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Wie Sachsens jüngste Solarfabrik mit China mithalten will

Die neue Fabrik Sunmaxx PVT in Ottendorf-Okrilla startet die Produktion von Solarmodulen, die Strom und Wärme zugleich liefern. Der Wachstumsplan von Geschäftsführer Wilhelm Stein.

Von Georg Moeritz
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Die ersten Bausteine: Geschäftsführer Wilhelm Stein in der Produktionshalle von Sunmaxx PVT verbindet Fotovoltaik und Wärmegewinnung.
Die ersten Bausteine: Geschäftsführer Wilhelm Stein in der Produktionshalle von Sunmaxx PVT verbindet Fotovoltaik und Wärmegewinnung. © Matthias Rietschel

Ottendorf-Okrilla. Wilhelm Stein hat viel Platz: Wenn der Physiker durch seine fast leere Fabrikhalle läuft, dann kann er sich ausmalen, wie er neben die erste Produktionsanlage von der linken Seite aus nach und nach mehr Maschinen stellen lässt. Die gemietete Halle nahe dem Post-Briefzentrum in Ottendorf-Okrilla diente zuletzt einem Arzneimittelgroßhandel. In den nächsten Wochen beginnt Stein dort mit seinem Unternehmen Sunmaxx PVT GmbH die Produktion von Solarmodulen, die außer Strom auch Wärme liefern können.

An der ersten Produktionslinie zeigt schon eine grüne Ampel an, dass die Anlagen funktionieren. Aber die Transportbänder stehen noch still. Später sollen dort Fotovoltaikmodule mit einer Rückseite aus Aluminium versehen werden, die sonst bei Solartechnik nicht üblich ist: Es sind flache Wärmetauscher, gefüllt mit Wasser und Glykol. Der promovierte Physiker Stein spricht von einem "homogen durchflossenen Flächenhohlkörper". Für den Laien nennt er das zugelieferte Teil aus der Autobranche auch gerne eine Kühlplatte.

Das sächsische Unternehmen Sunmaxx PVT ist nach eigenen Angaben der einzige Hersteller der Welt, der diese Kombination anbieten kann. Dabei sei die Technologie seit Jahrzehnten bekannt und ausgereift. Die photovoltaisch-thermischen Solarmodule (PVT) sollen auf Haus- oder Fabrikdächern montiert werden wie andere Solaranlagen, sie sind auch nur vier Zentimeter dick. Doch sie wandeln nicht nur Sonnenlicht in elektrischen Strom, sondern sie sammeln auch Wärme und leiten sie durch angesteckte Schläuche ins Haus - zu einer Wärmepumpe. Die wird damit effizienter.

Autozulieferer Mahle bekommt Anlagen aufs Fabrikdach

Auch bei Nacht und im Winter kann die PVT-Anlage laut Sunmaxx zumindest die Wärme aus der Umgebungsluft nutzen. So liefere sie übers Jahr drei- bis viermal mehr Energie als eine Fotovoltaikanlage. Im Sommer trage die Kühlplatte zudem dazu bei, dass die Solarzellen besser arbeiten können und fünf bis zehn Prozent mehr Stromertrag liefern. Das Haus könne dann damit gekühlt werden.

Nun muss der Gründer und Mitbesitzer Stein ausreichend Kunden für die noch ungewohnte Kombination finden - und immer mal Geldgeber. Einige Male ist ihm das schon gelungen: Der Autozulieferer Mahle und der TGFS Technologie- und Gründerfonds Sachsen der Sparkassen gaben im Januar 3,25 Millionen Euro, die nächste Finanzierungsrunde läuft. Mahle wird wohl auch der erste große Kunde für die Module aus Sachsen: Ein Fabrikdach nahe Stuttgart wird laut Stein mit den Kombi-Paneelen bestückt, "dafür fliegen Gaskessel raus". Mahle ist Entwicklungspartner, Investor und Kunde von Sunmaxx.

Nächstes Jahr 80 Beschäftigte

Die Produktion soll in den ersten Monaten des neuen Jahres nach und nach hochgefahren werden. Stein möchte eine hoch automatisierte Fertigung, die zunächst mit etwa zehn Mitarbeitern pro Schicht auskommt. Sunmaxx hat jetzt etwa 25 Beschäftigte, Ende nächsten Jahres sollen es um die 80 sein. Sie werden der Anlage die zugekauften Fotovoltaik-Platten "aus europäischer Produktion" und die Kühlplatten zufügen und am Ende per Hand die Anschlussdosen anbringen. Eine künstliche Sonne testet jedes fertige Modul, dann wird es je nach Leistung klassifiziert. Etwa 400 Watt Stromleistung hat eine Platte.

Sonniges Logo: Sunmaxx PVT hat eine Produktionshalle in Ottendorf-Okrilla gemietet, in der zuvor ein Arzneigroßhändler arbeitete.
Sonniges Logo: Sunmaxx PVT hat eine Produktionshalle in Ottendorf-Okrilla gemietet, in der zuvor ein Arzneigroßhändler arbeitete. © Matthias Rietschel

Die erste Anlage kann pro Jahr 120.000 Module mit einer Gesamtleistung von 50 Megawatt herstellen. Sie würden für etwa 5.000 Einfamilienhäuser reichen. Steins Plan: In der Halle ist Platz für eine Kapazität von 250 Megawatt, "das ist in zwei bis drei Jahren machbar". Ein Ausbau nebenan könnte diese Kapazität noch verdoppeln. Als Ziel nennt der Chef aber eine Produktionskapazität von drei Gigawatt, wenn der Markt es möglich macht. Das wäre das 60-Fache der ersten Anlage. Auch diese Produktion soll in Sachsen stehen.

Wilhelm Stein stammt zwar aus dem Schwarzwald, und sein Auto an der Stromtankstelle vor der Fabrik hat ein Kennzeichen aus Baden-Württemberg. Doch er lebt seit zehn Jahren in Dresden. Stein berichtet, dass er unter anderem bei Osram in Regensburg und bei Oerlikon in der Schweiz arbeitete, in Sachsen auch bei der damaligen Fotovoltaikfabrik Sunfilm in Großröhrsdorf. Er will mit seinem Ingenieurteam Konzepte für Industriepartner und für Stadtwerke zur Dekarbonisierung schreiben.

Sachsen "hängt noch sehr an der Braunkohle"

Mit einigen kleineren Stadtwerken sei das Unternehmen im Gespräch, sagt Stein. Freilich sei Sachsen "energiemäßig ein bisschen Entwicklungsland", man hänge teilweise noch sehr an der Braunkohle. Geldgeber Sören Schuster, Geschäftsführer des TGFS, lässt sich in einer Pressemitteilung so zitieren: „Wir sehen hier großes Potenzial, einen Teil der solaren Wertschöpfungskette wieder in Europa ansiedeln zu können, und das mit einer Technologie, die dem Wettbewerb mehrere Jahre voraus ist."

Natürlich kennt Stein die Klagen der sächsischen Hersteller wie Solarwatt und Meyer-Burger: Chinesische Konkurrenz drücke die Preise zu sehr. Doch nach eigenen Angaben ist Sunmaxx den Chinesen mit seiner Technologie um zwei bis drei Jahre voraus. Das könne ein Beispiel dafür werden, wie ein deutsches Unternehmen dank hochinnovativer Produkte auf dem Weltmarkt mithalten könne. Die Produktion müsse rasch hochgefahren werden.

Der Fabrikant will seine Lieferketten absichern, indem er mindestens zwei Lieferanten für jede Komponente verpflichte. "Dann sind auch die Preisverhandlungen einfacher", sagt Stein. Die Kühlplatten kämen unter anderem von Mahle. Der Autozulieferer ist nach eigenen Angaben froh, damit seine "Expertise im Thermomanagement" auch außerhalb der Automobilbranche anwenden zu können.

Sunmaxx will Handwerker selbst schulen

Ähnlich wie Solarwatt will Sunmaxx einen Showroom einrichten und Handwerker zum Testen einladen. Training am Material soll Fachpartnern die Technologie schmackhaft machen. Das überregionale Dachdecker-Unternehmen Hanebutt werde unter anderem in Hannover und Hamburg für Sunmaxx aktiv.

Das junge sächsische Unternehmen ist Mitglied in mehreren Branchenverbänden, auch im Verein Wirtschaft für ein Weltoffenes Sachsen e. V. Der Unternehmer bekennt sich zur Weltoffenheit: Sunmaxx habe auch ausländische Fachkräfte und müsse dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen. "Es geht um die Standortsicherung", sagt der Firmenchef.

Stein freut sich zum Beispiel über einen Ägypter aus dem Ort, der ihm empfohlen worden sei und seine Sache sehr gut mache. "Wir wollen nicht, dass unsere ausländischen Mitarbeiter angepöbelt werden von aufgehetzten Leuten", sagt Stein. Er sucht sowohl Ingenieure als auch Mitarbeiter für die Fertigung, zum Beispiel Elektroingenieure oder Maschinenbauer. Sunmaxx habe auch schon ehemalige Mitarbeiter des Kohlekonzerns Leag eingestellt: "Wir machen Strukturwandel live".