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Bürgerbegehren: Werden die Dresdner bald zur Wahlurne gerufen?

Das Bürgerbegehren von Dresden Zero zur schnelleren Klimaneutralität ist zulässig. Ende Dezember wird sich zunächst der Stadtrat damit befassen. Wie es dann weitergehen könnte.

Von Dirk Hein
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Die Klimainitiative Dresden Zero um Christoph Röllig (M.) und Moritz Piepel (l.) hat Ende Juni die Unterschriften des Bürgerbegehrens an Oberbürgermeister Dirk
Hilbert übergeben.
Die Klimainitiative Dresden Zero um Christoph Röllig (M.) und Moritz Piepel (l.) hat Ende Juni die Unterschriften des Bürgerbegehrens an Oberbürgermeister Dirk Hilbert übergeben. © Sven Ellger

Dresden. Im Sommer 2021 starteten Klimaschützer die Initiative Dresden Zero. Ihr Ziel: Dresden soll bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Erreicht werden soll dies über ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid. Um diesen auf den Weg zu bringen, mussten etwa 30.000 Unterschriften gesammelt werden. Dieses Ziel erreichte die Initiative im Juni 2022. Jetzt ist klar, wie Dresden mit dem Thema weiter umgehen wird.

Warum ist das Bürgerbegehren initiiert worden?

Aktuell ist in der Lokalpolitik lediglich eine Klimaneutralität "deutlich vor 2050" mehrheitsfähig. 2035 sieht OB Dirk Hilbert (FDP) in diesem Zusammenhang als unrealistisch an. Er kündigte im Wahlkampf an, dass Dresden bis 2045 klimaneutral werden könnte.

Mittlerweile gibt es zwar etwas Bewegung. Initiiert von OB Hilbert haben sich Grüne, CDU, Linke, SPD und FDP in einer nahezu ausverhandelten Vereinbarung darauf geeinigt, dass "Fahrzeuge, Gebäude und Einrichtungen" der Stadtverwaltung bis 2035 klimaneutral werden sollen. Ausgeschlossen davon wäre aber der Energieversorger Sachsen-Energie.

Den Umweltschützern geht das nicht schnell genug. Johanna Thoelke, Juristin bei Dresden Zero: "Wenn wir uns zu lange Zeit lassen, wird die Erderwärmung rasch fortschreiten und nicht mehr rückgängig zu machen sein." Deshalb müsse der Klimaplan konkretisiert und auf das Jahr 2035 ausgerichtet werden.

Wie viele Stimmen wurden gesammelt?

Damit ein Bürgerbegehren erfolgreich ist, muss es von mindestens fünf Prozent der stimmberechtigten Dresdner Bürgerinnen und Bürgern unterschrieben werden. Das heißt, es sind mindestens 21.613 gültige Unterstützungsunterschriften erforderlich.

Insgesamt wurden durch die Initiative über 30.800 Unterschriften gesammelt und OB Dirk Hilbert übergeben. Von allen durch das Rathaus geprüften Unterschriften waren 24.633 gültig. 1.970 Personen hatten das Begehren beispielsweise mehrfach unterzeichnet, davon eine Person insgesamt fünfmal.

Daher kann es jetzt zu einem Bürgerentscheid kommen. Die Dresdner werden damit an die Wahlurne gerufen - es sei denn, der Stadtrat stimmt dem Anliegen des Bürgerbegehrens vorher bereits zu.

Der letzte erfolgreiche Bürgerentscheid fand 2012 zur Zukunft der kommunalen Kliniken statt. Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren braucht es eine Stimmenmehrheit, zudem müssen 25 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich abstimmen.

Ist das Bürgerbegehren überhaupt zulässig?

Aus Sicht der Stadt hat Dresden Zero sämtliche formalen Hürden genommen. Der Entscheidungsvorschlag sei "hinreichend klar" beschrieben gewesen. Das Rathaus hat dabei auch geprüft, ob sich das Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Rates richten würde, weil der bislang ja nur eine Klimaneutralität "deutlich vor 2050" beschlossen hat. In diesem Fall hätten strengere Richtlinien für ein Bürgerbegehren gegolten. Aus Sicht der Stadt sei das Thema aber keine bereits "durchentschiedene" Angelegenheit.

Auch sämtliche Angaben des Bündnisses hinsichtlich der Finanzierbarkeit sind aus Sicht der Stadt regelkonform. Demnach soll ein kommunaler Neubau an der Lohrmannstraße etwas später gebaut werden. Da mit dem Bürgerbegehren lediglich die Planungen für eine schnellere Klimaneutralität angeschoben würden, müssten nicht sämtliche Projekte bereits jetzt finanziert sein.

Worüber entscheidet jetzt der Stadtrat?

Das Bürgerbegehren wird in der Doppelsitzung des Rates am 15. oder 16. Dezember Thema sein. Der Rat soll dort einerseits die Zulässigkeit des Begehrens formal beschließen. Anschließend hat Dresden drei Monate Zeit, den Bürgerentscheid durchzuführen.

Die Dresdner würden dazu an die Wahlurnen gerufen. Die Kosten dafür liegen bei knapp 800.000 Euro. Nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens darf der Stadtrat vorläufig keine Entscheidungen mehr treffen, die dem Bürgerbegehren widersprechen.

Das Rathaus möchte am liebsten auf einen Entscheid verzichten: Im Hinblick auf die "erheblichen personellen und finanziellen Auswirkungen, die mit der Organisation und Durchführung eines Bürgerentscheids verbunden sind", solle der Stadtrat "die verlangte Maßnahme unmittelbar selbst beschließen".

Der Beschlusstext lautet: "Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Rahmen der beschlossenen Überarbeitung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts der Landeshauptstadt Dresden das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 festzuschreiben und den entsprechenden Maßnahmenkatalog auf dieses Ziel auszurichten."

Wie reagieren Initiatoren auf den Zwischenerfolg?

Für Dresden Zero ist das ein wichtiger Zwischenerfolg. "Wir freuen uns sehr, dass sich die Stadt auf den Weg macht", sagt Organisator Moritz Piepel. Stimmt der Rat zu, müsste Dresden alle Anstrengungen unternehmen, bis 2035 klimaneutral zu werden. Das schließt auch einen Strategiewechsel der Sachsen-Energie hin zu einer klimafreundlichen Energieproduktion ein.

Welche Mehrheiten sind denkbar?

Sehr wahrscheinlich wird der Rat die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens beschließen. CDU-Fraktionschef Peter Krüger: "Wir brauchen mehr Bürgerentscheide, gerade bei wichtigen Themen, welche die gesamte Stadt betreffen."

Ob Dresden im gleichen Atemzug die Klimaneutralität der Stadt bis 2035 beschließt, ist offen. Sehr wahrscheinlich wird es zu einer engen und emotionalen Abstimmung kommen. Generelle Unterstützung kommt von Grünen, Linken, SPD und Dissidenten. Eine Mehrheit hätten diese Fraktionen jedoch nur mit der Stimme des Oberbürgermeisters.