Dresden. Ein dröhnender Rasenmäher, lautes Geschnatter in der Kantine, eine wilde Schießerei im Fernsehen - im Alltag sind wir oft einem Schallpegel von 65 Dezibel und mehr ausgesetzt, oft aber nur für einige Minuten. Tausende Dresdner müssen dagegen tags wie nachts mit derartigem Lärm leben. Das geht aus den Ergebnissen der neuen Lärmkartierung hervor.
An welchen Straßen es besonders laut ist, wie viele Dresdner dadurch ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben und was gegen den krankmachenden Krach getan werden soll - das sind wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Lärmatlas.
- Wie viele Dresdner sind dauerhaft von Lärm betroffen?
- Welche Dresdner Straßen sind besonders laut?
- An wie vielen Schulen und Pflegeheimen ist es zu laut?
- Welche gesundheitlichen Folgen werden befürchtet?
- Hat die Stadt vor, etwas gegen den Lärm zu unternehmen?
- Wie ist die Lärmbelastung ermittelt worden?
Wie viele Dresdner sind dauerhaft von Lärm betroffen?
Lärmquelle Nummer eins ist der Straßenverkehr. Daher hat das sächsische Landesumweltamt im vergangenen Jahr die Belastung an stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen neu untersuchen lassen. Außerdem ist die Zahl der Betroffenen errechnet worden, die Lärm ausgesetzt sind, der als krankmachend gilt.
Das Ergebnis: Von einem mittleren, ganztägigen Schallpegel von 65 Dezibel und mehr sind im untersuchten Gebiet knapp 42.000 Menschen betroffen - also rund sieben Prozent aller Einwohner. Schränkt man die Untersuchung nur auf die Schlafenszeit zwischen 22 und 6 Uhr ein, so sind sogar fast 52.000 Dresdner krankmachendem Lärm ausgesetzt - annähernd zehn Prozent der Einwohner. In dieser Zeit, in der der Körper zur Ruhe kommen sollte, gilt bereits ein Wert von 55 Dezibel als gesundheitlich bedenklich.
Untersucht wurden die Hauptverkehrsstraßen im Ballungsraum, auf denen im Jahr mehr als eine Million Fahrzeuge unterwegs sind. Zum Ballungsraum gehören die dicht besiedelten Stadtteile Dresdens, die Stadtteile in der Umgebung des Flughafens sowie Lockwitz. Darüber hinaus sind außerhalb dieses Gebiets alle Straßen in die Untersuchung eingeflossen, über die jährlich über drei Millionen Kfz fahren. Das sind unter anderem die Autobahnen, die B6 in Cossebaude und Weißig, die B173 in Altfranken und Gompitz sowie mehrere Staatsstraßen.
Welche Dresdner Straßen sind besonders laut?
Am flächigsten geht Lärm von der A4 aus. Betroffen sind allerdings vor allem unbesiedelte Areale, Gewerbegebiete und Kleingartenanlagen. Einiges an Krach schlucken die errichteten Schallschutzwände.
Größer ist die Betroffenheit in den innerstädtischen Gebieten links und rechts der Elbe. So werden beispielsweise an der Königsbrücker Straße im ganztägigen Mittel 75 Dezibel und mehr erreicht - nicht nur mitten auf der Straße, sondern in vier Metern Höhe an den Wohnhausfassaden. Auch auf der Hansastraße zwischen dem Neustädter Bahnhof und der Conradstraße lebt es sich alles andere als ruhig, vor allem im Sommer, wenn die Fenster geöffnet werden müssen, um die Wohnung durchzulüften.
Der Straßenzug Gerokstraße-Blasewitzer Straße-Loschwitzer Straße schafft es ebenfalls auf die Liste der lautesten Straßen Dresdens. Zu finden sind dort unter anderem auch die Bautzner Landstraße, die Bergstraße südlich des Fritz-Förster-Platzes bis zum Stadtende, der Pirnaische Platz, der Georgplatz und die St. Petersburger Straße, die Ammonstraße, der Altenberger Platz, aber auch die Wehlener Straße, der Schillerplatz und der Körnerplatz.
An wie vielen Schulen und Pflegeheimen ist es zu laut?
Ziel der Untersuchung war es auch herauszufinden, wie viele Schulen, Hochschulen und Universitäten sowie Krankenhäuser und Pflegeheime von dauerhaftem Lärm betroffen sind. Demnach sind 90 Schulen und 29 Gesundheitseinrichtungen einem ganztägigen, mittleren Schallpegel von mindestens 55 Dezibel ausgesetzt.
An Straßen mit 65 Dezibel und mehr liegen vier Schulen und zwei Gesundheitseinrichtungen. Immerhin werde an keiner sensiblen Einrichtung die Grenze von 75 Dezibel überschritten. Das städtische Umweltamt betont, dass es sich dabei um eine Schätzung handelt.
Welche gesundheitlichen Folgen werden befürchtet?
Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Herzinfarkt: Die möglichen Folgen von Lärm sind dem Umweltamt zufolge vielfältig. Im Rahmen der Lärmkartierung haben die Experten versucht, die Zahl der Menschen zu bestimmen, die ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen haben - allein durch ihren lauten Wohnort oder Arbeitsplatz. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass rund 28.600 Dresdner einer dauerhaften Belästigung ausgesetzt sind, etwa 9.600 laufen Gefahr, eine Schlafstörung zu entwickeln oder schlafen bereits schlecht, und 58 Anwohner könnten Herzkrankheiten bekommen. Grundlage für die Risikoabschätzung sind WHO-Studien.
Hat die Stadt vor, etwas gegen den Lärm zu unternehmen?
Ja, teilt das Umweltamt mit. Noch in diesem Jahr soll der Masterplan Lärmminderung aktualisiert werden, er ist inzwischen mehr als fünf Jahre alt. Der Plan bildet die Grundlage für die Bemühungen der Stadt, die Lärmbelastung zu reduzieren und beinhaltet unter anderem Straßensanierungen, den Aufbau von Schallschutzwänden und Tempo-30-Abschnitte. Speziell für die Innere und Äußere Neustadt sind eigenständige Lärmaktionspläne in Kraft getreten.
Ruhiger dürfte es schon demnächst entlang der Blasewitzer und der Loschwitzer Straße werden. Seit Mai läuft die einjährige Sanierung zwischen Fetscherstraße und Berggartenstraße auf rund 1,7 Kilometern.
Etwas Geduld ist auf der Königsbrücker Straße gefragt. Die Sanierung zwischen Albertplatz und Stauffenbergallee wird frühestens 2025 beginnen. Die Stauffenbergallee selbst - zwischen Königsbrücker Straße und Hammweg mit Kopfsteinpflaster bestückt - wird schon vorher eine Asphaltdecke erhalten. Eine Zwischenlösung, denn die Fahrbahn soll nach der Sanierung der Königsbrücker ebenfalls umfassend erneuert werden.
Im Rahmen von Verkehrsversuchen sind darüber hinaus neue Tempo-30-Abschnitte geplant, etwa am Terrassenufer.
Aktuell ruft das städtische Umweltamt zur Teilnahme an einer Online-Umfrage auf, in der um die persönliche Lärmsituation im Wohnumfeld geht. Teilnehmen können alle Dresdner bis zum 4. Juli. "Die Ergebnisse helfen uns, die Planung zur Lärmminderung für Dresden voranzutreiben und schlussendlich mit zielgenauen Maßnahmen für eine höhere Lebensqualität der Menschen zu sorgen", sagt Amtsleiter Wolfgang Socher.
Wie ist die Lärmbelastung ermittelt worden?
Die Lautstärke des Verkehrs ist rechnerisch ermittelt worden. Ausgangsdaten waren die stündliche Verkehrsmenge für Pkw und Lieferwagen, mittelschwere und schwere Lkw und Busse sowie Motorräder; die zulässige Höchstgeschwindigkeit für die jeweiligen Fahrzeugklassen; die Art der Straßenoberfläche; die Steigung bzw. das Gefälle der Straße sowie der Einfluss von Ampeln und Kreisverkehren.