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Haushalts-Urteil trifft Sachsens Kommunen - Linke will Schuldenbremse abschaffen

Nach dem Urteil zum Bundeshaushalt wächst die Unsicherheit in Sachsens Kommunen. Die Linke Sachsen fordert die Abschaffung der Schuldenbremse und eine sächsische Initiative.

Von Ulrich Wolf & Thilo Alexe
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Der neue Promenadenring in Dresden wird teilweise aus einem Programm finanziert, das nach dem Haushaltsurteil von Karlsruhe erst einmal auf Eis liegt. In der Union diskutiert man nun über die Schuldenbremse - zu den Zweiflern gehört Sachsens Ministerpräsi
Der neue Promenadenring in Dresden wird teilweise aus einem Programm finanziert, das nach dem Haushaltsurteil von Karlsruhe erst einmal auf Eis liegt. In der Union diskutiert man nun über die Schuldenbremse - zu den Zweiflern gehört Sachsens Ministerpräsi © Juppe; dpa/Kappeler

Dresden. In der Verunsicherung um die Zukunft zahlreicher kommunaler Vorhaben nach dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt betont der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG), derzeit gebe es keine Zahlungsstopp. SSG-Geschäftsführer Mischa Woitscheck sagte auf Anfrage von Sächsische.de, der Bund komme seinen Zahlungsverpflichtungen aus bewilligten Förderbescheiden nach. "Dagegen können im Moment keine Neubewilligungen vorgenommen werden." Inwiefern dies von Dauer sei, bleibe abzuwarten.

Dem SGG zufolge trifft die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds "zahlreiche für die Kommunen relevante Förderprogramme". Dazu zählten etwa die Bundesförderung der kommunalen Wärmeplanung, die energetische Stadtsanierung oder die Förderung von Modellprojekten im Nahverkehr.

Am Freitag hatten Vertreter von brandenburgischen und sächsischen Kommunen aus der sogenannten Lausitzer Runde kundgetan, die Haushaltssperre könne dazu führen, "dass Projekte nicht oder nur verzögert umgesetzt werden können." Als Beispiel nannten sie geplante Institute der Universitäten Dresden, Freiberg, Chemnitz und Zittau-Görlitz im Industriepark Schwarze Pumpe an der sächsisch-brandenburgischen Grenze.

Auch die Stadt Dresden fürchtet negative Folgen. Gefährdet seien Förderprogramme, aus denen beispielsweise Projekte am Promenadenring, die Sanierung des Luftbades Dölzschen sowie "die energetische Instandsetzung der Technischen Sammlungen" finanziert werde. In Meißen stoppte das Jobcenter sämtliche neuen Eingliederungs- und Förderleistungen, die über das Jahresende hinausreichen. Es sei "ab sofort nicht mehr möglich", solche Maßnahmen zu finanzieren. Als Beispiel genannt wurde die Ausgabe von Gutscheinen für Umschulung oder Weiterbildungen. Der Landkreis Bautzen hingegen betont, man gehe nicht von grundsätzlichen Auswirkungen auf geplante Projekte aus. So sei das in Bautzen erwartete Bundeszentrum für Bauforschung nicht betroffen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte zuvor das Grundsatzurteil zur Schuldenbremse als "krachende Niederlage für die Ampel" bezeichnet. Er begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach 60 Milliarden Euro aus Corona-Mitteln nicht in Klimaschutz und Transformation überführt werden dürfen. Im Deutschlandradio sagte Kretschmer, falsche Politik dürfe nicht durch Schulden verschleiert werden. Im Bundestag sprach er am Freitag von einem guten Signal für die jüngere Generation.

Länderchefs haben Zweifel an Schuldenbremse

Der Ministerpräsident äußerte sich auch zu den Milliarden-Subventionen für die Chipbranche, die unter anderem aus dem gesperrten Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollten. Er forderte in dem Interview eine Abwägung über wichtige und weniger wichtige Zuwendungen. Die Wirtschaft habe auf die Ansiedlung des TSMC-Werkes in Dresden gedrängt, um unabhängiger von China zu sein. Der taiwanesische Konzern sei Weltmarktführer und habe sich für Europa entschieden. Zudem seien in den rund fünf Milliarden an staatlichen Mitteln für TSMC auch Gelder enthalten, "die eigentlich nicht sein müssten, weil unser Wirtschaftsstandort durch eigenes Zutun - zum Beispiel diese hohen Energiepreise - nicht wettbewerbsfähig ist".

Kretschmer zeigte sich zudem, ähnlich wie seine Amts-Kollegen Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt und Kai Wegner aus Berlin, offen für eine Veränderung der Schuldenbremse. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er, wenn die Bundesregierung zu einem wirklichen Sparkurs bereit sei, werde die Union dies unterstützen.

Linke Sachsen fordert Abschaffung der Schuldenbremse

Die Linke in Sachsen fordert hingegen eine Abschaffung der Schuldenbremse auf Landesebene und eine sächsische Bundesratsinitiative zur Streichung dieser aus dem Grundgesetz. "Politik braucht Handlungsspielräume, erst recht in diesen krisenhaften Zeiten", sagt Stefan Hartmann, der Vorsitzende von Die Linke Sachsen. "Wer an der Bremse festhält, macht den Staat handlungs- und zukunftsunfähig und zerstört willentlich die öffentliche Infrastruktur." Schuldenfreiheit bringe den künftigen Generationen gar nichts, wenn gleichzeitig die Lebens- und Arbeitsgrundlagen wegen fehlender Investitionen heruntergewirtschaftet wurden.

Der Landesverband der Linkspartei wolle die Landtagsfraktion auffordern, Anträge zur Änderung der Landesverfassung einzubringen. "In jedem Fall ist die Investitionsbremse in ihrer jetzigen Form nicht mehr tragbar", sagt Hartmann. "Das Mindeste wäre eine sofortige Reformierung mit längeren Tilgungsfristen, größeren Spielräumen und Ausnahmen für wichtige Bereiche wie Klimaschutz, Bildung und Gesundheitsversorgung."

Demnach gibt es eine lange Liste an Forderungen an die Koalition in Berlin. Doch sagten die CDU-Politiker auch, dass am Ende eines gemeinsamen Prozesses ein Pakt für Deutschland stehen könne – "und vielleicht ein Gespräch über eine Veränderung der Schuldenbremse".

Die Bundes-CDU will an den derzeitigen Regeln festhalten. CDU-Parteichef Merz sagte etwa am Dienstag: "Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir an die Schuldenbremse heran müssen." Für eine Reform der Schuldenbremse müsste das Grundgesetz geändert werden. Dies erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Am Freitag hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit gesagt, dass eine solche Reform aktuell nicht anstehe. (mit dpa)