch bundespolitische Themen überschattet worden sei. Oder dass es "Sondereffekte" durch einen besonders beliebten Kandidaten der Partei gegeben habe. Die Sieger verweisen natürlich auf ihre hervorragende Sachpolitik. Das war gestern nicht anders.

So gratulierte die sächsische SPD nach der Wahl in Schleswig-Holstein-Wahl recht schnell dem "beliebtesten aller verbliebenen CDU-Ministerpräsidenten". Gegen ihn sei es "sehr schwierig" gewesen, "mit den eigenen Themen durchzudringen". Damit sind schon mal die hohen Verluste der eigenen Partei im hohen Norden erklärt. Wahl verloren, auf zur nächsten Wahl – der verbale "Wahl-Werbe-Spot" der sächsischen SPD für die Landtagswahl am kommenden Sonntag in Nordrhein-Westfalen folgte postwendend.

Ähnlich munter reagierte auch Grünen-Staatssekretär Gerd Lippold, natürlich mit Seitenhieb auf die in Schleswig-Holstein nun weiter regierende CDU, vor allem aber ihre sächsischen Partei-Schwestern und -Brüder. So gewinne man Landtagswahlen, rief Lippold via Twitter der sächsischen CDU zu. "Mit starkem Engagement für Windenergie als bezahlbare Zukunftsenergie und Standortvorteil", erinnert Lippold an die monatelangen regierungsinterne Rangelei um den Ausbau der Windkraft in Sachsen. Angesichts des bisherigen Ausbau-Tempos von einem Windrad pro Jahr, ist dort in der Tat noch Potenzial in Sachsen vorhanden.
Am interessantesten ist an diesem Wahlabend für mich jedoch die Reaktion des weithin in seiner Partei in Ungnade gefallenen CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz. "Heute Abend sehen wir, wo eine moderne Christdemokratie steht, die Liberalität und soziale Themen ebenso glaubwürdig lebt wie die großen Zukunftsthemen", schreibt Wanderwitz via Twitter. "Ein Gegensatz zur Bewahrung von Bewährtem ist das nicht – ohne rückwärts zu denken." Er dürfte dabei auch seine weithin in sich zerrissene sächsische Union gedacht haben. Übrigens, nicht zu vergessen: Das "Jamaika"-Bündnis in Kiel hat die AfD dort Schiffbruch erleiden lassen.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ Waffenlieferungen: Scharfe Kritik an Kretschmer +++

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) für seine ablehnende Haltung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine scharf kritisiert. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe es um eine Neuordnung Europas, sagte der 89-Jährige im Saechsische.de-Podcast. "Und manche unserer Politiker machen sich immer noch etwas vor. Das ist wie eine Krankheit, die ich ansonsten eher bei Teilen der SPD diagnostiziert habe. Die Krankheit nämlich, die wahren Absichten des System Putins zu verharmlosen - nicht zu erkennen, dass Dialoge nur zum Schein geführt werden." Der Expansionsdrang Putins sei real.

Baum kritisiert Kretschmer für dessen Unterstützung eines Offenen Briefes an Kanzler Olaf Scholz (SPD), in dem vor einer globalen Eskalation gewarnt wird, sollte sich auch Deutschland an Rüstungshilfen beteiligen. "Ich erwarte von einem führenden Politiker, dass er Einfluss nimmt auf eine gefährliche öffentliche Meinung und ihr nicht einfach nachgibt." Deutschland dürfe und könne sich nicht heraushalten aus dem Krieg in der Ukraine. "Ich sage es mal ganz provokativ: Die Panzer, die wir jetzt liefern, verteidigen letztendlich auch uns."

Derweil hat sich auch der Linke-Landtagsabgeordnete Mirko Schultze - anders als Parteikollegen - für Waffenlieferungen ausgesprochen. "Deutschland muss immer zu den Ersten gehören, die auf Diplomatie setzen. Aber aktuell steht Putins Armee in der Ukraine. Wollen wir zusehen, wie sie die Städte verwüsten?", sagt er im Interview mit sächsische.de. "In einer solchen Situation muss man die Verteidigung der Ukraine unterstützen, damit sie ihre staatliche Integrität verteidigen und ihre Zivilbevölkerung schützen kann."

+++ Linken-Chef fordert Fokussierung auf Inhalte +++

Nach den parteiinternen Querelen fordert Sachsen Linke-Parteichef Stefan Hartmann eine Besinnung auf inhaltliche Ziele. "Die Aufgabe der Partei ist nicht Selbstbeschäftigung, sondern Interessenvertretung", sagt er im Interview mit sächsische.de. "Wessen Interessen wir vertreten, wer das sein kann, ist klar: die arbeitenden Menschen, die nicht auf dem Geldsack sitzen und mit den Beinen baumeln." Zweitens gehe es um lokale Verantwortung. "Wir in Sachsen haben das ja zum Schwerpunkt gemacht – etwa auch für die Kommunalwahlen 2024, wo wir, wie früher die PDS, mit offenen Listen antreten."

Zudem äußert sich Hartmann zu möglichen sächsischen Vertretern an der neuen Parteispitze, wie die Bundestagabgeordneten Caren Lay oder Sören Pellmann. "Ich bin kein Freund davon, jetzt wild Namen in die Runde zu werfen. Man muss intern reden und schauen, dass das als Team funktioniert."

+++ Viele Sachsen wollen Neun-Euro-Ticket nutzen +++

Mehr als ein Drittel der Menschen in Sachsen plant das von der Bundesregierung beschlossene 9-Euro-Ticket nutzen zu wollen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von saechsische.de mit den Meinungsforschern von Civey hervor. Auf die Frage, ob man das vergünstigte Monatsticket nutzen wolle, ergibt sich demnach exakt dieses Stimmungsbild: 40 Prozent sagen "Ja", 50 geben die Antwort "Nein" und 10 Prozent sind sich noch nicht sicher. Allerdings ist zu bezweifeln, ob mit dem Ticket, wie geplant, mehr Menschen von den Vorteilen des ÖPNV überzeugt werden können. Auf die Frage, ob man auch nach Ende des 9-Euro-Ticket-Zeitraums, also ab September, mehr auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen wolle, sagen zwei Drittel der Sachsen (66 Prozent) "Nein", nur 24 Prozent "Ja".

+++ Warum ein Dresdner Restaurant immer wieder attackiert wird +++

Farbanschläge, Brandstiftung, eingeschlagene Fenster - an dem veganen Restaurant Wurzelküche in Dresden zeigt sich, wie verbittert und brutal politische Debatten derzeit mitunter geführt werden. Der Grund: Die Betreiberin Christine Langhammer startete eine Lesereihe mit Texten des russischen Autors Wladimir Megre über ein vermeintlich besseres Leben außerhalb der Großstadt, die Experten als antisemitisch, frauenfeindlich, homophob einschätzen. Danach ging die Diskussion im Internet los. Die Wurzelküche wurde als "Ort der völkischen Siedlerbewegung" bezeichnet. Langhammer jedoch will von antisemitischen Textstellen beim Lesen nichts bemerkt haben. Ihr gefällt der Gedanke der Selbstversorgung auf dem Land. Und sie distanziert sich von Reichsbürgern und Holocaustleugnern. Die umstrittenen Bücher will Langhammer trotz der Angriffe im Lokal lassen. Sie will darüber diskutieren - in ihrem Laden.


Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<