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Das wird Dresden-Pieschens erste Brauerin

Elsa Raukas ist die erste weibliche Auszubildende, die im Watzke den Beruf Brauerin erlernt. Mit ihr starten hunderte Neulinge in Dresden ihre Gastro-Ausbildung. Ist das Corona-Tief der Branche überwunden?

Von Juliane Just
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Elsa Raukas ist Auszubildende im Ball- und Brauhaus Watzke in Dresden und wird später mal Brauerin. Stefan Joffe hat die Lehrjahre bereits hinter sich und kennt die Sudkessel im Hintergrund wie seine Westentasche.
Elsa Raukas ist Auszubildende im Ball- und Brauhaus Watzke in Dresden und wird später mal Brauerin. Stefan Joffe hat die Lehrjahre bereits hinter sich und kennt die Sudkessel im Hintergrund wie seine Westentasche. © René Meinig

Dresden. Während sie um die Kupferkessel im Ball- und Brauhaus Watzke herumgeht, spiegelt sich ihre Silhouette darin. Seit vier Wochen sind diese beiden riesigen Kessel der Dreh- und Angelpunkt ihres Arbeitsalltags. Elsa Raukas wird Brauerin und Mälzerin - und ist damit ein seltenes Exemplar.

Als erste weibliche Auszubildende erlernt sie einen Beruf, der bislang eher männlich geprägt war. Der dreht sich rund um Hopfen und dem Lieblingsgetränk des Deutschen. Wenn die 22-Jährige von Maischpfannen, Whirlpools und Rotationen spricht, klingt es nach einem komplizierten Fachgebiet. "Ach Schmarrn", winkt sie ab. Den bayerischen Akzent hat Elsa Raukas aus Tirol, wo ihre Gastro-Karriere begann.

Nach dem Abitur wollte sie raus aus ihrem Heimatland Estland, endlich Geld verdienen. Sie jobbte in Hotels in Tirol und Südtirol, fand Gefallen an dem Austausch mit Menschen. Im Jahr 2020, als die Gastro-Branche einen harten Einschnitt erfuhr, entschied sie sich zuerst für ein Tourismus-Studium. Doch ein Jahr später zog es sie zum Gastro-Handwerk. Sie wurde Auszubildende in einer bayerischen Brauerei.

Der Liebe wegen von Bayern nach Dresden

"Ich liebe Bier! Es ist so interessant, dass es trotz des Reinheitsgebots in Deutschland so viele verschiedene Biere gibt", sagt sie. Das Reinheitsgebot ist die sozusagen jahrhundertealte Bibel der Brauer und besagt, dass Bier nur aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden darf. Seit zwei Jahren wechselt sie nun im Dauerlauf vom Sudhaus in den Keller und wieder zurück. Das letzte Lehrjahr verschlug sie der Liebe wegen nach Dresden - und ins Watzke.

Hier ist sie die erste weibliche Auszubildende zur Brauerin, bislang ist die Ausbildung laut dem Unternehmen vor allem bei den Herren der Schöpfung äußerst beliebt. Im Ballhaus in Pieschen werden 5.000 Hektoliter Bier im Jahr hergestellt, mit denen die vier Dresdner Standorte versorgt werden. Alle Arbeitsschritte für die künftige Brauerin und Mälzerin finden also dort statt.

Mit ihr beginnen sieben weitere Frauen und Männer ihre Ausbildung im Watzke, das mit drei Filialen in Dresden präsent ist und zusätzlich die Wurstküche in der Innenstadt betreibt. Neben den Brauern werden auch Servicekräfte und Köche ausgebildet. "Wir haben einen guten Schnitt. Es gibt wieder einen Anstieg an Azubis", sagt Sarah Schierz, zuständig für den Bereich Marketing.

Dresdner Gastronomie kämpft mit Image-Problemen

Ist damit das Corona-Tief der Gastro-Branche überwunden? Während der Pandemie rannten den Gastronomen die Fachkräfte in Scharen davon und suchten sich anderweitig Arbeit. Auszubildende wurden verzweifelt gesucht, aber nicht mehr gefunden. Die Szene hatte ein Imageproblem. Unliebsame Arbeitszeiten bis spät in die Nacht, am Wochenende und an Feiertagen. Wenn der Rubel in der Gastro so richtig rollt, müssen die Lieben Feste wie Weihnachten oder Ostern allein zu Hause verbringen. Hinzu kam eine geringe Vergütung.

Doch die Zahlen zeigen, dass sich wieder mehr junge Leute für die Gastro-Branche entscheiden. Bei der Arbeitsagentur waren beispielsweise mehr Jugendliche, die einen Beruf im Bereich Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe erlernen möchten, gelistet. Insgesamt 167 Jugendliche könnten sich das vorstellen, im Vorjahr waren es noch knapp 20 weniger. Zeitgleich sinken die offenen Stellen in der Branche. Derzeit sind knapp 179 Stellen offen, 2020 waren es noch 66 mehr.

Auch Sachsens Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet vor, dass es bei neuen Arbeitsverhältnissen einen Anstieg von 5,4 Prozent zum Vorjahr gab. "Dieses Wachstum ist durchaus nicht üblich. Wir liegen im Trend", resümiert Axel Klein, Geschäftsführer des Dehoga. Der Anteil der weiblichen Auszubildenden liege bei 50,1 Prozent - auch das sei ein Spitzenwert.

Man habe viel getan, um das Image der Gastro-Szene zu retten. Das beginnt mit Projekten wie den "Mini-Köchen" in Schulen, bei denen ausgebildete Köche mit Kindern kochen. Sie bringen den Kindern Wissenswertes über Ernährung, Sitten des Essens, aber auch ihren Beruf näher. "Im besten Fall beginnen die Schüler dann eine Lehre in Hotellerie oder Gastronomie oder sie werden einfach gute Gäste", so Klein.

Mehrere Branchen buhlen um Azubis in Dresden

Trotzdem brauche es weiterhin Werbung, denn um die jungen Menschen buhlen gleich mehrere Branchen, die Fachkräfte brauchen. Um Elsa Raukas musste keiner lange kämpfen, ihr Herz schlägt für die Gastro-Szene. "Mir macht jeder Arbeitsschritt Spaß", sagt sie. Auch in Bayern sei sie die einzige Frau gewesen. Bis heute sei die Reaktion auf ihre Berufswahl stets "Wow!".

Nur einen Haken gab es an der Ausbildung, erzählt die junge Frau. Der Temperatursturz vom Sudhaus mit 30 Grad Celsius und dem Bierkeller mit 2 Grad Celsius, zwischen denen sie fürs Brauen ständig hin- und herwechseln muss, habe ihr Immunsystem anfangs sehr herausgefordert. Inzwischen sei sie jedoch abgehärtet, Erkältungen seien kein Thema mehr. Und wenn es darum geht, die 35 Kilogramm schweren Fässer zu heben, macht ihr auch kein Mann mehr etwas vor. "Man findet eine Strategie."

In ihrer Ausbildung tüftelt die 22-Jährige auch mit anderen Azubis an einem neuen Bier. Das können Gäste eventuell im Frühjahr kosten, wenn der Versuch geglückt ist. Elsa Raukas selbst schwärmt für Pils aus dem bayerischen Raum, aber auch fürs Altpieschener vom Watzke. Das Brauen sei wie Kochen, sagt die 22-Jährige. "Gute Inhaltsstoffe und die Liebe beim Brauen sind wichtig. Ohne Liebe wird's nichts."