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Freiberger Solarfabrik gibt dem Staat drei Wochen Zeit zur Rettung

Der Konzern Meyer Burger fährt die Solarmodulproduktion in Freiberg herunter und investiert in den USA. Was er fordert, damit die sächsische Fabrik erhalten bleibt.

Von Georg Moeritz
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Der Solarhersteller Meyer Burger stoppt die Produktion in Freiberg und bereitet die Schließung vor. Doch er meldet auch Kurzarbeit für die Zukunft an.
Der Solarhersteller Meyer Burger stoppt die Produktion in Freiberg und bereitet die Schließung vor. Doch er meldet auch Kurzarbeit für die Zukunft an. © dpa-Zentralbild

Freiberg. Ein Manager unter Druck: In Jackett über schwarzem Rollkragenpullover ist Gunter Erfurt am Freitag vor die Belegschaft in Freiberg und vor die Presse getreten. Der Aktienkurs seines Schweizer Arbeitgebers Meyer Burger Technology AG ist seit Juli von fast 70 auf nur noch neun Cent gefallen. Die Freiberger Fabrik sitzt auf fertigen Solarmodulen mit zusammen 360 Megawatt Leistung, die sich nur schwer verkaufen lassen – weil chinesische billiger sind.

Gunter Erfurt gibt den Druck weiter: an seine 500 Mitarbeiter in Freiberg und an die Bundesregierung, die seine Branche im Wettbewerb mit China stützen soll. Schon im Januar hat der Manager angekündigt, die Freiberger Fabrik zu schließen, falls im Februar keine Hilfe komme. Nun kündigt er zwei Schritte an. Erstens: Die Produktion in Freiberg wird in der ersten Märzhälfte gestoppt. Denn die Fabrik macht Verluste, die Lagerbestände sind hoch.

Meyer Burger: Schließung im April - oder Kurzarbeit

Zweitens: Der Standort Freiberg wird ganz geschlossen, falls der Konzern nicht bis 14. März Klarheit über eine staatliche Rettungsaktion hat. Denn dann stehe die Generalversammlung der Eigentümer des börsennotierten Schweizer Konzerns bevor. „Der Standort Freiberg steht auf der Kippe“, sagte Erfurt. Die Vorbereitungen zur Schließung seien beschlossen. Keine drei Wochen Zeit bleiben demnach den drei Parteien in der Bundesregierung, wenn sie sich auf ein Rettungspaket für die heimische Solarindustrie einigen und es europarechtlich sicher formulieren wollen.

Gunter Erfurt, Vorstand des Solarunternehmens Meyer Burger, spricht im Foyer des Werks in Freiberg. Er kündigt an, die Produktion im März zu stoppen.
Gunter Erfurt, Vorstand des Solarunternehmens Meyer Burger, spricht im Foyer des Werks in Freiberg. Er kündigt an, die Produktion im März zu stoppen. © dpa/Sebastian Willnow

Falls die politische Rettung kommt, so hat es Vorstand Erfurt seinen Mitarbeitern versprochen, dann wird die Produktion allmählich wieder hochgefahren. Das dauere einige Zeit, daher habe er bei der Arbeitsagentur Kurzarbeit für die Zeit von April bis September angemeldet. Die Belegschaft, die bisher ohne Kurzarbeit in drei Schichten an sieben Tagen pro Woche produziert, bekäme dann Kurzarbeitergeld vom Amt. Weil das geringer ist als das übliche Gehalt, würde das Unternehmen Geld dazugeben. Die Höhe nannte Erfurt nicht. Doch diese Ankündigung habe „große Zustimmung beim Personal“ gefunden.

Solarfabrik in Freiberg ohne Betriebsrat und Sozialplan

Einen Betriebsrat gibt es nicht bei Meyer Burger. Daher gibt es auch keinen Sozialplan für den Fall einer Schließung. Seit Ende vorigen Jahres wird laut Metallgewerkschaft daran gearbeitet, eine Arbeitnehmervertretung zu gründen, doch noch gab es keine Wahl. Der Chemnitzer Gewerkschaftssekretär Robert Fink sagte auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung, die Gewerkschaft wolle helfen. Die Druckmittel des Unternehmens seien für die Beschäftigten eine Zumutung. Zwar sei es notwendig, industriepolitische Maßnahmen gegen die Wettbewerbsverzerrung in der Solarbranche zu fordern. Doch die Firma nehme mit ihrer Ankündigung „die Arbeitsplätze von über 500 Mitarbeitern und die finanzielle Absicherung ihrer Familien in Geiselhaft“.

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Ein großer Teil der Beschäftigten bei Meyer Burger hat zuvor schon die Insolvenz des Vorgängers Solarworld in derselben Produktionshalle erlebt. Erst 2021 hat Meyer Burger dort die Produktion wieder eröffnet. Die ehemalige Freiberger Betriebsratsvorsitzende Anke Martin-Heede sagte am Freitag auf Nachfrage, sie sei zwar nicht mehr in der Solarbranche tätig. Doch es sei ja zu lesen, dass der europäische Markt von chinesischen Modulen überschwemmt werde, daher hätten sich die Hoffnungen von Gunter Erfurt nicht erfüllt.

Der Vorstandschef hat den Aktionären nun erneut versprochen, die andauernden Verluste in Europa zu stoppen und dafür vom „hochattraktiven US-Markt“ zu profitieren. Dort gebe es die Chance auf hohe neue Kredite und einen starken Absatz. Die Module aus Freiberg aber ließen sich in den USA nicht verkaufen. Die USA wehren sich auch gegen Importe aus China – das ist einer der Gründe dafür, dass die Solartechnik aus Asien vor allem nach Europa kommt und hier billig angeboten wird.

Standortgarantie für das Werk Hohenstein-Ernstthal

Die Solarmodulfabrik von Meyer Burger in Arizona mit geplanten 500 Arbeitsplätzen ist im Bau. Die nötigen Solarzellen als Vorprodukt sollen später aus einer geplanten Fabrik im US-Staat Colorado mit 350 Arbeitsplätzen kommen. Zunächst aber ist die Meyer-Burger-Fabrik in Thalheim, einem Ortsteil von Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt, der Lieferant dieser Siliziumzellen. Bisher liefert Thalheim die Zellen nach Freiberg, wo sie miteinander verbunden und mit Rahmen und Anschlüssen zur Installation versehen werden. Es ist die größte Solarmodulfabrik in Europa, die meisten Module kommen aus China.

Auf Fragen zur Zukunft der Solarzellenfabrik in Thalheim sagte Erfurt, dieser Standort stehe „jetzt nicht zur Debatte“, es gehe um lange Zeithorizonte. Meyer Burger habe dort jüngst investiert, außerdem müssten dort bei einer Schließung 7,5 Millionen Euro Fördermittel zurückgezahlt werden.

Für den dritten ostdeutschen Betrieb, in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen, gab das Unternehmen eine Standortgarantie über "viele Jahre" ab. Sie gelte für die Dauer einer staatlichen Exportbürgschaft, die beantragt wurde. Dort arbeiten rund 300 Beschäftigte, davon weit über 100 in Forschung und Entwicklung. In Hohenstein-Ernstthal schlage das „technologische Herz“ des Konzerns, sagte Erfurt, es solle nicht umziehen.

Meyer Burger hatte den Betrieb vom sächsischen Vorgänger Roth & Rau übernommen. In Hohenstein-Ernstthal werden Maschinen für die eigenen Zellfabriken gebaut, während Maschinen für die Modulproduktion aus Thun in der Schweiz kommen. Früher hat Roth & Rau sächsische Maschinen nach China geliefert, die dort hochwertige Solaranlagen herstellen. Später entschied sich Meyer Burger, nur noch eigene Fabriken auszustatten statt chinesische.

Dulig: Chinesische Module auf Basis von Dumping

Viele sächsische Politiker reagierten am Freitag auf die Ankündigung von Meyer Burger und forderten die Bundesregierung auf, rasch zu helfen. Nach der ersten Schließungsandrohung im Januar hatte es eine gemeinsame Erklärung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), Energieminister Wolfram Günther (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) gegeben. An diesem Freitag meldeten sie sich einzeln.

Dulig schrieb, jetzt blieben dem Bund nur noch wenige Tage. In seinen Gesprächen mit Vertretern des Bundes seien voriges Jahr die nötigen Maßnahmen in Aussicht gestellt worden, nun müssten sie unverzüglich auf den Weg gebracht werden. Die deutsche Industrie dürfe nicht in die Knie gehen, während Deutschland seinen Anteil an erneuerbaren Energien mithilfe chinesischer Solarmodule hochfahre – zumal sie auf der Basis von Dumping und mit Energie aus Kohle hergestellt würden.

Kretschmer: "Unerträglich", dass Industrie in Bedrängnis

Kretschmer nannte es „unerträglich“, dass die deutsche Industrie trotz Solarbooms in Bedrängnis gerate. In Freiberg stehe ein Investment von 130 Millionen Euro von Meyer Burger auf dem Spiel. Er erhöhte den Druck auf die Bundesregierung: "Wir haben als Ministerpräsidenten einen konkreten Vorschlag zum Schutz der heimischen Wirtschaft unterbreitet. Der Bund muss sich beim rettenden Resilienzbonus jetzt einigen", schrieb Kretschmer über den Kurznachrichtendienst X. Sowohl die Niedrigpreise aus China als auch die Handelsblockade der USA seien Ursache der Krise. "Das ist kein fairer Umgang unter Handelspartnern", sagte der sächsische Ministerpräsident.

Minister Günther nannte es „beschämend“, dass trotz praktikabler Vorschläge bisher keine Einigung auf Bundesebene möglich war. Der Linken-Landesvorsitzende Stefan Hartmann warf den Bundesministern Robert Habeck (Wirtschaft, Grüne) und Christian Lindner (Finanzen, FDP) Nichtstun vor. Grünen-Abgeordnete sprachen dagegen von einer „Blockade“ durch die FDP.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung warf der Bundesregierung Versäumnisse vor. "Sehenden Auges nimmt die Ampel solche Investitionsentscheidungen gegen Deutschland in Kauf", schrieb der energiepolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion am Freitag.

Solarbranche fordert Bonus für heimische Module

"Mit Kürzungen statt Stärkung gefährdet sie Arbeitsplätze im Osten und die Energiesicherheit der Zukunft", monierte Jung. Deutschland dürfe sich bei Zukunftsenergien nicht komplett von China abhängig machen. Die Bundesregierung habe versäumt, auf die Lage zu reagieren: "Spätestens jetzt ist entschiedenes Handeln Gebot der Stunde."

Die Solarbranche fordert unter anderem einen „Resilienzbonus“. Wer Fotovoltaikmodule aus europäischer Produktion kauft, soll für seinen Strom beim Einspeisen ins Netz mehr Geld bekommen als mit importierten Modulen aus Übersee. Dieser Forderung haben sich auch die sächsischen Modulhersteller Solarwatt in Dresden und Heckert Solar in Chemnitz sowie der Chemiekonzern Wacker angeschlossen.

Solarwatt bezieht bereits einen großen Teil seiner Module aus China und hat angedroht, seine Produktion in Sachsen zu schließen, wenn der Staat die Wettbewerbsnachteile zu China nicht ausgleicht. Das Unternehmen stärkt aber seinen Vertrieb und kauft Installationsbetriebe in mehreren deutschen Städten.

Bund und EU wollen Belohnung für bestimmte Technik

Angesichts der Probleme der deutschen Solarindustrie müssen nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums die Rahmenbedingungen für die Branche in Deutschland und Europa verbessert werden. Das Ministerium verwies am Freitag auf den Net Zero Industry Act der EU, der auch die Solar- und Windkraftbranche stärken solle. Konkret gehe es um Ausschreibungen für erneuerbare Energien. In 30 Prozent aller Ausschreibungen müssten Kriterien wie Resilienz und Nachhaltigkeit belohnt werden.

Das Wirtschaftsministerium erklärte weiter, die Bundesregierung habe die beantragte Exportkreditgarantie für die Produktion von Maschinen im Zusammenhang mit dem Aufbau der Solarmodulproduktion in den USA grundsätzlich zugesagt. Damit werde der Weiterbetrieb des Meyer-Burger-Standorts Hohenstein-Ernstthal in Sachsen ermöglicht. Dort werden Maschinen hergestellt, die auch für den Export bestimmt sind. (mit dpa)