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Meyer Burger bereitet Hunderte Kündigungen in Freiberg vor

Europas größte Fabrik für Fotovoltaik-Module rechnet nicht mehr mit politischer Hilfe. Die FDP Sachsen lehnt neue Subventionen ab. Was jetzt in Freiberg passiert.

Von Georg Moeritz
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Kündigung droht: Die Produktion im Freiberger Solarwerk von Meyer Burger ist gestoppt, der Konzern bereitet die endgültige Schließung vor.
Kündigung droht: Die Produktion im Freiberger Solarwerk von Meyer Burger ist gestoppt, der Konzern bereitet die endgültige Schließung vor. © Archivfoto: Hendrik Schmidt/dpa

Freiberg. Von den 500 Beschäftigten der Solarmodulfabrik in Freiberg müssen die meisten mit einer Kündigung zum Ende April rechnen. Gunter Erfurt, Vorstandschef des Schweizer Konzerns Meyer Burger, rechnet nach eigenen Angaben nicht mehr mit neuen staatlichen Subventionen. Er hatte gemeinsam mit anderen Herstellern gefordert, europäische Fotovoltaik-Technik gegen unfaire Konkurrenz zu stärken. China biete Dumpingpreise.

Erfurt sagte bei einem Online-Pressegespräch zur Konzernbilanz am Donnerstag, die Produktion in Freiberg sei am Dienstag beendet worden. Die jüngste Linie C sei schon voriges Jahr nicht mehr vollständig hochgefahren worden, weil die Produktion Verluste machte und die hohen Lagerbestände nicht zu billig verkauft werden sollten. Die Maschinen in Freiberg würden nun so konserviert, dass sie nicht beschädigt würden und später auch in anderen Fabriken wieder genutzt werden könnten.

Die Entscheidung zur Schließung der Fabrik in Freiberg könne noch rückgängig gemacht werden, sagte der Konzernchef. Dazu müsse aber der „unwahrscheinliche Fall“ eintreten, dass in Berlin noch eine Hilfe für die Branche beschlossen werde. Im Parlament werde noch diskutiert.

FDP Sachsen lehnt neue Beihilfen für Solarindustrie ab

Die sächsischen Koalitionspartner CDU, Grüne und SPD hatten die Bundesregierung nach einem Ultimatum von Meyer Burger vor drei Wochen aufgefordert, rasch zu helfen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte darauf hingewiesen, dass der Konzern ohne neue Subventionen die Produktion in die USA verlagern werde. Die FDP aber, die in der Bundesregierung den Finanzminister stellt, lehnt die geforderten Beihilfen ab. Am Dienstag schrieb Robert Malorny, Spitzenkandidat der sächsischen FDP zur Landtagswahl, die Zukunft der deutschen Solarindustrie dürfe nicht von neuen Subventionen abhängen.

Malorny bestätigte, dass der Markt für Solartechnik von China „verzerrt“ sei. Doch neue Subventionen würden dagegen nicht helfen, sondern „nur zu steigenden Strompreisen führen“. Meyer Burger und die sächsischen Hersteller Solarwatt und Heckert Solar hatten gemeinsam mit ihrem Verband einen „Resilienzbonus“ gefordert. Die Idee: Wer Solartechnik aus europäischen Fabriken kauft und Strom ins Netz einspeist, bekommt dafür mehr Geld als mit chinesischen Modulen. Der FDP-Politiker riet den sächsischen Herstellern, sich lieber darauf zu konzentrieren, Spitzenprodukte mit hohem Wirkungsgrad zu entwickeln.

Meyer Burger verspricht Arizona 500 Arbeitsplätze

Meyer Burger schreibt in seinem Geschäftsbericht, mit einer neuen Solarzellentechnologie wolle der Konzern die Effizienz seiner Solarzellen um durchschnittlich über 26 Prozent steigern. Prototypen der Anlagen liefen am Forschungsstandort Hohenstein-Ernstthal. Der soll erhalten bleiben. Auch die Solarzellenfabrik im Bitterfeld-Wolfener Ortsteil Thalheim läuft weiter und soll Zellen in die USA liefern.

Doch die meisten Beschäftigten in Freiberg werden laut Erfurt in diesem Monat die Kündigungsschreiben erhalten. In der Regel haben sie nach seinen Angaben vier Wochen Kündigungsfrist. Da sie keinen Betriebsrat gewählt haben, gibt es keinen Sozialplan. Der Vorstandschef sagte, es bleibe nur ein Teil der Belegschaft, um die Technik zu erhalten. Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass die Fabrik doch wieder hochgefahren werde, sei vorsorglich Kurzarbeit für die kommenden Monate beantragt worden.

Sachsens Energieminister Wolfram Günther (SPD) schrieb dazu, es sei nun "extrem spät, extrem knapp, aber noch nicht zu spät für die Rettung". Er habe noch einen Rest Hoffnung. Alle Verantwortlichen müssten sich jetzt schnell und ganz klar aufsagen, worum es gehe: faire Wettbewerbsbedingungen wiederherstellen, eine strategische Zukunftsbranche und technologische Kompetenz "hier bei uns" zu halten. Deutschland müsse sich weniger abhängig von China machen. Es gehe um die Frage, ob für die Energiewende künftig Geld nach China überwiesen werde, statt die heimische Wertschöpfung voranzubringen.

Hoffnung auf Förderprogramm in Italien

Der Schweizer Konzern will in diesem Jahr zwei Fabriken in den USA eröffnen und verspricht Arizona 500 neue Arbeitsplätze. Ein Grund seien die Staatshilfen in den USA – ein anderer Grund der wachsende Markt für Solartechnik in den USA. Tochterfirmen von Ikea und Baywa hätten mit Meyer Burger Abnahmeverträge über Module aus den USA unterschrieben.

Erst im Jahr 2021 hat Meyer Burger die Produktion von Fotovoltaikmodulen in Freiberg begonnen. Vorstand Erfurt war vorher im Management des Konzerns Solarworld, der in derselben Halle produzierte und pleite ging. Auch damals wurde die Billigkonkurrenz aus China als Grund genannt.

Erfurt sagte im Pressegespräch, Italien habe in der letzten Februarwoche ein Programm veröffentlicht, das den Forderungen der Branche nahekomme: In Italien solle es ein Förderprogramm für Solarmodule aus europäischer Produktion geben, wenn ihre Solarzellen eine Effizienz von mehr als 23,3 Prozent und die Module eine Effizienz von mehr als 21,5 Prozent schafften. Das Unternehmen gehe davon aus, dass es von dieser Regelung profitieren werde - und von weiteren möglichen "Resilienzregelungen" in Europa, die den Net Zero Industry Act umsetzen. Dieses europäische Gesetz soll eine Antwort auf den Inflation Reduction Act in den USA sein, der derzeit viele Unternehmen nach Amerika lockt.

Balkonsolaranlagen ohne Zwischenhändler angeboten

Der italienische Markt sei aber nicht groß genug, um die Produktion in Freiberg zu sichern. Die Freiberger Vorräte könnten auch nicht in die USA verkauft werden, weil dort andere Zertifikate verlangt würden, etwa zur Brennbarkeit. Erfurt sagte, Meyer Burger habe auch in den USA noch Lagerbestände. Die Verkaufsorganisation in den USA sei schlecht gestartet und ausgewechselt worden.

Am kommenden Montag soll eine Generalversammlung der Aktionäre von Meyer Burger in der Schweiz über eine Kapitalerhöhung des Konzerns abstimmen. Meyer Burger braucht frisches Geld für die geplanten Investitionen in den USA. Der größte Aktionär Sentis Capital beabsichtigt, bis zu 50 Millionen Schweizer Franken dazuzugeben. Im vorigen Jahr ist der Umsatz des Konzerns von 147 auf 135 Millionen Franken gesunken. Der Verlust stieg auf 292 Millionen Franken, auch wegen Abschreibungen auf die schwer verkäuflichen Bestände in Freiberg. Der Aktienkurs stürzte ab, vom Höchststand bei 0,71 Franken auf 0,06 in den vergangenen Tagen.

Meyer Burger stellt Maschinen für Solarfabriken selbst her

In den USA will Meyer Burger auch in den Markt mit Solaranlagen für große Stromversorger einsteigen. In Europa konzentrierte er sich bisher auf Wohnhäuser und Unternehmen - ähnlich wie Solarwatt in Dresden. Mit möglichen Industriepartnern will Erfurt über Lizenzmodelle sprechen.

Meyer Burger produzierte im vorigen Jahr laut Geschäftsbericht Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 650 Megawatt. Demnach wurde die Gesamtkapazität der Produktion von 1,4 Gigawatt bei Weitem nicht ausgelastet. Trotzdem wuchsen die Lagerbestände auf rund 365 Megawatt. Konzernchef Erfurt sagte, chinesische Module würden teilweise unter Herstellungskosten verkauft. Meyer Burger habe zwar im Juni auch die Preise gesenkt, aber nicht am "Preiskrieg" teilgenommen. Bald werde der Konzern auch Balkonsolaranlagen anbieten, und zwar über eine eigene Internetseite.

Der Schweizer Konzern Meyer Burger hatte 2011 die Mehrheit am damaligen sächsischen Unternehmen Roth & Rau AG übernommen. Das stellte Maschinen für die Solarindustrie her. Die Unternehmen rüsteten chinesische Fabriken aus, die Fotovoltaik-Zellen und Module herstellen. In China entstanden Überkapazitäten. Später kündigte Meyer Burger an, keine Maschinen mehr nach China zu liefern, sondern selbst in die Produktion von Solartechnik einzusteigen. Die Fabrik in Freiberg wurde also mit Maschinen ausgerüstet, die Meyer Burger in eigenen Fabriken in Hohenstein-Ernstthal und in der Schweiz herstellt. Künftig beliefert der Konzern seine Fabriken in den USA.