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Wie sinnvoll ist die Corona-Impfung für Kinder?

Der Vorsitzende der Sächsischen Impfkommission über neue Studien zu Minderjährigen und die Frage, wann Erwachsene die Auffrischung brauchen.

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Ein Mädchen wird in einer Arztpraxis mit dem Serum von Biontech/Pfizer geimpft. Die Empfehlung, alle Menschen in Deutschland ab 12 Jahren gegen das Coronavirus zu impfen, gibt es bisher nur in Sachsen.
Ein Mädchen wird in einer Arztpraxis mit dem Serum von Biontech/Pfizer geimpft. Die Empfehlung, alle Menschen in Deutschland ab 12 Jahren gegen das Coronavirus zu impfen, gibt es bisher nur in Sachsen. © dpa/Oliver Berg

Das Thema ist inzwischen zum Politikum geworden: Während sich die Gesundheitsminister der Länder am Montag für die uneingeschränkte Corona-Schutzimpfung aller Kinder bereits ab zwölf Jahren aussprachen, zögert die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut noch mit einer Stellungnahme.

Dabei hatte bereits am Freitag die Sächsische Impfkommission (Siko) eine solche Empfehlung ausgesprochen. Es ist die einzige Impfkommission auf Länderebene, Vorsitzender ist der Chemnitzer Mediziner Dr. Thomas Grünewald.

Herr Dr. Grünewald, die Sächsische Impfkommission empfiehlt eine Corona-Schutzimpfung ab zwölf Jahren – und zwar für alle Kinder und Jugendlichen. Warum?

Wir haben die Daten aus Ländern gesichtet, wo solche Impfungen bereits seit Längerem stattfinden. Im Ergebnis der Nutzen-Risiko-Bewertung haben wir festgestellt, dass der individuelle Vorteil einer Impfung die Nachteile eindeutig überwiegt.

Studien aus den USA und aus Israel weisen bei den jungen Geimpften auf eine erhöhte Zahl von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen hin, insbesondere bei Jungen.

Wir wissen um diese Nebenwirkungen und haben in unserer Empfehlung auch darauf hingewiesen. Man muss die Zahlen aber ins Verhältnis zu den Risiken setzen, die eine Infektion für die betroffene Altersgruppe mit sich bringt. Und das spricht für die Schutzimpfung.

Wie viele Fälle wurden dabei überhaupt untersucht?

Allein in den USA sind 6,1 Millionen Impfungen ausgewertet worden. Dazu kommen ähnliche Erkenntnisse aus Israel. Auch in Italien, Frankreich und der Schweiz gibt es bereits gute Erfahrungen mit der Impfung in dieser Altersgruppe. Die Daten aus den USA und Israel sind sehr belastbar und gründlich aufgearbeitet. In Deutschland läuft die Meldepflicht sehr formalisiert ab. Da ist noch Luft nach oben. Wir haben in unseren Empfehlungen auch schon wiederholt die impfenden Ärztinnen und Ärzte aufgefordert, Verdachtsfälle von ungewöhnlichen und schwerwiegenden Impfreaktionen großzügig zu melden. Es besteht hier sogar eine gesetzliche Pflicht der Meldung.

Die Ständige Impfkommission am RKI überzeugen die internationalen Daten offenbar noch nicht. Haben Sie etwa bessere Informationen?

Man kann eine Sache immer von zwei Seiten betrachten. Für die einen ist das Glas halb voll, für die anderen halb leer. Auch in der Medizin ist es ganz normal, dass Daten unterschiedlich interpretiert werden. Das ist eine Form des wissenschaftlichen Diskurses und keine Konfrontation.

Wie erklären Sie sich aber die unterschiedliche Bewertung derselben Daten?

Die Daten lassen Raum für unterschiedliche Interpretationen. Wir sind nach gründlicher Sichtung und Diskussion in der Kommission zu unserer Empfehlung gelangt. Es gibt keinen Königsweg, um zum Ziel zu gelangen. Man muss auch wissen, dass unsere Empfehlungen für Fachleute geschrieben sind. Der öffentliche Diskurs, wie er jetzt läuft, wird ja auch von vielen geführt, die nicht so tief in der Materie stecken. Dieses Problem hatten wir bereits bei der Diskussion um den Impfstoff von Astrazeneca.

Dr. Thomas Grünewald ist Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission und leitet die Klinik für Infektionsmedizin am Klinikum Chemnitz.
Dr. Thomas Grünewald ist Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission und leitet die Klinik für Infektionsmedizin am Klinikum Chemnitz. © Klinikum Chemnitz

Steht die gesamte Sächsische Impfkommission hinter der Empfehlung oder gab es auch abweichende Meinungen?

Grundsätzlich sind unsere Beratungen intern. Aber ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern, dass wir unsere Beschlüsse immer im Konsens treffen.

Welche Empfehlung ist für Ärzte überhaupt maßgeblich – die der Impfkommission des Bundes, des Landes oder die der Gesundheitsminister?

Nach den gesetzlichen Vorgaben ist es für die Ärzte in Sachsen die Empfehlung der Sächsischen Impfkommission. Die Empfehlung ist aber eben nur eine Empfehlung, sie ist nicht bindend. Das heißt, die Entscheidung fällt immer der impfende Arzt, der – im Rahmen der Zulassung – gemeinsam mit dem Patienten und bei Minderjährigen auch mit den Erziehungsberechtigten die Indikation stellt und die Impfung durchführt.

Welche Bedeutung hat dann der Beschluss der Gesundheitsminister?

Die Minister planen das weitere Vorgehen in der Impfkampagne. Insofern spielt natürlich auch die Meinungsbildung der Politik in Bezug auf bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Rolle.