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Envia-M sagt Kostenexplosion bei Strompreis voraus

Der Energiekonzern Envia-M in Chemnitz spricht von einer "Energiepreiskrise", die außer Gas auch Strom und Fernwärme trifft. Vorstandschef Stephan Lowis ist mit Sachsens Energiepolitik unzufrieden.

Von Georg Moeritz
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Der große ostdeutsche Energieversorger Envia-M fordert vom Staat Entlastung für die Bürger, weil nach den Gaspreisen auch die Preise für Strom und Fernwärme kräftig zu steigen drohen.
Der große ostdeutsche Energieversorger Envia-M fordert vom Staat Entlastung für die Bürger, weil nach den Gaspreisen auch die Preise für Strom und Fernwärme kräftig zu steigen drohen. © dpa/Jan Woitas

Chemnitz. Nach den Preissteigerungen beim Erdgas wird im nächsten Jahr auch eine "Kostenexplosion beim Strom" die Verbraucher belasten. Das sagt der sächsische Energiekonzern Envia-M in Chemnitz voraus. Konzernchef Stephan Lowis forderte am Mittwoch vom Staat "Entlastung, Entlastung, Entlastung!" für die Bürger und Betriebe. In einem Online-Pressegespräch forderte Lowis, als ersten Schritt die Mehrwertsteuer auf Strom und Fernwärme auf sieben Prozent zu senken.

Für viele Haushaltskunden sind die Strompreise zu Anfang Juli gesunken, weil der Staat seitdem auf die EEG-Umlage in Höhe von 4,43 Cent brutto verzichtet. Doch Envia-M hat Strompreise kurz vor der Preissenkung erhöht und sagt nun nur bis Jahresende konstante Preise voraus.

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Vorstand Andreas Auerbach sagte, an der Börse seien die Einkaufspreise für Strom für das kommende Jahr in den vergangenen Tagen zeitweise zehnmal so hoch gewesen wie Anfang vorigen Jahres. Damals mussten Energieunternehmen beim Strom-Einkauf etwa fünf Cent pro Kilowattstunde bezahlen, im Frühjahr dieses Jahres um 15 Cent und in den vergangenen Tagen um 60 Cent. Das Unternehmen habe nichts von solchen Preiserhöhungen, sondern gebe sie nur weiter und rechne eher mit sinkenden als mit steigenden Gewinnen.

Lob für sächsischen Vorschlag eines Härtefallfonds

Envia-M kaufe Strom bis zu drei Jahre im Voraus und Gas bis zu zwei Jahre im Voraus portionsweise ein. Das führe insgesamt zu einer "Glättung" der Preise. Die Kunden müssten nicht die Spitzenpreise bezahlen. Die jüngsten hohen Preise an der Börse seien "Überreaktionen" auf Russlands Ankündigung, die Ostsee-Pipeline zeitweise wegen einer Wartung wieder nicht zu füllen. Am Dienstag habe Envia-M daher weder Strom noch Gas bestellen können. Russland verfolge anscheinend das Geschäftsmodell, die Preise hochzutreiben und so mit weniger Gaslieferung mehr Geld einzunehmen.

Auerbach sagte, dass einige Strom- und Gashändler wie im vorigen Herbst ihren Kunden derzeit die Lieferverträge kündigen. Manche hätten sich nicht rechtzeitig mit genügend Energie eingedeckt, sodass die Kunden wieder von Grundversorgern wie Envia-M, Sachsen-Energie oder den zuständigen Stadtwerken beliefert werden müssten. Nun sei "die Stunde der Grundversorger". Werbung mit unterschiedlichen Sondertarifen sei auch in nächster Zeit nicht wieder zu erwarten.

Die Mitteldeutsche Gasversorgung Mitgas bietet keine Sonderpreise mit verschiedenen Namen mehr an, wie andere Gas- und Stromversorger auch. Mitgas ist im Besitz von Envia-M in Chemnitz und VNG in Leipzig.
Die Mitteldeutsche Gasversorgung Mitgas bietet keine Sonderpreise mit verschiedenen Namen mehr an, wie andere Gas- und Stromversorger auch. Mitgas ist im Besitz von Envia-M in Chemnitz und VNG in Leipzig. © Georg Moeritz

Die Konzernvorstände lobten den Vorschlag der sächsischen Sozialministerin Petra Köpping (SPD), einen "Härtefallfonds" vorzubereiten. Der müsse nicht nur Haushaltskunden, sondern auch Unternehmen in der "Energiepreiskrise" helfen. Viele Unternehmer seien Zweijahresverträge beim Erdgas gewöhnt, zögerten derzeit aber angesichts der hohen Preise mit Neuabschlüssen. So mancher Betrieb suche nach Alternativen zur Gasversorgung, etwa mit Heizöl.

Sachsen hinter Brandenburg und Sachsen-Anhalt zurück

Konzernchef Lowis bedauerte, dass der Ausbau der Windkraft in Sachsen nicht vorankomme. Auf Nachfrage sagte er, er sei "zurückhaltend optimistisch", dass das Osterpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Vereinfachungen bei der Planung auch in Sachsen Wirkung entfalten werde. Im Freistaat gebe es Probleme beim Ausweisen geeigneter Flächen für Windkraft, dabei kämen die Koalitionsparteien "nicht zueinander".

Brandenburg und Sachsen-Anhalt seien beim Ausbau Erneuerbarer Energien weiter vorangekommen als Sachsen, sagte der Konzernchef, dessen Unternehmen in allen drei Bundesländern aktiv ist. Zunehmend fragten Industriekunden nach Ökostrom. Auch wenn Wind und Sonne nicht ständig Strom lieferten, gebe es intelligente Lösungen mit Batterien, Wasserstoff und kleinen Kraftwerken für die Zeit des Spitzenverbrauchs. Wenn Sachsen nicht aufhole, sehe er die Gefahr, dass sich Unternehmen anderswo ansiedelten.