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Energiekrise: Dresdner wappnen sich für hohe Abrechnung

Immer mehr Mieter beantragen Wohngeld bei der Stadt. Nur damit ist ein zweiter Heizkostenzuschuss möglich. Wie groß die Antragsflut ist und welchen Zuwachs der Mieterverein derzeit hat.

Von Nora Domschke
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Schon jetzt sollten Dresdner Mieter etwas Geld für die nächste Betriebskostenabrechnung zur Seite legen, rät der Mieterverein.
Schon jetzt sollten Dresdner Mieter etwas Geld für die nächste Betriebskostenabrechnung zur Seite legen, rät der Mieterverein. ©  Claudia Hübschmann (Archiv)

Dresden. Viele Menschen sorgen sich derzeit, wie sie die gestiegenen Energiekosten, die in diesem Winter auf alle Haushalte in Dresden zukommen, bezahlen können. Das zeigen etwa die Zahlen bei den Anträgen für Wohngeld, die beim Sozialamt der Landeshauptstadt eingehen.

Im ersten Halbjahr 2022 haben im Schnitt 6.000 Haushalte monatlich vom Wohngeld profitiert. Diese Zahl könnte sich deutlich erhöhen: "Ein Anstieg der Antragseingänge ist seit der ersten Ankündigung des Entlastungspakets III Anfang September 2022 zu verzeichnen", sagt das Sozialamt. So habe sich die Anzahl der Erstanträge im September im Vergleich zum Vormonat mehr als verdoppelt. Kristin Kaufmann (Linke), bis Ende September im Amt als Sozialbürgermeisterin, rechnete zuletzt damit, dass sich die Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte im kommenden Jahr verdreifacht.

Doch nicht nur die Zahl der Anträge nimmt in diesen Tagen zu - auch die Nachfragen von Dresdnern, die sich bei der Stadt zum geplanten zweiten Heizkostenzuschuss sowie zur Wohngeldreform, die im kommenden Jahr ansteht, informieren, sei stark angestiegen, teilt das Sozialamt auf Anfrage von Sächsische.de mit.

Ab 1. Januar 2023 werden mehr Menschen in der Landeshauptstadt Anspruch auf Wohngeld haben, sodass mit weiteren Anträgen zu rechnen ist. Ziel ist es, mehr Geringverdiener bei den gestiegenen Mietkosten zu unterstützen. Zudem soll sich der Betrag verdoppeln, von monatlich im Schnitt rund 180 Euro auf 370 Euro.

Bearbeitungszeit bis zu drei Monate

Die Sachbearbeiter im Dresdner Sozialamt haben schon jetzt alle Hände voll zu tun. Hintergrund für den starken Anstieg im September ist die Ankündigung der Bundesregierung für ein drittes Entlastungspaket. Anspruch auf einen weiteren Heizkostenzuschuss haben nämlich nur jene Dresdner, die bereits Wohngeld beziehen.

Um sie bei einer hohen Abrechnung finanziell zu unterstützen, zahlt die Bundesregierung für die Heizperiode von September bis Dezember 2022 einmalig einen zweiten Zuschuss. Für eine Person sind 415 Euro, für einen Zwei-Personen-Haushalt 540 Euro und für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro geplant.

Schon jetzt ist absehbar, dass die Antragsflut in den kommenden Wochen noch größer wird. Die aktuelle durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Wohngeldantrags liegt bei drei Monaten. Die könnte sich verlängern, wenn nicht genug Mitarbeiter eingesetzt werden können, um die Anträge zu bearbeiten.

In der Regel wird ein Wohngeldzuschuss für zwölf Monate bewilligt. "In vielen Fällen muss der Bewilligungszeitraum - aufgrund bevorstehender Änderungen, beispielsweise wegen befristeter Arbeitsverträge - verkürzt werden." Dann muss der Anspruch auf Wohngeld erneut überprüft werden, was wiederum mit einem Antrag verbunden ist. Das führt dazu, dass einige Dresdner mehrfach im Jahr den Wohngeldantrag ausfüllen und dieser im Sozialamt bearbeitet werden muss.

Mitgliederzuwachs beim Mieterverein

Wer kein Wohngeld bezieht, macht sich zunehmend Gedanken, ob der Lohn oder die Rente reicht, um die explodierenden Energiekosten bezahlen zu können. Das merken die Mitarbeiter des Dresdner Mietervereins in diesen Tagen deutlich. Am vergangenen Samstag fand in der Geschäftsstelle am Fetscherplatz ein Aktionstag statt, bei dem sich vor allem Dresdner, die nicht Mitglied im Mieterverein sind, von den Juristen beraten lassen konnten. Das nutzten gut 100 Menschen.

Wie groß der Beratungsbedarf bei den zum Teil sehr verunsicherten Mietern ist, zeigt aber vor allem der drastisch gestiegene Zulauf an Mitgliedern im Verein. Rund 200 Haushalte kommen derzeit im Monat dazu. "Die Zahlen sind so hoch wie schon lange nicht mehr", sagt Sprecher Florian Bau. Mehr als 15.000 Mitgliedschaften zählt der Mieterverein inzwischen, darunter auch etliche aus dem Dresdner Umland. Thema Nummer eins auch hier: steigende Energiekosten.

Florian Bau arbeitet als Jurist im Dresdner Mieterverein und berät derzeit vor allem zu den steigenden Energiekosten. Einige Fragen kann aber auch er nicht beantworten.
Florian Bau arbeitet als Jurist im Dresdner Mieterverein und berät derzeit vor allem zu den steigenden Energiekosten. Einige Fragen kann aber auch er nicht beantworten. © Christian Juppe

"Schon seit Mai ist der Beratungsbedarf sehr groß. Dabei ging es zunächst vor allem um Betriebskostenabrechnungen aus dem vergangenen Jahr", erklärt Florian Bau. Weil der Winter 2020/21 recht kalt war, mussten viele Mieter mehr heizen. In einem Altbau, der schlecht gedämmt ist, können bis zu 50 Prozent mehr Kosten entstehen.

Das spielt im kommenden Winter noch eine weitaus größere Rolle, weil die Energiekrise die Kosten weiter nach oben treibt. Florian Bau rechnet damit, dass es Anfang 2023 einen regelrechten Ansturm auf die Juristen im Mieterverein geben könnte, denn die Vermieter werden zeitnah die Kosten einfordern, für die sie in Vorleistung gegangen sind. Auch wenn das Personal knapp ist, rät Bau jedem Mitglied, die Abrechnung unbedingt prüfen zu lassen. Viele seien fehlerhaft - und in der jetzigen Situation könnte sich ein genauer Blick umso mehr lohnen.

Einige Fragen zur Energiekrise bleiben unbeantwortet

Viele Fragen, die derzeit kommen, können aber auch die Anwälte des Mietervereins schlichtweg nicht beantworten. Etwa, wie hoch die nächste Abrechnung ausfällt. "Das hängt von den Verträgen ab, die die Vermieter mit dem Energieversorger abgeschlossen haben. Und eben auch vom Zustand des Gebäudes."

Eine Mitgliedschaft im Mieterverein Dresden kostet jährlich 84 Euro. Derzeit beträgt die Wartezeit für einen Termin rund eine Woche, in Notfällen wird auch eher beraten. Florian Bau rät auf jeden Fall dazu, dort wo es sinnvoll ist, Energie zu sparen und - wenn überhaupt möglich - Geld für die kommende Abrechnung beiseite zu legen.

Fällt die Abrechnung dann sehr hoch aus und kann nicht komplett bezahlt werden, sollte der Mieter unbedingt Kontakt zum Vermieter suchen. "Absolut abzuraten ist davon, gar nicht zu reagieren oder die Miete nicht mehr zu überweisen." Schon nach zwei Monaten im Rückstand könne dem Mieter gekündigt werden. Um zu verhindern, dass das in Größenordnungen passiert, müsse nun die Politik entsprechend reagieren.