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DDR-Geschichte: Doch kein Straßenname für SED-Funktionärin aus Dresden?

Die Künstlerin Lea Grundig ist vor fast 46 Jahren gestorben. Dennoch steht sie im Zentrum einer politischen Debatte. Es geht um die Benennung einer Straße nach ihr. Dazu gibt es nun einen neuen Vorschlag.

Von Andreas Weller
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1967 eröffnete Lea Grundig die VI. Deutsche Kunstausstellung in Dresden mit prominenten DDR-Politikern.
1967 eröffnete Lea Grundig die VI. Deutsche Kunstausstellung in Dresden mit prominenten DDR-Politikern. © ZB/Hans-Joachim Spremberg

Dresden. Seit Monaten wird darüber diskutiert, ob in Dresden eine Straße nach Lea Grundig benannt wird. Die jüdische Künstlerin wurde von den Nazis verfolgt, aber in der DDR machte sie politische Karriere, wurde Vorsitzende des Verbands Bildender Künstler der DDR und Mitglied im Zentralkomitee der SED.

Heute scheiden sich die Geister an der Frage, ob sie ihre Stellung möglicherweise missbraucht hat. Auch Wissenschaftler konnten das bislang weder bestätigen noch dementieren. Klar ist nur, Lea Grundig und ihr Mann Hans haben auch für die Stasi gearbeitet. Deshalb wird vehement gefordert, sie nicht mit einer Straße zu würdigen.

Was sind die Bedenken gegen die Benennung?

Los ging die Debatte im April 2023. Der Stadtbezirksbeirat Altstadt kann den Namen für die Straße zwischen dem Käthe-Kollwitz-Ufer und der Florian-Geyer-Straße, an der neu gebaute Häuser stehen, vorschlagen. Das ist in Dresden übliche Praxis, der Stadtrat entscheidet dann final darüber.

Das Votum des Beirates fiel auf den Namen von Lea Grundig. Eine Stellungnahme der zuständigen AG Straßennamen sorgte dann für Wirbel. Mitglied der AG und Kurator im Dresdner Stadtmuseum, Holger Starke, hat diese verfasst und rät von der Benennung nach Grundig ab.

Starke rät, abzuwarten, bis Lea Grundigs Wirken in der DDR besser erforscht ist. Unstrittig ist die Zeit vor Gründung der DDR - Lea Grundig wurde unter dem Hitler-Regime als Jüdin und Kommunistin verfolgt, sie erhielt 1935 ein Ausstellungsverbot, und ihre Kunstwerke wurden als "entartet" diffamiert. Später wurde sie wegen Mitgliedschaft in kommunistischen Organisationen verhaftet.

Grundig gelang es, zu fliehen, sie lebte in Flüchtlingslagern und kehrte später nach Dresden zurück. In der DDR machte sie Karriere. Starke hat Bedenken, weil er eine Politik rehabilitiert sehen könnte, "mit der es der SED - unter maßgeblicher Mitwirkung Grundigs - lange Zeit gelungen ist, die Künste recht erfolgreich zu kanalisieren".

Was steht im Gutachten?

Dresdens Kulturbürgermeister Annekatrin Klepsch (Linke) sieht hingegen die Gefahr, "dass im Jahr 90 nach dem Beginn der NS-Diktatur die Person Lea Grundig ein weiteres Mal Opfer einer politischen Auseinandersetzung in der öffentlichen Debatte wird". Zur Klärung hat Klepsch ein Gutachten zu Grundig in der DDR an der Universität Halle-Wittenberg beauftragt. Zwei Historikerinnen haben sich der Sache gewidmet.

Allerdings ist auch ihr Ergebnis nicht eindeutig. Die Wissenschaftlerinnen fanden heraus, dass Lea Grund und ihr Mann Hans "geheimer Informator" der Stasi waren. Die Gutachterinnen schreiben, dass es "Zuschreibungen wie 'SED-Hardlinerin' und 'staatstreue Funktionärin' gab. Zuschreibungen, die einerseits berechtigt sind, andererseits zahlreiche anderen Facetten ihrer Persönlichkeit wie ihre jüdische Herkunft und ihre Erfahrungen als Mehrfachmigrantin ausblenden."

Weshalb wird das weiter kritisch gesehen?

Für CDU-Stadtrat Mario Schmidt ist das zu wenig Klarheit über die Person Lea Grundig in der DDR-Zeit. "Ich bin persönlich nicht davon überzeugt, dass die Benennung einer Straße nach Lea Grundig eine gute Idee ist. Das Gutachten zeigt die Rolle Grundigs als Partei- und Kulturfunktionärin in der DDR, die ihre Ämter und Funktionen im Sinne ihrer eigenen Interessen zu nutzen wusste." Die jüdische Herkunft allein, die unter dem NS-Regime zu Verfolgung, Verhaftung und letztlich Migration führten, reiche nicht als Begründung für eine Straßenbenennung aus.

"Deshalb schlage ich vor, den Übergangs-Straßennamen zu belassen", so Schmidt. Das werde er nun so beantragen.

Wie soll die Straße stattdessen heißen?

In den vier Häusern der Straße wohnen rund 200 Dresdnerinnen und Dresdner in 120 Wohnungen, Adressen: Käthe-Kollwitz-Ufer 9, 10, 11 und 12. Allerdings wurde den Bewohnern vor dem Einzug mitgeteilt, dass es sich um einen befristeten Straßennamen handelt und dieser noch geändert werden kann.

"Auch im Sinne der Anwohner wäre es sinnvoll, die Adressen zu belassen", so Schmidt. "Wie wir mit Lea Grundig weiter umgehen, können wir auch später entscheiden, vielleicht nach der Sonderausstellung des Stadtmuseums zu der Künstlerin, die für 2025 geplant ist."

Die Alternative soll im Bauausschuss beraten werden, der Stadtrat könnte dann Ende Januar endgültig entscheiden, ob es demnächst eine Lea-Grundig-Straße gibt oder nicht.