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Wahlforum: Wer hat das beste Rezept für Bautzen?

Vier OB-Kandidaten, mehr als 300 Besucher, zwei Stunden Kommunalpolitik: So lief das Wahlforum von Sächsische.de und Theater Bautzen.

Von Miriam Schönbach
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Eine sachliche Kontroverse lieferten sich am Montagabend im Bautzener Theater die OB-Kandidaten Andreas Thronicker, Karsten Vogt, Andrea Kubank und Alexander Ahrens (v.l.)
Eine sachliche Kontroverse lieferten sich am Montagabend im Bautzener Theater die OB-Kandidaten Andreas Thronicker, Karsten Vogt, Andrea Kubank und Alexander Ahrens (v.l.) © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Die Entscheidung darüber, wer das beste Rezept für Bautzen hat, treffen die Wähler am 12. Juni. Einen Vorgeschmack gab es bereits am Montag beim Wahlforum der Sächsischen Zeitung und des Bautzener Theaters. Die vier OB-Kandidaten – drei Männer und eine Frau – stellten ihre Zutaten für das künftige Zusammenleben an der Spree vor. Zwei Stunden diskutierten Andrea Kubank, Bewerberin für die Linken, CDU-Herausforderer Karsten Vogt, der parteilose Einzelbewerber Andreas Thronicker und Amtsinhaber Alexander Ahrens (SPD) vor über 300 Zuschauern ihre Visionen mit ganz unterschiedlichen Diagnose- und Therapieansätzen.

Wird Bautzen abgehängt?

Ja, sagt Karsten Vogt, in Bautzen geht es nicht so richtig voran. „Wir bemerken, dass wir für die Mittel aus dem Strukturwandel Projekte eingereicht haben, die dort nicht hingehören und gleichzeitig Städte links und rechts von uns ein Stück weit vorbeigehen“, stellt er fest. Zusätzlich verliere die Stadt Einwohner ans Umland, weil es in Bautzen keine Baugrundstücke gebe.

CDU-Kandidat Karsten Vogt beklagt, dass andere Städte in Sachen Strukturwandelförderung an Bautzen vorbeiziehen.
CDU-Kandidat Karsten Vogt beklagt, dass andere Städte in Sachen Strukturwandelförderung an Bautzen vorbeiziehen. © SZ/Uwe Soeder

Andreas Thronicker teilt Vogts Einschätzung zum Strukturwandel. Nachholebedarf sieht auch Andrea Kubank beim Thema, wobei sie keinen Schuldigen ausmachen will. Das zähe Ringen um viele Entscheidungen begründet die 53-Jährige mit der Kluft zwischen Oberbürgermeister, Stadtrat und Verwaltung.

Der Amtsinhaber indes weist die Vorwürfe des Stillstands von sich. Die wichtigen Projekte wie Skaterpark und Gesundbrunnen-Spielplatz seien mit dem Stadtrat umgesetzt worden. „Beim Thema Strukturwandel arbeiten wir konzentriert an großen Projekten wie dem Logistikzentrum Süd. Das ist ein Projekt mit 120 Millionen Euro mit einem leistungsfähigen Gleisanschluss für Alstom, einer leistungsfähigen Straße-Schiene-Schnittstelle und einem interkommunalen Gewerbegebiet mit Doberschau-Gaußig“, sagt Alexander Ahrens.

Amtsinhaber Alexander Ahrens (SPD) weist den Vorwurf des Stillstands zurück.
Amtsinhaber Alexander Ahrens (SPD) weist den Vorwurf des Stillstands zurück. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen sei schuldenfrei und „weit weg davon, neue Schulden zu machen“. Die Görlitzer würden sich wundern, dass Bautzen trotz geringerer Einwohnerzahl eine stärke Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung habe, so der 56-Jährige.

Mitbewerber Andreas Thronicker regt diese Äußerung zu einem kurzen Statistik-Exkurs an: „Die Einwohnerzahl Bautzens ist beständig gesunken, das heißt, das gleiche Produkt wird durch weniger Leute geteilt, während in andere Regionen immer mehr Leute ziehen, ohne dass die Wirtschaft so schnell nachwachsen kann, wie in Dresden. Deshalb haben die Menschen dort weniger als wir.“

Wie umgehen mit den Corona-Demos?

Der 62-jährige Einzelbewerber wirbt um einen differenzierten Blick auf die Montags-Demonstranten – und distanziert sich zugleich von den „Schwarz-Weiß-Roten-Fahnenträgern“: „Ich weiß, dass ich auch von dort Unterschriften für meine Kandidatur bekommen habe. Ich werde mich ihnen aber nicht moralisch verpflichtet fühlen“, sagt er. „Als Diener der Stadt“ würde er gern mit Großprojekten, die jeder unterstützen kann, die Stadtgesellschaft wieder zusammenschließen.

Einzelbewerber Andreas Throniker wirbt um einen differenzierten Blick auf die Montags-Demonstranten.
Einzelbewerber Andreas Throniker wirbt um einen differenzierten Blick auf die Montags-Demonstranten. © SZ/Uwe Soeder

Klare Kante zeigt die linke Bewerberin Andrea Kubank. „Wir müssen uns von rechten Strukturen, Rassismus und Nationalismus abgrenzen.“ Der Protest gegen Impfgesetze, mit denen man nicht einverstanden sein müsse, rechtfertige nicht das Mitlaufen bei den Demonstrationen. Eine städtische Gemeinschaftsaufgabe sei aus ihrer Sicht, mehr Begegnungsmöglichkeiten, auch in den Stadtteilen, zu schaffen. Ein solches Miteinander könnte den Blick auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen verändern.

Zeigt klare Kante gegen Rassismus und rechte Strukturen: Linken-Kandidatin Andrea Kubank.
Zeigt klare Kante gegen Rassismus und rechte Strukturen: Linken-Kandidatin Andrea Kubank. © SZ/Uwe Soeder

Alexander Ahrens schließt weiter die Einladung der Mahnwache aus: „Den Organisatoren ist bekannt, dass gewaltbereite Rechtsextreme, die unser Gesellschaftssystem abschaffen wollen, wie die ,Freien Sachsen‘, dabei sind. Es wäre ein verheerendes Signal, sich dort hinzustellen und so zu tun, als wäre es in Ordnung“, sagt der Sozialdemokrat mit Blick auf seinen CDU-Mitbewerber, der sich mit den Organisatoren der Mahnwache getroffen hatte. Ahrens sagt, er denke nicht, dass ein Bautzen-Projekt wieder mehr Zusammenhalt hervorbringen würde. „Wir müssen aber daran arbeiten, dass Gesprächsprozesse bei der Einhaltung geltender Regeln nicht abreißen.“

Volles Haus: Über 300 Zuschauer verfolgten das Wahlforum, das durch die Sächsische Zeitung und das Deutsch-Sorbische Volkstheater organisiert wurde.
Volles Haus: Über 300 Zuschauer verfolgten das Wahlforum, das durch die Sächsische Zeitung und das Deutsch-Sorbische Volkstheater organisiert wurde. © SZ/Uwe Soeder

Differenzen könne man nicht wegfeiern, sagt Karsten Vogt. Er spricht sich für eine Wiederbelebung der Stadtteilgespräche und für eine neue Gesprächskultur in der Stadt aus. „Am Abend in der Maria-Martha-Kirche haben sich vor drei Jahren die Konflikte entladen. Daran wurde aber nicht weiter gearbeitet, um wieder ins Gespräch zu kommen.“ Seinen Auftritt Anfang Januar bei der Montagsdemonstration hat der 51-Jährige erneut als Deeskalationsangebot erklärt. „Es wurden Flasche und Steine auf die Polizei geworfen, Bengalos in der Stadt gezündet“, sagt er. Aufgrund dieser Grenzüberschreitungen habe er ein Gespräch mit den Organisatoren, Polizei und Gewerbetreibenden organisiert – mit dem Konsens, dass Gewalt kein Weg sein kann.

Wie stehen die Kandidaten zur Spreebrücke?

Andrea Kubank sieht in der Spreebrücke einen Mehrwert für Bautzen und spricht sich wie alle anderen Kandidaten für einen Bürgerentscheid zum Thema aus. „Je länger man sich mit dem Projekt befasst, desto mehr Chancen erkennt man“, sagt Alexander Ahrens. Aus Sicht von Andreas Thronicker braucht die Stadt eine solche Brücke nicht. Stattdessen wären schon die derzeitigen Planungskosten auf andere Projekte, denen das Geld gestrichen wurde, besser verteilt. Karsten Vogt spricht sich für einen Brücken-Bau in der mittelfristigen Stadt-Planung aus, denn für ihn habe zum Beispiel die Sanierung der Allende-Oberschule erstmal eine höhere Priorität.

Was soll auf dem Lauenareal geschehen?

Für das gesamte Lauenareal zeichnet sich nach Worten des Oberbürgermeisters eine große Lösung ab. „Das Sorbische Museum soll auf das Grundstück des ehemaligen Wendischen Hauses kommen, die anderen Institutionen auf die angrenzenden Flächen. Es sind aus Strukturmitteln 45 Millionen Euro zugesagt. Ich bin mir sicher, dass wir 2026/27 mit dem Bau beginnen können“, sagt er. Ein solcher Bau sei ein wichtiges Zeichen für die Stadt, waren sich auch die drei Mitbewerber einig.

Mehr Parkplätze oder mehr Radwege?

Große Einigkeit gab es unter den OB-Kandidaten auch beim Ausbau des Radverkehrs. Andrea Kubank will das bestehende Radverkehrskonzept aus dem Jahr 2014 umsetzen. Weniger Autos bedeuten mehr Lebensqualität, ist sich Alexander Ahrens sicher.

Bautzen fehlen Wohnungen - was tun?

Baugrundstücke lassen sich aus Sicht Karsten Vogts nur noch innerhalb der Stadt durch Verdichtung entwickeln. Er wirbt wie Andrea Kubank für den Kauf dieser Grundstücke durch die Stadt. „Wenn wir das dem privaten Sektor überlassen, steigt der Preis enorm. Das ist nicht mehr familienfreundlich.“ Aufgrund fehlender Flächen, meint Alexander Ahrens, könne man nicht alle am Wegziehen hindern. Andreas Thronicker dagegen sieht die Lösung in der Eingemeindung der Umland-Gemeinden.

Welche Vision haben Sie für Bautzen?

Sein Zukunfts-Bautzen ist für Andreas Thronicker eine Stadt der Wissenschaft und Forschung. Das Deutsche Zentrum für Astrophysik oder das Bauforschungszentrum „Lausitz Art of Building“ haben 1.500 Arbeitsplätze in der Stadt und 10.000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen. Alexander Ahrens will 2029 schon die ersten Gebäude am Lauenareal eingeweiht haben, der Kornmarkt wird für den Durchgangsverkehr geschlossen und die Brücke über die Spree da sein.

Eine Stadtgesellschaft mit gemeinschaftlichen Zielen ist Karsten Vogts Vision. „Wir sind eine lebenswerte Stadt für alle Generationen und haben mit dem Strukturwandel Arbeitsplätze geschaffen“, sagt er. Andrea Kubank will Bautzener halten und Weggezogene zurückholen und mit Bautzen wieder überregional eine Erfolgsgeschichte schreiben.

SZ-Redaktionsleiter Ulli Schönbach moderierte das Wahlforum mit den vier Bautzener OB-Kandidaten.
SZ-Redaktionsleiter Ulli Schönbach moderierte das Wahlforum mit den vier Bautzener OB-Kandidaten. © SZ/Uwe Soeder