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Nach Aufforderung zu Dresden-Angriff: Hetze und Drohungen gegen unschuldige Gastronomin

Eine Frau hat in einem Video den russischen Präsidenten Putin aufgefordert, auch Dresden zu beschießen. Das hat nun Folgen für eine Dresdner Restaurantchefin, die damit gar nichts zu tun hat.

Von Christoph Springer
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Tatjana Olifirenko hat Sorgen. Seit im Internet ein Video mit der Aufforderung, Putin möge auch Dresden beschießen, veröffentlicht wurde, bekommt sie Drohungen und Hass-Nachrichten. Dabei hat sie damit überhaupt nichts zu tun.
Tatjana Olifirenko hat Sorgen. Seit im Internet ein Video mit der Aufforderung, Putin möge auch Dresden beschießen, veröffentlicht wurde, bekommt sie Drohungen und Hass-Nachrichten. Dabei hat sie damit überhaupt nichts zu tun. © Sven Ellger

Dresden. Nur der Name eines Dresdner Restaurants auf dem Neumarkt und der Vorname einer Gastronomin aus Mittweida sind sich etwas ähnlich, ansonsten haben das "Aljonuschka" und die Frau aus Mittweida nichts miteinander zu tun. Trotzdem werden die Dresdner Restaurantchefin Tatjana Olifirenko, ihre Mitarbeiter und ihr Neumarkt-Restaurant nun gemeinsam mit der Mittweidaerin in Sippenhaft genommen. Schon seit Dienstag und tausendfach, wie Frau Olifirenko gegenüber Sächsische.de berichtet.

Auslöser ist ein Internetvideo, das eine Spontandemonstration für die Ukraine auf dem Neumarkt zeigt. Sie fand am Montagabend statt. Parallel dazu fordert eine weibliche Stimme, offenbar die Filmerin, den russischen Präsidenten Putin dazu auf, auch Dresden zu beschießen.

Dieses Video beschäftigt seit Dienstag die Polizei, die Beamten ermitteln wegen des Anfangsverdachts einer Straftat. Und es beschäftigt Tatjana Olifirenko. "Ich bekomme Anrufe und Nachrichten mit Drohungen", berichtet die Restaurantchefin, auch "Besuche" seien ihr dabei angekündigt worden. "Sie haben gesagt, sie wollen vorbeikommen."

Besonders trifft sie, dass ihr Restaurant, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdient, im Internet nun negativ bewertet wird. Bei 4,8 stand es vor den aktuellen Ereignissen in der Google-Bewertung, am Mittwochnachmittag nur noch bei 3,5. Und die Kommentare sind heftig: "Schmutziges Restaurant mit schlechtem Service" ist noch gemäßigt, auch "schlechte Atmosphäre" gehört zu den eher verkraftbaren Kritiken. Doch dort steht zum Beispiel auch "Erbrechen", "Mülleimer", "was für ein abscheulicher Ort" und "das Essen war nicht frisch, die Suppe brachte mich zum Erbrechen. Es riecht nach Küchenmischung aus faulen Eiern und Urin".

Eine Internetnutzerin, die sich Nika nennt, stellt bei ihrer Restaurantbewertung am Mittwochmittag eine unmittelbare Verbindung zu dem Video her. Sie schreibt: "Ein Restaurantbesitzer ruft zum Raketenstart über Dresden auf. Nein zum russischen Nationalsozialismus." Dazu vergibt sie einen der fünf möglichen Bewertungssterne. Schlechter geht es nicht.

Viele dieser Kommentare sind in russischer, ukrainischer und englischer Sprache verfasst, was dafür spricht, dass die Verfasser entweder nie in Dresden und schon gar nicht im "Aljonuschka" waren, oder dass es sich womöglich um Internet-Trolle handelt. Der Staatsschutz der Dresdner Polizei, der bei politisch motivierten Taten aktiv wird, ermittelt wegen Beleidigung.

Seit etwa Mittwochmittag melden sich aber auch vermehrt Internetnutzer zu Wort, die das Restaurant nahe der Frauenkirche loben: "Sehr leckeres Essen!!! Alles frisch gekocht", schreibt ein Nutzer und fügt hinzu: "Menschen, die negative Bewertungen schreiben, waren noch nie in diesem Restaurant und wissen nicht, dass es in Deutschland keine Kakerlaken gibt und sie offensichtlich nicht in einem Restaurant um die Tische herumlaufen können." Und weiter: "Vermische Politik nicht mit Essen!!"

Auch direkten Rat bekommt Tatjana Olifirenko: "Wenn Du nichts mit Alena D. und ihrem erschreckenden Video gemein hast, dann setze ein Statement auf Deine Website, hänge auch die ukrainische Flagge auf."

Im Februar 2016 eröffnete Tatjana Olifirenko ihr "Aljonuschka" neben der Kreuzkirche. Damals war sie optimistisch, jetzt ist sie in Sorge um ihr Restaurant, das inzwischen neben die Frauenkirche umgezogen ist.
Im Februar 2016 eröffnete Tatjana Olifirenko ihr "Aljonuschka" neben der Kreuzkirche. Damals war sie optimistisch, jetzt ist sie in Sorge um ihr Restaurant, das inzwischen neben die Frauenkirche umgezogen ist. © Archiv/Sven Ellger

Der Dresdner Anton Miller hat am Dienstagvormittag mit der Chefin, übrigens einer gebürtigen Kasachin, gesprochen. Miller ist gemeinsam mit seiner Frau immer wieder im "Aljonuschka" zu Gast gewesen und plant seinen nächsten Besuch dort in der kommenden Woche. "Das sind Hassmeldungen und Spam", ist der 36-Jährige überzeugt, der in der Erwachsenenbildung arbeitet. Er hat möglichst viele davon deshalb beim entsprechenden Google-Portal gemeldet, damit sie gelöscht werden.

Das hat auch die Restaurant-Chefin selbst getan. "Montagnacht habe ich bis um 2 Uhr gesessen", berichtet sie, aber es seien eben so viele Kommentare, dass sie nicht auf alle reagieren könne. Ihr Restaurant öffnet sie unterdessen weiter wie gewohnt. "Aber es sind keine Leute da", sagt sie am Mittwoch zur besten Mittagszeit. Ob das nun an der Werktagsflaute liegt oder schon eine Folge der Negativbewertungen ist, kann sie nicht einschätzen.

Von Angst spricht Tatiana Olifirenko nicht, aber der Shitstorm macht ihr Sorgen und die hat sie nicht erst seit dieser Woche. Von Anfeindungen, Drohungen und Hetze berichtete sie gegenüber Sächsische.de schon im März, wenige Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.