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Corona: Protest-Autokorso durch Dresden

Noch immer sind selbst Hilfen aus 2020 nicht komplett bei den Gastronomen angekommen. Die wehren sich - und sorgen zeitweise für zähen Verkehr.

Von Julia Vollmer & Tim Ruben Weimer
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Ein Autokorso zum Landtag und zur Staatkanzlei sollte darauf aufmerksam, dass Gastronomen bisher nur einen Teil der Überbrückungshilfen ausgezahlt bekommen haben.
Ein Autokorso zum Landtag und zur Staatkanzlei sollte darauf aufmerksam, dass Gastronomen bisher nur einen Teil der Überbrückungshilfen ausgezahlt bekommen haben. © Christian Juppe

Dresden. Die Luft für Dresdens Gastronomen wird dünner. Mit einem Autokorso zum sächsischen Landtag und zur Staatskanzlei haben Restaurant- und Ladenbesitzer aus ganz Sachsen am Dienstagmorgen erneut auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Mehr als 80 Fahrzeuge rollten im Konvoi vom Metro-Großhandel über die Bremer Straße laut hupend vorbei am Landtag über die Albertbrücke zur Staatskanzlei, wo es ein weiteres Hupkonzert gab.

Am Terrassenufer bildete sich gegen 11.15 Uhr sehr zäh fließender Verkehr, auch auf der anderen Elbseite waren Kreuzungen wie der Carolaplatz waren für kurze Zeit lahmgelegt. Viele Teilnehmer hatten auf Plakate geschrieben, wie viel Prozent der versprochenen Zahlungen sie bisher erhalten hatten, und sich diese auf die Autos geklebt.

Auch Hansbert Otto vom Berghotel Steiger in Schneeberg hat sich am Autokorso durch Dresden beteiligt. Der 60-Jährige habe bisher nur 20 Prozent der Hilfen erhalten - das hat er sich auch auf sein Auto geklebt.
Auch Hansbert Otto vom Berghotel Steiger in Schneeberg hat sich am Autokorso durch Dresden beteiligt. Der 60-Jährige habe bisher nur 20 Prozent der Hilfen erhalten - das hat er sich auch auf sein Auto geklebt. © Christian Juppe

Auch große Unternehmen wie der Dresdner Lebensmittelgroßhändler TransGourmet waren mit Lkw dabei. "Wir beliefern Hotels und Gaststätten in ganz Deutschland und trotzdem sind bei uns 25 Prozent der Mitarbeiter in Kurzarbeit", sagt Fahrer Mario Fleischer.

"Wer soll das bis Ostern überstehen?"

"Man muss sich durchwurschteln", sagt Stephan Link von der Dresdner Gaststätte Oma, der mit seinem Oldtimer an der Demo teilnimmt. Er beschäftigt 28 Mitarbeiter, die er "wie bei einem Puzzle" mal hier und mal dort einsetzen muss. Link musste seine eigene Familie um Unterstützung bitten, "ohne die wären wir nicht durchgekommen."

Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin.
Gastronomen und Ladenbesitzer aus ganz Sachen tourten durch Dresden und wiesen auf die wenigen bisher erhaltenen Abschlagszahlungen hin. © Christian Juppe

"Wer soll das bis Ostern überstehen?", fragt auch Thomas Bräunig, Küchenchef der Palastecke. "Wir brauchen eine Ansage, ab wann es weitergeht."

"Bei uns arbeiten eben auch nur Leute mit Familie, die ihre Kinder jetzt homeschoolen müssen", sagt Michael Elsel, Chef der Kleinen Kantine. "Wir haben Geld in die Hand genommen, um Gastleitsysteme zu entwickeln und Plexiglaswände zu kaufen, aber von der Novemberhilfe haben wir bisher nur die Hälfte erhalten."

Hilferuf eines Dresdner Gastronomen bei Facebook

Mit der Aktion will die Gastronomie-Initiative "Leere Stühle" die Politik auffordern, eine zukunftsgerichtete Strategie zum Erhalt der Branche zu entwickeln. In einem Videogespräch mit Vertretern der Initiative hatte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erklärt, Öffnungen seien voraussichtlich nicht vor Ostern möglich.

Während bei den Gastronomen bisher nur Abschlagszahlungen der November- und Dezemberhilfe angekommen sind, müssen diese weiterhin Miete, Betriebs- und Personalkosten bezahlen. "Ich habe gestern einen Abschlag von 50 Prozent auf die Novemberhilfe bekommen", sagt die Betreiberin vom Dresdner "Schiesshaus", Ute Stöhr. Das decke gerade einmal 20 Prozent der Kosten.

Inhaber Frank Ollhoff (l.) und Küchenchef André Fröbel vom "Petit Frank".
Inhaber Frank Ollhoff (l.) und Küchenchef André Fröbel vom "Petit Frank". © René Meinig

Ein Dresdner Gastronom schrieb unterdessen einen Hilferuf bei Facebook. Es häufen sich die Hiobsbotschaften, so Frank Ollhoff, Betreiber des Petit Frank in Pieschen. "Es wurde gemeldet, dass die Überbrückungshilfe III, also die für die Gastro-Schließung im Januar, frühestens in der zweiten Hälfte Februar beantragt werden kann. Vor März ist also kein Geld da", ärgert er sich. Und auch die Auszahlung der November- und Dezemberhilfe verzögere sich nochmals. In beiden Fällen berufen sich die Behörden auf Softwareprobleme.

Für ihn bedeute das, schreibt Ollhoff: "Ich habe seit 2. November geschlossen, also seit mittlerweile zehn Wochen und vor Ostern gehe ich nicht von einer Öffnung aus." Mit dem Außer-Haus-Geschäft habe er nur rund zehn Prozent der sonstigen Einnahmen. Auf der anderen Seite stünden aber die normalen Ausgaben wie Personalkosten, Miete und Strom.

Seine Mitarbeiter habe er bis Anfang Januar nicht in Kurzarbeit geschickt. Und er selbst brauche ja auch noch Geld von seinen Einnahmen als Unternehmer. "Ich muss privat auch essen und Miete bezahlen." Der Frust ist groß. "Nun suche ich Motivation und meine Mitarbeiter sind jetzt doch in Kurzarbeit." Aber Ollhoff gibt nicht auf. Er werde immer am Freitag für seine Gäste da sein und das To-go-Menü kochen.

"Die Unternehmer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen"

Auch der Hotel-und Gaststättenverband Dehoga warnt vor den Folgen des Lockdowns und der fehlenden Hilfszahlungen vom Bund. "Viele Unternehmen haben noch immer keine Novemberhilfe erhalten. 71 Prozent der Gastronomen und Hoteliers in Sachsen bangen um ihre Existenz", so Dehoga-Chef Axel Klein.

Jeder fünfte Unternehmer erwäge sogar eine Betriebsaufgabe. Das seien die alarmierenden Ergebnisse einer aktuellen Dehoga-Umfrage. Von den seit Ende Oktober 2020 zugesagten Hilfen seien bei den Betrieben bisher nur Abschlagszahlungen und bei einigen noch nicht einmal diese angekommen.

"Die Unternehmer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen", sagt Klein. Die Betriebe hätten sich darauf verlassen, dass die versprochenen umsatzorientierten Hilfen nach Abzug des Kurzarbeitergeldes in voller Höhe fließen. Stattdessen erlebten sie jetzt, dass die Hilfen nur sehr schleppend gezahlt würden und aufgrund von Anrechnungen an anderer Stelle auch nicht im vollen Umfang ankämen, berichtet Klein. "Dies führt zu Verzweiflung und maximalem Frust bei den Betrieben."

Klein fordert deshalb mehr Tempo bei der Abwicklung der Hilfen. Nach den vorliegenden Ergebnissen hat über ein Viertel der befragten Unternehmen noch keine Abschlagszahlungen von den Novemberhilfen erhalten. Laut der Dehoga-Umfrage verzeichneten die Betriebe von März bis Dezember Umsatzeinbußen von 41 Prozent.

Nach Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie seien bei der Abschlagszahlung der Novemberhilfen bisher über 302.000 Anträge mit einem Fördervolumen von rund 4,68 Milliarden Euro eingegangen. Davon seien gut 1,78 Milliarden bereits ausgezahlt worden. Die Zahlung laufe seit dem 27. November.

Bei der Abschlagszahlung der Dezemberhilfen, die seit 5. Januar laufe, gingen laut Ministerium bisher über 184.000 Anträge mit einem Fördervolumen in Höhe von rund 2,77 Milliarden Euro ein. Davon seien bisher gut 986 Millionen ausgezahlt worden.

Bei der regulären Auszahlung der Novemberhilfen durch die Länder seien seit 12. Januar bisher knapp 170 Millionen Euro geflossen.

Gastronomen geben das To-go-Geschäft wieder auf

Immer mehr Gastronomen in Dresden geben jetzt auch den Lieferdienst und das To-go-Geschäft auf. "Leider müssen wir unseren in den letzten 10 Wochen angebotenen Abholservice mit sofortiger Wirkung einstellen", erklären Maik und Janet Kosiol, die das Kitzo Alpenstüberl betreiben. Nach langen Überlegungen seien sie zu dem Schluss kommen, dass es betriebswirtschaftlich keinen Sinn mache.

Auch das Wenzel an der Königstraße gab das Außer-Haus-Angebot und damit auch den Lieferdienst auf - es bleibt während des Lockdowns komplett geschlossen. "Leider ist das To-go-Geschäft nicht so gewachsen, wie wir hofften – obwohl wir mit unserer Gans zum fixen Zubereiten daheim zuletzt ein stark nachgefragtes Produkt angeboten haben. Doch es reicht einfach nicht", erklärte Benjamin Hamm, Leiter in der Königstraße. Wenn sie überleben wollten, müssten sie schließen.

Auf Sächsische.de möchten wir ganz unterschiedliche Erfahrungsberichte von Corona-Infizierten aus Dresden teilen. Wenn Sie die Erkrankung bereits überstanden haben und uns davon erzählen möchten, schreiben Sie uns an sz.dresden@sächsische.de.

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