Bautzen. Als einziger Unternehmer hat Steffen Roschek bei der Demo gegen Rechtsextremismus in Bautzen am 27. Januar 2024 gesprochen. Im Interview erklärt der 51-Jährige, welche persönliche und wirtschaftliche Motivation dahintersteckt und wie Zuwanderung seiner Meinung nach besser funktionieren kann.
Herr Roschek, warum haben Sie bei der Demo gegen
Rechtsextremismus in Bautzen gesprochen?
Personen aus dem rechtsextremen Lager verlegen sich auf eine völkische Hass-Rhetorik, welche nicht nur Menschen gegeneinander aufhetzt, sondern ernsthaft die Grundlage unseres Zusammenlebens, unseren Wohlstand und unseren Ruf gegenüber Investoren und Geschäftspartnern gefährdet. Durch die seitens des Recherchenetzwerkes Correctiv bekannt gewordenen Ereignisse aus dem November 2023 in Potsdam, in welchen offen über die Methoden einer „Remigration nicht deutsch Assimilierter“ gesprochen wurde, ist hier eine Grenze überschritten worden.
Haben Sie selbst entschieden, in Bautzen zu sprechen?
Nachdem ich vom Auftritt des Sächsischen Ministerpräsidenten auf einer Demo gegen Rechts in Görlitz gelesen hatte, fragte ich nach, ob auch etwas für Bautzen geplant sei, da ich gern unterstützen würde. Durch die Rede des MP wurde ich motiviert, weil er ein CDU-Vertreter ist. Vorher hatte ich das Ganze eher als Aufgabe der Linken gesehen, aber jetzt sage ich, dass es erst recht die Aufgabe der CDU ist, sich so zu positionieren.
Klingt so, als war es nicht ihr letzter Auftritt.
Ich werde mich weiter gegen Extremismus einsetzen, nicht nur von rechts. Mir hat nicht gepasst, dass bei der Demo gegen Rechtsextremismus neben der Bühne Vertreter der Antifa standen. Das ist auch eine extremistische Organisation. Alle Arten von Extremismus schädigen uns und sind ein schlechtes Aushängeschild für unsere Region.
Sie sprachen auch über ihre eigene polnisch-sorbische
Familiengeschichte. Welche Rolle spielt sie in diesem Zusammenhang?
Meine Mutter ist Sorbin aus Wittichenau. Mein Vater hat einen polnischen Migrationshintergrund. Sowohl Polen als auch Sorben wurden von den Nazis 1933 und später verfolgt, soweit sie sich nicht assimilierten. Ich bin hier im Landkreis Bautzen geboren und aufgewachsen, und mir haben diese Ereignisse in Potsdam und die anderen genannten Entwicklungen gezeigt, dass dies auch wieder ganz schnell auf mich und meine Kinder durchgreifen kann.
Welche Parallelen sehen Sie?
Damals hat die NSDAP in ihren Wahlprogrammen auch nicht alles verraten, was sie machen will, aber man hätte ihre späteren Absichten bereits durch ihre Worte und Handlungen erkennen können. Wie damals sind heute sehr viele Menschen empfänglich für Rechtsextremismus und frustriert. Und auch in einer weiteren Tatsache, nämlich den Ursachen, warum die Menschen den Rechtsextremen auf den Leim gehen oder in deren Arme getrieben werden, ähneln unsere Zeiten den damaligen.
Inwiefern?
Bei vielen Menschen herrscht mittlerweile der Eindruck vor, dass die Politik die Interessen der „einfachen Leute“ nicht mehr vertritt und Menschen durch immer mehr Forderungen seitens der Politik überfordert werden. Politiker müssen ihre Politik besser erklären. Wir sehen es derzeit an den Bauernprotesten, dass sich die Menschen an die Wand gedrängt fühlen.
Wenn die Politik etwas entschiedet und es dadurch Einschnitte für die Bürger gibt, muss sie erklären, warum sie den Bürgern diese Last auferlegt. Und wir brauchen weniger Auflagen. Als Unternehmer bin ich zu 80 Prozent meiner Zeit damit beschäftigt, Auflagen der Behörden zu erfüllen. Das können wir nicht mehr leisten. Entweder die Regierung nimmt einige Regeln zurück, pauschalisiert und traut den Unternehmern damit mehr zu, oder sie erklärt verständlich, warum sie welche Auflagen verlangt.
Sie sagten bei der Demo, dass Sie nicht den „typischen
Unternehmer“ vertreten. Für wen haben Sie denn gesprochen?
Meine Geschäftspartner- und Mitarbeiterstruktur ist überwiegend international. Ich weiß aus Gesprächen, dass viele meiner Unternehmerkollegen aus der Region sich ernsthafte Sorgen machen, bei solch einer Demonstration aufzutreten, da sie bei einem Großteil des Geschäftserfolges auf regionale Geschäftspartner und Mitarbeiter angewiesen sind und von dort entsprechend Ablehnung befürchten. Ich möchte meine Unternehmerkollegen dennoch motivieren, sich bei solchen Demonstrationen klar gegen Extremismus zu bekennen, denn letztlich schadet er uns allen.
Welche Reaktionen haben Sie nach Ihrer Rede erhalten?
Ich habe durchweg positive Reaktionen erhalten, auch aus der Wirtschaft. Selbst die befürchteten Hass-Kommentare blieben aus. Es gab aber politische Kritiken zu meinem Standpunkt, abgelehnten und ausreisepflichtigen Asylbewerbern keine Arbeit zu geben.
Das bezieht sich auf die irreguläre Migration von Menschen, welche ohne Fluchtgrund - also weder den Schutz nach dem Grundgesetz noch den subsidiären Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention - nach Deutschland kommen. Wenn ihr Asylverfahren negativ lief, sind sie abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber, welche im Vorfeld unerlaubt die Grenze übertreten haben. Auch wenn diese Menschen teils unschuldig in diese Situationen gekommen sind, halte ich sie nicht für zuverlässig. Wer illegal nach Deutschland gekommen ist, sollte nicht noch mit einer Arbeitsstelle belohnt werden.
Das klingt sehr nach Steuerung und Kontrolle des Asylverfahrens.
Es gibt eine ganz klare Asylgesetzgebung mit den entsprechenden Fluchtgründen. Sie dient nicht essenziell dem Fachkräftezuzug.
Und wie schaffen wir den?
Was es noch nicht gibt, ist die Option, dass irgendjemand auf der Welt den Wunsch äußert, in Deutschland zu arbeiten, aber noch keinen Arbeitgeber hat. Ich habe mir verschiedene Systeme dazu in anderen Ländern angeschaut und finde das Green-Card-System der USA sehr schön.
Warum?
Es ist eine Lotterie, und es gibt jedem die Chance, der eine Mindestqualifikation erfüllt, und die ist gar nicht so hoch. In den USA ist das der High-School-Abschluss. Das entspricht unserem Realschulabschluss.
Bürger anderer Länder mit einem vergleichbaren Schulabschluss könnten sich also in Deutschland um ein festes Visa-Kontingent bewerben, um den Arbeitsmarkt mit ihrer Vielfalt zu bereichern.
Als ländliche Region müssen wir aufpassen, dass die Menschen nicht nur in Großstädte kommen, sondern auch in den Landkreis Bautzen beziehungsweise die Oberlausitz. Der Ausbau der Oberlausitz als Forschungsstandort kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten, siehe das Bauforschungszentrum „Living Art of Building“ oder das Forschungszentrum für Astrophysik. Es muss aber auch klar sein, dass wir die Menschen hier anständig behandeln, egal ob mit ausländischem oder deutschem Pass. Denn wenn sich auch deutsche Fachkräfte durch die gesellschaftlichen oder politischen Verhältnisse hier abgeschreckt fühlen, kommen selbst sie nicht.