SZ + Politik
Merken

Ukraine: Mehrheit befürwortet nach wie vor Lieferung schwerer Waffen

Ein offener Brief an Kanzler Scholz prangert die Lieferungen deutscher Waffen an die Ukraine an. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sieht darin die "Mehrheitsmeinung" - ein Irrtum.

Von Fabian Deicke
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sachsen will helfen - aber nicht nicht mit schweren Waffen. Ministerpräsident Kretschmer erneuert seine Position gegen Rüstungshilfen und hält das für die "Mehrheitsmeinung".
Sachsen will helfen - aber nicht nicht mit schweren Waffen. Ministerpräsident Kretschmer erneuert seine Position gegen Rüstungshilfen und hält das für die "Mehrheitsmeinung". ©  Sebastian Kahnert/dpa

Dresden. Nährt Deutschland mit dem Liefern schwerer Waffen an die Ukraine die Gefahr einer territorialen Ausweitung des russischen Krieges - oder gar eines Weltkrieges? Diese Frage schwingt mit, wenn es um die Entscheidung darüber geht, ob und welches Kampfgerät aus deutschen Beständen dem ukrainischen Militär übergeben wird.

Ein offener Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, den etwa 30 Prominente am Freitag erstunterzeichnet hatten, warnt vor genau dieser Gefahr. Schwere Waffen sollten deshalb weder direkt noch indirekt - wie etwa bei einem möglichen Ringtausch von Panzern mit Slowenien schon geplant - geliefert werden.

Zumindest inhaltlich teilt auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das Anliegen des Verfassers und der Unterzeichner des Briefes (Anm. d. Red.: bis Dienstagmittag waren es rund 188.000). Bei einer CDU-Präsidiumssitzung am Montag in Düsseldorf sagte er: "Der offene Brief an den Kanzler bildet nicht die Mehrheit der veröffentlichten Meinung ab, aber durchaus die Mehrheitsmeinung der Gesellschaft – auch meine."

Damit liegt Kretschmer allerdings falsch: Denn die "Mehrheitsmeinung" bei der Frage, ob die Ukraine mit schweren Waffen unterstützt werden sollte, ist eine andere. Das zeigen verschiedene repräsentative Umfragen. Forsa ermittelte Mitte April im Auftrag von n-tv, dass 55 Prozent der Deutschen dafür, 33 dagegen seien. Im ARD-Deutschlandtrend vom 28. April sind die Lager der Befürworter und derer, die Lieferungen ablehnen, gleich groß: beide 45 Prozent.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in einer Umfrage, die der Spiegel vergangene Woche mit den Meinungsforschern von Civey bundesweit durchführt hat, und von der Sächsische.de die Zahlen vorliegen. Demnach sind die Deutschen nicht mehrheitlich gegen das Liefern schwerer Waffen, sondern eher dafür.

Aktuell würden 47 Prozent der Bundesbürger das Senden schwerer Rüstungsgüter unterstützen, 45 Prozent hielten das für falsch, acht Prozent zeigen sich in der Frage "unentschieden".

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Zustimmung für die Lieferung schwerer Waffen sinkt. Noch vor drei Wochen sagten in einer ähnlichen Umfrage noch etwas mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent), für Rüstungshilfen zu sein.

Die andere "Mehrheitsmeinung" der Sachsen

Recht hätte Ministerpräsident Kretschmer aber, wenn für die "Mehrheitsmeinung" in Deutschland lediglich die sächsische stünde. Doch das tut sie nicht. Dennoch ist der Blick auf die Auswertung der Rüstungsfrage isoliert nach Teilnehmern aus Sachsen spannend. Es zeigt sich ein umgekehrtes wie deutliches Meinungsbild.

Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) würden das Liefern schwerer Rüstungsgüter nicht unterstützen, weniger als ein Drittel (28 Prozent) folgt dem bundesweiten Trend und würde solche Lieferungen richtig finden. Vier Prozent der Befragten aus Sachsen zeigen sich "unentschieden".

Dass Kretschmer gegen das Liefern schwerer Waffen ist, hat er bereits mehrfach betont. In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte er vor zwei Wochen, dass Deutschland bereits enorm viel leiste und sich nicht zur Kriegspartei machen dürfe. Zudem war er wegen zurückhaltender Äußerungen gegenüber Russlands Präsident Putin in Kritik geraten und vom ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk heftig attackiert worden.

Auch in der Bundes-CDU könnte Kretschmers Aussage für Diskussionen sorgen. Denn Sachsens Ministerpräsident ist auch einer der fünf Stellvertreter des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Und der Unionschef hat offenbar ganz andere Ansichten als sein Vize aus Sachsen: Merz hatte sich zuletzt deutlich für die Lieferung auch schwerer Rüstungsgüter ausgesprochen und ist zudem am Dienstag zu einem Besuch in Kiew eingetroffen.

Information zur hier ausgewerteten Civey-Umfrage

In diesem Artikel wurde eine Umfragen ausgewertet, die das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsunternehmen Civey durchgeführt hat. Sächsische.de liegen die Zahlen der Umfrage vor. Für die Umfrage besteht die bundesweite Stichprobe aus 5.025 Teilnehmern und die sachsenweite Stichprobe aus 344 Teilnehmern. Stichproben für Sachsen entsprechen jeweils der Grundgesamtheit der Wahlbevölkerung im Land.

Detailangaben zu Befragungszeitraum, Stichprobengröße und statistischem Fehler entnehmen Sie der eingebetteten Grafiken. Wie Umfragen mit Civey funktionieren, wird in diesem FAQ-Artikel erklärt.