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Dresdens Straßenmusiker: Kompromiss zwischen Kunst und Lärm?

Ist Straßenmusik wichtig für eine lebendige Innenstadt, oder schlicht Lärm? Dresden sucht seit Jahren einen Mittelweg - und ist bisher gescheitert. Jetzt ist ein Kompromiss greifbar.

Von Dirk Hein
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Kunst oder Lärm: Im Stadtrat sind am Donnerstag neue Regeln für Straßenmusiker in Dresden diskutiert.
Kunst oder Lärm: Im Stadtrat sind am Donnerstag neue Regeln für Straßenmusiker in Dresden diskutiert. © Sven Ellger

Dresden. Straßenmusik gehört zum Leben in einer Großstadt dazu, vielen Dresdnerinnen und Dresdnern und auch Touristen gefällt das. Doch immer mal wieder gibt es Anwohner, die sich gestört fühlen. Der Stadtrat hatte 2022 dennoch Verstärker erlaubt, verbunden mit einer Lärmobergrenze von 80 Dezibel, das ist vergleichbar mit einem lauten Streit.

Doch diesen Beschluss kassierte die Landesdirektion Sachsen im April 2023 als Aufsichtsbehörde wieder ein und forderte die Stadt auf, zu handeln. Die Behörde kritisierte vor allem die Obergrenze von 80 Dezibel. Es werde nicht geregelt, wo genau der Wert der Lautstärke einzuhalten ist - zum Beispiel an der Quelle, in einem Meter Abstand oder direkt bei den von Lärm Betroffenen. Außerdem sei unklar, wie genau der Wert gemessen werden soll.

"Die vom Stadtrat beschlossene Änderung der Satzung Straßenkunst ist rechtswidrig. Rechtswidrige Regelungen einer Satzung können nicht vollzogen werden", schlussfolgerte dazu folgerichtig das Rathaus - und setzte die Änderungen aus dem Jahr 2022 aus. Seither wurde an einer neuen Beschlussvorlage gearbeitet. Jetzt liegt sie vor.

Was Straßenmusiker in Dresden bald unterlassen sollen

In der neuen Satzung unterscheidet die Stadt zwischen Straßenmusik und Straßenkunst mit musikalischer Umrahmung. Für Straßenmusiker ist eine spielfreie "Mittagspause" zwischen 13 und 15 Uhr neu vorgesehen. Davon ausgenommen ist die Augustusbrücke als Auftrittsort. Diese soll sich zum Straßenmusik-Zentrum von Dresden entwickeln.

Straßenkunst mit musikalischer Umrahmung soll weiterhin zwischen 9.30 und 22 Uhr möglich sein - jeweils von der halben bis zur vollen Stunde, also maximal 30 Minuten am Stück. Weiterhin schlägt das Rathaus vor, Verstärker auf der südlichen und nördlichen Prager Straße, am Jüdenhof sowie am Schloßplatz zu verbieten. In den anderen Spielbereichen dürfen Verstärker demnach bis 20 Uhr eingesetzt werden. Bei Straßenkunst mit musikalischer Umrahmung sollen Verstärker weiterhin gestattet sein.

Nicht mehr erlaubt wären der südöstliche Wiener Platz vorm Hauptbahnhof, die Prager Straße vor der "Prager Spitze" und im Bereich der Brunnen sowie die Fläche an der Schloßstraße vorm Taschenbergpalais als Spielorte.

Warum die Straßenmusik jetzt im Stadtrat besprochen wurde

Über die neuen Pläne der Stadt wird der Rat frühestens im März entscheiden. Am Donnerstag stand das Thema dennoch schon auf der Tagesordnung im Rat - im Rahmen einer von der AfD beantragten aktuellen Stunde. Zudem stand ein Antrag der Fraktion zur Abstimmung, die Regelungen noch weiter zu verschärfen.

So fordert die Fraktion, auf Verstärker komplett zu verzichten. In jedem Spielbereich dürfte jeder Künstler nur einmal pro Tag auftreten. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit jedoch vertagt und soll nun zusammen mit der Vorlage der Verwaltung beraten und beschlossen werden.

Dennoch war der Umgang mit zu lauter und störender Straßenmusik Thema im Rat. Die aktuelle Stunde stand unter der Überschrift "Probleme mit Straßenkunst in Dresden."

So lief die Diskussion im Rat

Susanne Dagen (Freie Wähler/Freie Bürger) kritisierte die neuen Pläne der Stadt: "Die angestrebte Satzung enthält zu viele Variationen, zu viele verwirrende Auflagen. Besser wäre ein generelles Verstärkerverbot auf allen Dresdner Plätzen."

SPD, CDU und Grüne machten hingegen deutlich, dass die von der Verwaltung vorgestellten neuen Pläne Grundlage eines Kompromisses sein könnten. Christiane Filius-Jehne (Grüne): "Die Verwaltung hat ihre Hausaufgaben gemacht und alle Fraktionen an einen Tisch geholt. Es gibt einen Dissenz zwischen freier Ausübung der Kunst, die sehr wichtig ist, und dem Ruhebedürfnis der Menschen, die vor Ort wohnen und arbeiten." Dieser Dissenz sei jedoch lösbar.

Mario Schmidt (CDU): "Wir haben den Beschluss im Jahr 2022 nicht mitgetragen, wir haben immer für ein Verstärkerverbot plädiert. Aber die Vorlage der Verwaltung, die nun beraten wird, könnte eine breite Mehrheit finden, sie geht in die richtige Richtung." Schmidt kritisiert jedoch, dass so lange am neuen Konzept für die Straßenmusik gearbeitet wurde. Auch Eileen Mühlbach SPD sagt: "Ein Kompromiss ist greifbar."

"Wir stehen auf der Seite der Freiheit"

Deutliche Ablehnung für die Pläne der Stadt kam hingegen von der Linken. Der Umgang mit Beschwerden sei immer eine Frage der politischen Agenda. Tilo Kießling: "Die Beschwerden von Bürgern über Straßenmusik werden ernst genommen, andere nicht. Vielen Menschen beschweren sich in Dresden auch über einen zu teuren ÖPNV, diese Beschwerden interessieren viele im Rat nicht. Die rechte Seite blockt den sozialen Wohnungsbau, obwohl sich viele über zu wenige bezahlbare Wohnungen beschweren."

Die momentane Diskussion sein ein alter Streit zwischen dem Wunsch nach Reglementierung und dem Wunsch nach Freiheit, "In dieser Frage stehen wir auf der Seite der Freiheit."