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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

Massive Kritik in Impfpflicht + Dresdens Oberbürgermeister im Podcast + Wöller streicht Aussage zur AfD + Otte spenden 20.000 Euro an Görlitzer AfD

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Etwa ein Drittel der Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen sind noch nicht geimpft oder genesen. Die Landräte fordern jetzt ein Aussetzen der Impfpflicht.
Etwa ein Drittel der Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen sind noch nicht geimpft oder genesen. Die Landräte fordern jetzt ein Aussetzen der Impfpflicht. © dpa

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Guten Morgen,

so etwas gibt es äußerst selten. Dass sich Sachsens Landräte, wie gestern geschehen, geschlossen gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz aussprechen und dessen Aussetzung verlangen, ist ein deutliches Zeichen. Das Handeln der Landräte in Sachen berufsbezogener Impfpflicht lässt sich dabei nur bedingt mit politischer Taktiererei erklären. In neun von zehn Landkreisen stehen im Sommer Landratswahlen an. Dem unzufriedenen Wahlvolk öffentlich klarzumachen, dass man selbst nicht mit den Regelungen einverstanden ist, gehört dazu. Es gibt aber darüber hinaus einfach zu viele "klare handwerkliche Fehler", wie es Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert im Podcast-Gespräch von sächsische.de formuliert.

Ob es nun tatsächlich zu der Aussetzung kommt, ist jetzt gar nicht mehr so entscheidend. Das Gesetz wurde ja bereits in den vergangenen Tagen ausgehöhlt. Mehrfach hat Gesundheitsheitsministerin Petra Köpping betont, dass die Versorgungssicherheit in den Pflegeheimen über der Durchsetzung der Impfpflicht steht. Bei der Formulierung des Gesetzes hat sich, so der Eindruck, niemand ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, was die Konsequenzen wären, wenn am 15. März immer noch eine große Anzahl an Beschäftigten in der Gesundheitsbranche ungeimpft ist. Es gibt gewissermaßen keinen Plan B.

Dieses Desaster hat auch Folgen für die allgemeine Impfpflicht, die der Bundestag demnächst diskutieren will. Wenn es schon bei der "kleinen" Impfpflicht nicht klappt, wie soll es dann erst bei der "großen" Impfpflicht werden?

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen

+++ Landräte fordern Aussetzen der Impfpflicht +++

Nur zwei Drittel der Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder genesen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums liegt die Impfquote sachsenweit bei 65,7 Prozent. Insgesamt meldeten die Landkreise und kreisfreien Städte etwa 40.000 Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheime, Wohnpflegeheime, Kurzzeitpflege, Wachkomaversorgung, Intensiv-Pflege und Hospizen. Für sie gilt ab 16. März die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Bei den Impfquoten gibt es regionale Unterschiede. In Leipzig sind 83,6 Prozent der Pfleger in vollstationären Pflegeheimen geimpft. Die niedrigste Impfquote meldete der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 53,2 Prozent. Durch die Impfpflicht für Pflegekräfte sehen die Betreiber von stationären Pflegeheime in Sachsen teilweise die Versorgungssicherheit in ihren Einrichtungen gefährdet, ergab eine Abfrage von saechsische.de. Allein in der Oberlausitz haben sich rund tausend Pflegekräfte arbeitssuchend gemeldet - obwohl sie einen Job haben.

Sachsens Landräte haben unter anderem deswegen eine Aussetzung der Impfpflicht gefordert. Nach einem Treffen mit Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Mittwoch seien "nach wie vor zahlreiche Fragen zur Umsetzung des Gesetzes ungeklärt", heißt es in einer Mitteilung. Die Anstrengungen für einen möglichst umfassenden Impfschutz seien zweifellos richtig, sagte Frank Vogel, der Landrat des Erzgebirges und Präsident des Landkreistages. Doch die Impfpflicht sei von der aktuellen Entwicklung eingeholt worden. So schütze die Impfung zwar vor schweren Krankheitsverläufen, jedoch nicht vor einer Ansteckung.

Auch der sächsische Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner lehnt die Impfpflicht im Gesundheitsbereich zum derzeitigen Zeitpunkt ab. "Ich habe die Diskussion im Gesundheitswesen aufmerksam verfolgt und schließe mich der Forderung der sächsischen Landräte an, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen", erklärte er am Donnerstag laut Mitteilung. Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) hat sich derweil in einem Schreiben an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gegen die allgemeine Impfpflicht ausgesprochen.

+++ Hilbert sieht "klare handwerkliche Fehler" +++

Der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert kritisiert die Einführung der Impfpflicht für Pflegekräfte ab Mitte März scharf. "Das sind klare handwerkliche Fehler, die auch zu erwarten und sichtbar waren. Zu viel ist bis heute - sechs Wochen vor Start - noch nicht geklärt", warnt Hilbert im Podcast "Politik in Sachsen". Er rechne damit, dass allein auf das Dresdner Gesundheitsamt rund 12.000 bis 14.000 Anträge von Ungeimpften zur Prüfung zukommen werden, die dann in einem rechtssicheren Einzelfall-Verfahren bewertet werden müssen. "Mehr muss ich, glaube ich, nicht sagen", so Hilbert. Er fordert die Bundesebene auf, das Thema erneut zu diskutieren. "Das wir das Gesetz in den Kommunen umzusetzen haben, ist keine Frage. Darauf haben wir unseren Eid geleistet."

+++ Wöller passt Aussage zu AfD an +++

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat, nachdem die AfD rechtliche Schritte angekündigt hat, eine Aussage über die Partei korrigiert. Wöller hatte am Dienstag mit seinem Thüringer Amtskollegen Georg Maier (SPD) eine Erklärung zum Umgang mit demokratiefeindlichen Corona-Protesten abgegeben. Beide Minister appellierten an Demonstrierende, sich nicht vor den Karren beispielsweise der AfD oder der rechtsextremen "Freien Sachsen" spannen zu lassen. In der Korrektur der Meldung wurden AfD und "Freie Sachsen" nicht mehr namentlich erwähnt. Die AfD hatte Wöller zuvor einen Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot vorgeworfen. Die Partei sah sich zu Unrecht in eine Ecke mit Rechtsextremisten gestellt. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, will Wöller das Statement allerdings nicht, wie von der AfD gefordert, komplett löschen.

+++ Otte spendet 20.000 Euro an Görlitzer AfD +++

Die Bundestagswahl hat den Parteien in Sachsen im vergangenen Jahr mehr Spenden beschert. Beim SPD-Landesverband etwa stieg das Volumen auf rund 32.700 Euro - im Vergleich zu knapp 19.000 Euro im Jahr zuvor, wie der Landesverband auf Anfrage mitteilte. Dennoch reichten die Einnahmen der Landesparteien nicht an das Jahr 2019 heran, als sie um Spenden für den sächsischen Landtagswahlkampf warben. Die CDU erhielt nach Angaben eines Sprechers im vergangenen Jahr ebenfalls mehr Spenden, das entspreche dem üblichen Anstieg des Spendenaufkommens. Konkrete Angaben zur Höhe der Zahlungen machte der Landesverband nicht.

Politisch heikel ist eine Spende des früheren Vorsitzenden der erzkonservativen Werte-Union, Max Otte, an den AfD-Kreisverband im sächsischen Görlitz kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr. 20.000 Euro spendete der CDU-Politiker, der für die AfD bei der Wahl des Bundespräsidenten antritt. "Ich wollte die aus meiner Sicht bürgerlichen Kräfte unterstützen", sagte Otte am Donnerstag zur Begründung der Zahlung. Spekuliert wird aber auch, ob sich Otte damit die Gunst von AfD-Chef Tino Chrupalla erkauft hat. Weitere Hintergründe dazu auf tagesschau.de.


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