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Dresdner OB: "Antisemitismus darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben"

Oberbürgermeister Dirk Hilbert verurteilte bei der Gedenkveranstaltung an der Synagoge in Dresden den Terror der Hamas. Dort wurde auch berichtet, dass Juden in Dresden Angst vor Übergriffen haben.

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert sagte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert sagte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. © Matthias Rietschel

Dresden. Vor der Synagoge am Hasenberg fand an diesem Donnerstag die Gedenkveranstaltung für die Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938 statt. In der verheerenden Nacht in der Nazi-Zeit wurde die damalige Synagoge an der Stelle abgebrannt. Aber auch heute müssen sich Juden in Dresden wieder verstecken, berichtet Uwe Kuhnt. Er ist der Assistent des Rabbiners der Orthodoxen Jüdischen Gemeinde in Dresden.

An der traditionellen Gedenkveranstaltung am Hasenberg nahmen Vertreter aller drei jüdischen Gemeinden in Dresden teil. Das ist nicht selbstverständlich, weil es Auseinandersetzungen um die Anerkennung untereinander gibt, da eigentlich das System der Einheitsgemeinde gilt. Mittlerweile hat Dresden aber auch drei Synagogen. Das merkte auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in seinem Grußwort positiv an: "Ich bin dankbar, dass alle drei Dresdner Jüdische Gemeinden vertreten sind."

Dass es nicht nur um die Pogrome von vor 85 Jahren ging, war angesichts des Krieges in Nahost vorher klar. OB Hilbert verurteilte den Angriff der Hamas auf Israel. "Der furchtbare, heimtückische Anschlag der Hamas in Israel zeigt ganz deutlich, dass das Leben der Jüdinnen und Juden immer wieder bedroht wird", sagte er. "Nun wird das Existenzrecht Israels erneut infrage gestellt. Deshalb möchte ich heute noch einmal betonen: Israel hat ein legitimes Recht – auch auf Selbstverteidigung."

Die Polizei sicherte die Gedenkveranstaltung an der Synagoge in Dresden mit Zufahrtsperren.
Die Polizei sicherte die Gedenkveranstaltung an der Synagoge in Dresden mit Zufahrtsperren. © Matthias Rietschel
Kränze wurden zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht niedergelegt.
Kränze wurden zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht niedergelegt. © Matthias Rietschel
Eine Teilnehmerin macht mit einem Plakat darauf aufmerksam, dass es der 85. Jahrestag ist.
Eine Teilnehmerin macht mit einem Plakat darauf aufmerksam, dass es der 85. Jahrestag ist. © Matthias Rietschel
Auf dem Theaterplatz fand die Aktion - nie wieder ist jetzt - statt.
Auf dem Theaterplatz fand die Aktion - nie wieder ist jetzt - statt. © privat

Gleichzeitig mahnte Hilbert, dass sich Antisemitismus auch in Deutschland wieder verbreite. "Der Terroranschlag der Hamas und die Wunden, die er verursacht hat, mahnen uns, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben darf. Ich bin froh, dass Jüdinnen und Juden nach den schrecklichen Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus in unserer Stadt wieder ein Zuhause gefunden haben. Nun sind wir alle gefordert, dass das so bleibt", sagte er.

Er sorge sich um die Sicherheit der jüdischen Mitbürger, weil jüdische Gemeinden "weltweit Zielscheibe antisemitischer Angriffe sind". Auch das Umfeld der Synagoge in Dresden wurde vorher eine Art Hochsicherheitsbereich; mit Zufahrtssperren um das gesamte Areal und vielen Polizeibeamten, die präsent waren.

Auch Dresdner Juden fühlen sich unsicher

Auch in Dresden fühlen sich Juden wieder unsicher, berichtete Kuhnt: "Juden in Dresden müssen ihre Identität verbergen, sie tragen auf der Straße keine Kippa mehr und bleiben aus Angst Zuhause, statt für Gottesdienste und Gebete in die Synagoge zu gehen."

Kuhnt bezeichnete auch den Terror der Hamas als Pogrom und der Hass gegen Juden sei auch in seiner Gemeinde angekommen. "Wir haben eine Mail mit Hakenkreuzen erhalten. Es ist eine Schande, dass Juden sich wieder verstecken müssen. Es ist Zeit zu handeln - auch durch die Bundesregierung, den Antisemitismus von rechts und links entschieden zu bekämpfen." Dennoch sei er dankbar für die Unterstützung von Land, Stadt und den Sicherheitsbehörden, sodass Dresden ein "relativ sicherer Hafen" sei, so Kuhnt.

Neustädter Rabbiner findet deutliche Worte

Ekaterina Kulakova, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, erklärte: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass unsere schlimmsten Befürchtungen sich bestätigt haben." Sie fürchte, dass sich die Geschichte der Judenverfolgung fortsetze. Und zwar nicht nur aktuell in Israel, sondern dass sich der Antisemitismus generell weiter verbreite. "Wie kann es sein, dass jüdische Einrichtungen so geschützt werden müssen?", fragte sie mit Blick auf die Synagoge am Hasenberg.

Akiva Weingarten, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Dresden-Neustadt, bezeichnete den Umstand, dass Juden wieder mit Antisemitismus konfrontiert werden, als "Auslöschen der Menschlichkeit". Er sagte: "Ich hoffe, dass wir alle zusammen eine Zukunft aufbauen, in der sich so etwas nie wiederholt - eine Welt, in der alle in Frieden leben."

Aktion am Theaterplatz erinnert an Geiseln

Die Dresdner Kultureinrichtungen haben indes mit ihrer Initiative Weltoffenes Dresden (WOD) eine spezielle Installation vorbereitet. Die Gedenkaktion haben sie in Kooperation mit dem Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen und dem Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden durchgeführt.

Leere Stühle und ein großes Schild mit der Aufschrift "Nie wieder ist jetzt" standen am Abend auf dem Theaterplatz. Die temporäre Installation knüpft an die Kampagne "Kidnapped from Israel" an, die größtmögliche Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Hamas-Geiseln aus Israel richten will und so den Druck auf die Verhandlungspartner zur schnellstmöglichen Freilassung erhöhen soll. "Der Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel erschüttert uns zutiefst", erklärt die Initiative WOD. "Wir sind in Gedanken bei den Opfern der feigen Gewalttaten, bei ihren Angehörigen und bei allen, die derzeit um ihre Zukunft bangen."