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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Neue Details zu Telegram-Chatgruppe +++ Wanderwitz will AfD-Verbot +++ Omikron-Welle wohl in "zwei bis drei Wochen" +++ Grüne wollen Kultur aufwerten

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Nach Mordplänen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer hatten Polizisten Mitte Dezember eine Razzia gegen mehrere Mitglieder einer Telegram-Chatgruppe durchgeführt. Nun gibt es neue Details über deren Pläne.
Nach Mordplänen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer hatten Polizisten Mitte Dezember eine Razzia gegen mehrere Mitglieder einer Telegram-Chatgruppe durchgeführt. Nun gibt es neue Details über deren Pläne. © dpa-Zentralbild

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Guten Morgen,

wenn es heute bei der abschließenden Kabinettsberatung der neuen Corona-Regeln zu leichten Dissonanzen zwischen CDU, Grüne und SPD kommen sollte, dann wissen wir seit gestern ganz genau, woran es liegt. Die Koalitionspartner - um genauer zu sein: die CDU - befindet sich derzeit in der "Findungsphase". Diese hilfreiche Diagnose hat Umweltminister und Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther gestern öffentlich gemacht.

Was in der ersten Sekunde wie eine Art parteipolitische Pubertätsphase klingt, ist auf den zweiten Blick ein ernsthaftes, ausgewachsenes politisches Problem. Die CDU müsse nach der Bundestagswahl auch in Sachsen erst noch ihre Rolle als Oppositionspartei auf Bundesebene finden, ätzte Günther gegen den Koalitionspartner. Gemeint war aber wohl – natürlich namentlich unerwähnt – Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der hatte Grüne und SPD am vergangenen Donnerstag völlig überrumpelt, als er ohne vorherige Ankündigung mit noch nicht endabgestimmten Details der neuen Corona-Verordnung an die Öffentlichkeit drängte. Hatte SPD-Vize-Regierungschef Martin Dulig das unabgestimmte Vorpreschen Kretschmers schon am Wochenende scharf kritisiert, legte Günther nun nach. Durch fehlende Abstimmung sei "Unsicherheit entstanden. Das braucht das Land angesichts der nahenden Omikron-Welle nicht", sagte Günther der Nachrichtenagentur dpa.

Doch man könnte sich beim Wort "Findungsphase" sogar noch tiefer in psychotherapeutische Deutungswelten vorwagen. Da erweist sich das Fünf-Phasen-Modell für eine gelungene Liebesbeziehung des Paartherapeuten Roland Weber als durchaus hilfreich. Demnach durchlebt jede Partnerschaft fünf Phasen. In der ersten Phase herrscht noch die Verliebtheit vor – nun, das mag noch bis kurz nach der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag vor mehr als zwei Jahren so gewesen sein. Denn in der zweiten Phase ist die Verliebtheit bereits weg – daran erinnern sich politische Beobachter auch noch sehr genau. In Phase 3 werden dann die Gegensätze des Partners bekämpft – ja, an die ein oder anderen kleineren, aber klaren Rumkritteleien am anderen dürften sich die Koalitionspartner auch noch erinnern. In Phase 4 setzt dann eben diese "Findungsphase" ein, die Minister Günther womöglich gemeint haben könnte. "Das Ich, Du und wir", heißt es im Therapie-Handbuch. Ob CDU, Grüne und SPD aber jemals in Phase 5 ankommen, würde ich deutlich bezweifeln. Sie ist umschrieben mit: "Du bist mein Zuhause".

Und dafür kann es wohl nicht nur diesen Grund geben: Das Fünf-Phasen-Modell ist für Paar-Beziehungen gedacht, nicht aber für Dreiecks-Beziehungen.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de


Die wichtigsten News am Morgen

+++ Telegram-Gruppe wollte auch Polizisten angreifen +++

Nach den Mordplänen gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sind neue Details aus der Telegram-Chatgruppe "Dresden Offlinevernetzung" bekannt geworden. Laut eines neuen Berichts von ZDF Frontal wollten Teilnehmer des Chats auch Polizisten mit einem Messer angreifen und zustechen - womöglich, während die Beamten Demonstrationen absichern. Offenbar fürchtete der mutmaßliche Anführer, eines Tages könnte ein Impfteam vor seiner Tür stehen. Im Chat der Gruppe schrieb er: "Da schießen wir halt die Typen weg, wenn sie dann vor der Türe stehen. Ich werde meine Knarre jetzt modifizieren lassen." Den Recherchen zufolge war auch ein Vertreter eines weltweiten Neonazi-Netzwerks Mitglied in der Dresdner Chat-Gruppe.

Mitte Dezember hatte das Landeskriminalamt fünf Wohnungen und die Arbeitsstelle eines der Verdächtigen durchsucht, um Beweise zu sichern. Im Podcast von sächsische.de haben die beiden Frontal-Journalisten Arndt Ginzel und Henrik Merker über ihre Recherche gesprochen.

+++ Wanderwitz fordert AfD-Verbot +++

Der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), spricht sich für ein Verbot der AfD aus. Das berichtet die Freie Presse. "Die Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist groß. Deshalb bin ich für die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen diese Partei", wird Wanderwitz zitiert. Der sächsische Bundestagsabgeordnete spricht von "Niedertracht und Boshaftigkeit", mit der die gerade in Sachsen erstarkten Rechtspopulisten die "sogenannten Montags-Spaziergänge für ihre Zwecke ausnutzen."

+++ Omikron-Welle "in zwei bis drei Wochen" +++

Die Coronavirus-Variante Omikron wird in Sachsen bald zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen führen. Das prognostiziert der Mathematiker und Modellierer Kristan Schneider von der Hochschule Mittweida im Podcast-Gespräch von sächsische.de. Dass man im Norden Deutschlands gegenwärtig eine stärkere Verbreitung von Omikron als in Sachsen sehe, habe verschiedene Gründe. "Einer ist, dass in Sachsen wegen einer vergleichsweise geringeren Impfquote zurzeit anteilig mehr Menschen unter kontaktbeschränkenden Maßnahmen leben müssen." Der Prognose des Mathematikers zufolge wirke dieser Effekt zwar bremsend, aber nicht verhindernd. "Wenn Omikron einmal in Sachsen dominierend sein wird, steigen auch hier die Zahlen." Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt derweil unter Berufung auf eine Hochrechnung davor, dass sich in zwei Monaten schon über die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infiziert haben könnten.

Doch wann genau kommt die befürchtete Omikron-Welle in Sachsen an? Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) rechnet in zwei Wochen damit. "Meine Prognose ist, dass wir spätestens Ende Januar sehr viele Viruseinträge in den Familien, Freundeskreisen, Nachbarschaften und an den Arbeitsplätzen haben werden." Sie geht von weitreichenden Folgen auch für die Arbeit der Stadtverwaltung aus. 40 bis 50 Prozent der Kolleginnen und Kollegen könnten aufgrund von Infektion, Erkrankung und Quarantäne ausfallen. "Insofern laufen hinter den Kulissen Vorbereitungen", sagt sie im Interview mit sächsische.de.

Auch das Gesundheitsministerium erwartet höhere Fallzahlen in den nächsten zwei bis drei Wochen. Momentan verzögere sich die Ausbreitung noch – im Vergleich zu anderen Bundesländern. "Omikron wird aber auch bei uns bald dominant sein, das sehe ich in der täglichen Arbeit an unserem Institut", sagt der Leipziger Infektionsepidemiologe Christian Jassoy. In den Großstädten dürften die Fallzahlen zuerst markant steigen. Sächsische.de beantwortet die wichtigsten Fragen zur Omikron-Ausbreitung in Sachsen.

+++ Grüne: Kultur mit Restaurants gleichstellen +++

Die Grünen im Landtag wollen der Kulturbranche zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. In einem Positionspapier, das saechsische.de vorliegt, fordert die Fraktion eine "stärker vorausschauende" kulturpolitische Strategie von Sachsens Staatsregierung, an der die Partei als Koalitionspartner beteiligt ist. Dazu zähle die Kommunikation, dass die Angebote noch "lange Zeit eingeschränkt sein" und daher "tragfähige Lösungen für den Erhalt gesucht werden". In künftigen Verordnungen dürfe Kultur nicht als entbehrliche Freizeitbeschäftigung eingruppiert werden. Sie müsse Gastronomie und Einzelhandel gleichgestellt werden, fordern die Grünen mit Blick auf geöffnete Restaurants und Läden. Verzichtet werden soll auf pauschale Schließungen.

Derweil haben mehr als 30 Dresdner Kultureinrichtungen die mit der geplanten Wiedereröffnung verbundenen Corona-Auflagen kritisiert. Wenn die Regierung "mit Verweis auf eine Minderheit der Ungeimpften begründet, warum alle Kultureinrichtungen erneut unter dem Vorbehalt der Schließung stehen, wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen", heißt es in einem am Dienstag publizierten offenen Brief. Die Unterzeichner des Briefes, darunter die Intendanten von Semperoper, Staatsschauspiel, Philharmonie und den Musikfestspielen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet unter anderem. Saechsische.de fasst zusammen, welche Kultur- und Freizeiteinrichtungen bereits am Wochenende besucht werden können.

Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, will die Landesregierung für die Kultur kurzfristig ein Hilfsprogramm über 30 Millionen Euro auflegen. Wie das Geld verteilt wird, ist aber noch unklar.


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