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Rennsport in Dresden: Jubel auf der Hellerauer Spinne

20 Jahre hatte Dresden eine Motorrad- und Autorennstrecke. Vor 70 Jahren startete die erste „Autobahnspinne“.

Von Ralf Hübner
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Autogrammkarte Ewald Kluge Rennfahrer Weixdorf Spinne 1938
Foto: Archiv
Autogrammkarte Ewald Kluge Rennfahrer Weixdorf Spinne 1938 Foto: Archiv © Archiv

Das Autobahndreieck Dresden-Nord ist eine viel befahrenes Autobahnstück. Staus sind an der Tagesordnung. Doch vor 70 Jahren säumten rund 200.000 Menschen die Straßenränder. Motoren von Rennmaschinen heulten auf, als sich dort am 16. und 17. Juni 1951 bei der ersten „Autobahnspinne Dresden Hellerau“ die Starterflagge hob. Das Motorengedröhn war kilometerweit zu hören. Fortan rasten dort fast in jedem Jahr bei der „Dresdner Autobahnspinne“, wie die Veranstaltung auch kurz genannt wurde, die Rennpiloten auf ihren Motorrädern und Autos durch die engen Kurven. 20 Jahre dauerte das Rennsportvergnügen. 1971 war damit Schluss.

"Die gewagtesten Tribünen"

„Jubel und Begeisterung auf der Hellerauer Spinne“, überschrieb die „Sächsische Zeitung“ ihren Bericht zur Rennpremiere 1951. Schon in den Abendstunden des Sonnabends hätten sich die ersten Besucher für den Hauptrenntag am Sonntag eingefunden, ausgerüstet mit Mänteln, Decken und Zelten für die Übernachtung. In den Morgenstunden strömten dann die Menschen mit Leitern, Bohlen, Brettern und Kisten zur Rennstrecke, um sich daraus „die gewagtesten Tribünen zu bauen“, wie es hieß. „Jeder wollte etwas sehen.“ Schutzplanken gab es nicht. Selbst auf den Grünstreifen zwischen Fahrbahnen lagerten die Zuschauer. Polit-Prominenz hatte sich eingefunden: Oberbürgermeister Walter Weidauer, Ministerpräsident Max Seydewitz, der Vorsitzende der Nationalen Front in Sachsen, Ernst Lohagen. Der besondere Gruß galt den westdeutschen Sportfreunden, deren Anwesenheit dem Rennen einen gesamtdeutschen Charakter verlieh.Nach dem Krieg hatte der Motorsport langsam wieder Fahrt aufgenommen. Ein erstes Motorradrennen hatte es 1948 in Lutherstadt Wittenberg gegeben, ein Jahr später dröhnten auch auf dem Sachsenring bei Hohenstein-Ernstthal die Motoren. Im Mai 1950 fanden erste Testläufe auf der geplanten Rennstrecke am Autobahndreieck im Dresdner Norden statt, berichtet Mike Jordan in seinem Buch „Die Dresdner Autobahnspinne“. Die Idee einer Rennstrecke im Ostra-Gehege war zuvor verworfen worden. Mit knapp 6,5 und später 5,3 Kilometern Länge entsprach die „Spinne“ den damals gängigen Distanzen. Angeblich soll die Idee, den Autobahnabzweig für Rennen zu nutzen, auf den Cossebauder Rennfahrer Helmut Zimmer zurückgehen.

Höhepunkt der Rennpremiere war der Lauf die Zwei-Liter-Rennwagen, das erste Formel-II-Rennen in der DDR. Gleich in der ersten Runde gab es eine Karambolage. Auch der BMW-Eigenbau des späteren Siegers Paul Greifzu bekam etwas ab. Viele Wagen fielen aus. Am Schluss schafften es nur zwei über die Ziellinie.Am Rande der Rennstrecke stand ein junger Bierwagenfahrer, der 23-jährige Heinz Melkus, der das Gelände wegen des Gedränges nicht verlassen konnte und sich deshalb das Rennen ansehen musste. Dessen Fazit war: „Das kann ich besser.“ Er meldete sich mit seinem Sportwagen für das nächste Rennen an. Es war die Geburtsstunde der Dresdner Melkus-Rennfahrerdynastie.

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Höhepunkt der zweiten „Spinne“ 1952 war der Start des Tourist-Trophy-Siegers, zweimaligen Europameisters und viermaligen deutschen Meisters Ewald Kluge. Er gilt als einer der erfolgreichsten deutschen Motorradrennfahrer überhaupt. Kluge war seinem Arbeitgeber DKW von Chemnitz nach Ingolstadt gefolgt, hatte sich bereits wieder als DKW-Werksfahrer etabliert und Siege einfahren können. Auf der im Volksmund wegen ihres Klangs „Singende Säge“ genannten Dreizylinder-Maschine mit 350 Kubikzentimetern Hubraum wollte er wieder in die internationale Spitze vordringen.BDoch mit der S“Spinne“ sind auch tragische Erinnerungen verbunden: Bei der letzten „Autobahnspinne“ 1971 überschattete ein Unfall das Geschehen. Im Lauf der Formel-3-Rennwagen war ein Wagen in die Zuschauer gefahren. Ein Rennbesucher wurde getötet, weitere wurden verletzt. Das Rennen wurde abgebrochen. Es war auch das Ende der „Spinne“ zumal der Motorrennsport in der DDR schon lange keine Priorität mehr genoss und immer mehr Menschen wenig Verständnis dafür aufbrachten, dass sie auf ihr bestelltes Auto 10 bis 15 Jahre warten mussten, während andere damit Rennen fuhren.