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Warum Sachsen Hilfe für Solarhersteller braucht

Am 14. März will Solarmodulhersteller Meyer Burger seine Fabrik in Freiberg schließen. Deutschland sollte mehr tun, die heimische PV-Produktion nicht endgültig zu verlieren.

Von Nora Miethke
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Eine Mitarbeiterin begutachtet in der Endkontrolle einer Produktionslinie für Solarmodule im Werk der Meyer Burger Technology AG in Freiberg ein Solarmodul.
Eine Mitarbeiterin begutachtet in der Endkontrolle einer Produktionslinie für Solarmodule im Werk der Meyer Burger Technology AG in Freiberg ein Solarmodul. © dpa/SZ Montage

Bis zu sechs Monate müssen sich momentan Eigenheimbesitzer in Sachsen gedulden, bis ihre Solaranlage auf dem Dach ans Stromnetz angeschlossen werden kann. Die großen Energieversorger kommen bei der Bewältigung der Antragsflut sowie der Anmeldung kleiner Balkonkraftwerke an ihre personellen Grenzen. Sachsenenergie zählte allein im vergangenen Jahr 14.000 Anmeldungen, die Netztochter von Envia-M sogar 41.000 Anträge für kleine PV-Anlagen. Auch die Solarfelder entlang der Autobahnen und Bahnstrecken wachsen stetig. Sachsen, Deutschland, ja ganz Europa erlebt einen Solarboom.

Und gleichzeitig droht der Solarmodulhersteller Meyer Burger, der vor zwei Jahren die Renaissance der Solarindustrie in Deutschland eingeläutet hat, damit, bis zum 14. März die Modulproduktion in Freiberg einzustellen, wenn es von der Bundesregierung nicht zusätzliche Hilfen gibt. 500 Arbeitsplätze sind betroffen. Und auch andere Modulhersteller wie Solarwatt aus Dresden oder Heckert Solar aus Chemnitz drosseln ihre Produktion. Wie kann das sein?

Der europäische Solarboom ist in Wahrheit ein chinesischer Boom. 95 Prozent der auf unserem Kontinent installierten Solarmodule werden aus dem Reich der Mitte importiert – zu unschlagbar billigen Preisen. Sie sind nicht einmal halb so teuer wie die von Meyer Burger aus Freiberg, weil die Kosten für Arbeit und Energie in China erheblich niedriger sind, der Zugang zu Rohstoffen leichter und Präsident Xi Jinping und sein Staatsapparat seit Jahrzehnten für milliardenschwere staatliche Unterstützung sorgen. Mit Zwangsarbeit im Uigurengebiet Xinjiang und Dumpingpreisen können und wollen die deutschen Solarproduzenten nicht konkurrieren.

Die EU hat sich grundsätzlich auf eine unverbindliche 40-Prozent-Selbstversorgungsquote für Solarzellen und andere strategische Technologien bis 2030 geeinigt. Doch bis dieses Gesetz greift, ist es zu spät, um die Produktion von Meyer Burger in Freiberg zu retten. Hohe Zölle auf chinesische Module, wie die Amerikaner sie eingeführt haben, kommen nicht infrage. Zu groß ist die Angst vor den Gegenreaktionen der Chinesen. Als Europa vor zehn Jahren versuchte, die Solarindustrie mit Schutzzöllen zu retten, reagierte China prompt mit dem Lieferstopp von EU-Weinen.

Drei Gründe, die für mehr Förderung sprechen

Daher fordern die deutschen Produzenten von der Bundesregierung die Einführung eines sogenannten „Resilienzbonus“. Die Besitzer von PV-Anlagen sollen eine Extra-Vergütung erhalten, wenn der Solarstrom, den sie ins Stromnetz einspeisen, aus deutschen Zellen und Modulen kommt. Seit Monaten verhandeln die Fraktionen der Ampelregierung, SPD und Grüne sind dafür, die FDP nicht, weil sie grundsätzlich gegen staatliche Eingriffe in den Markt ist und auch das Geld fehlt für neue größere Subventionsprogramme. Und die Uhr tickt.

Es gibt drei Gründe, die für mehr Förderung sprechen: die Beschleunigung der Energiewende, grünes Wirtschaftswachstum und neue Jobs sowie der Schutz vor geopolitischen Risiken. Die ersten zwei rechtfertigen keinen Resilienzbonus. Europa ist bei der Energiewende nicht auf heimische PV-Produktion angewiesen. Im Hafen von Rotterdam stapeln sich so viele Module aus China, wie in einem Jahr in den EU-Ländern installiert werden. Die billigen Importe haben den Installationsboom erst angeheizt. Einen Vorrat anzulegen für Krisenzeiten ist also kein Problem.

Auch das Wachstumsargument zieht nicht wirklich. Die Herstellung von Solaranlagen ist hoch automatisiert, in den Fabriken drehen sich mehr Roboterarme als menschliche. Da bietet die Installation der Solarpaneele auf Dächern mehr Chancen auf neue Jobs im Handwerk, und diese können nicht ins Ausland ausgelagert werden. So bleibt nur die Widerstandsfähigkeit gegenüber geopolitischen Krisen als Rechtfertigungsgrund. Die Angst besteht, dass China eines Tages die Lieferung von Solarmodulen unterbrechen könnte, so wie Russland den Gashahn zudrehte.

Eigene Solarproduktion für mehr Akzeptanz

Europa hat die Chance, dank chinesischer Solarmodule schnell grün zu werden. Braucht es dann eine deutsche PV-Produktion? Rein wirtschaftlich betrachtet: nein. Aus sächsischer Sicht: ja. Denn wenn Sachsen nach dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung „Energieland“ bleiben soll, wie die Politik verspricht, dann sollten die Energietechnologien der Zukunft hier nicht nur genutzt, sondern auch hergestellt werden. Das hilft der Akzeptanz und begegnet der Angst vor einer Deindustrialisierung.

International werden die Wertschöpfungsketten, die Wohlstand und Einfluss versprechen, gerade neu verteilt. China und die USA kämpfen um die Technologieführerschaft, aber auch Europa und die USA sind Wettbewerber, wenn es um die Ansiedlung von Schlüsselindustrien geht.

Die Solarindustrie ist eine für die Zukunft ähnlich wichtige Branche wie die Chipindustrie und im Unterschied zu ihr hat sie noch keine Zusagen über milliardenhohe Zuschüsse bekommen.

Auch wenn der Resilienzbonus eine Dauersubvention bedeuten könnte, wäre er doch ein verhältnismäßig milder Markteingriff im Vergleich zur Unterstützung für andere Branchen. So werden wir unabhängiger von Asien und Amerika – das sollte es uns wert sein.