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Muss das weg? Ärger ums sowjetische Ehrenmal in Dresden

Ein Dresdner FDP-Politiker fordert den Abbau des Sowjetischen Ehrenmals am Olbrichtplatz. Das russische Generalkonsulat hat sich eingeschalten. Wie es weitergeht.

Von Dirk Hein
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Das Sowjetische Ehrenmal am Olbrichtplatz. Über dessen Zukunft ist ein offener Streit entbrannt.
Das Sowjetische Ehrenmal am Olbrichtplatz. Über dessen Zukunft ist ein offener Streit entbrannt. © Marion Doering

Dresden. Seit November 1945 gibt es in Dresden ein Sowjetisches Ehrenmal. Das ursprünglich am Albertplatz errichtete Denkmal für die gefallenen Soldaten der 5. Gardearmee wurde 1994 als historisches Zeitzeugnis vor das Militärhistorische Museum an den Olbrichtplatz umgesetzt. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist eine neue Diskussion um den weiteren Umgang mit dem Denkmal entbrannt.

Am 25. November 1945 am Albertplatz aufgestellt, war das Ehrenmal das erste nach dem Zweiten Weltkrieg für sowjetische Soldaten errichtete Denkmal auf deutschem Boden. Als Fundament nutzte man damals das Becken des bei den Luftangriffen auf Dresden beschädigten Brunnens "Stürmische Wogen".

Laut Historikern denkbar - aber nicht belegbar - ist, dass die sowjetischen Truppen für das Denkmal ein nicht fertig gewordenes Nazi-Monument umbauten. Eine Gedenktafel am Albertplatz erinnert an den alten Standort.

Seit Jahren ist das Monument zumindest in der Diskussion. Laut Rathaus steht es zum einen für das Leid, das der deutsche Angriff vom Juni 1941 über die Völker der damaligen Sowjetunion gebracht hat. Andererseits zeige das Ehrenmal unverkennbar militaristische und idealisierte Darstellungen, es sei ein "Siegermonument".

Ein FDP-Politiker startet die Abbau-Diskussion

Ende März entfachte der FDP-Politiker Stefan Scharf zuerst in den sozialen Medien eine neue Debatte über die Zukunft des Ehrenmals. "Nein, das Sowjetische Ehrenmal in Dresden kann nicht bleiben." Einer der Hauptgründe: Bis 1993 war in Dresden die 1. Garde Panzerarmee stationiert - die aktuell in der Ukraine kämpfte. Zudem half dieselbe Truppe beim Niederschlagen unter anderem des Volksaufstandes in der DDR 1953.

"Es ist ein klassisches Siegerdenkmal mitten in Dresden", sagt er. Für Scharf kommen daher mehrere mögliche Zukunftsvarianten infrage: "Wir könnten es ins Museum packen und dort über die Widersprüche aufklären." Alternativ könnte eine Gedenkplatte oder weitere Kunstwerke das Mahnmal einordnen. Und: "Das Mahnmal wirkt baufällig. Es ist die Frage, ob wir es als Stadt überhaupt sanieren wollen."

So reagierte die russische Diplomatie

Die öffentlich geäußerten Forderungen haben mittlerweile den Unmut der Russen hervorgerufen. Bereits Mitte April hatte das Leipziger Generalkonsulat der Russischen Föderation in einem Brief an OB Dirk Hilbert (FDP) auf die Aussagen von Stefan Scharf Bezug genommen.

Generalkonsul Andrey Dronov spricht in dem Brief von einer "historisch verantwortungslosen Initiative". Das Verschwindenlassen der Erinnerungsstätte sei undenkbar. "Der würde- und respektvolle Umgang mit Soldatendenkmälern ist nicht nur eine moralische, sondern auch eine juristische Verpflichtung."

Auf dieses, eigentlich an die Stadt gerichtete Schreiben, hat Scharf nun reagiert. "Ob das Dresdner Denkmal künftig als Symbol des Kampfes und der Opfer der Roten Armee oder als Zeichen von Imperialismus und Militarismus gedeutet wird, entscheidet gerade auch Russland mit seinem momentanen Handeln", schreibt er in einem aktuellen Brief an den Generalkonsul.

Abgesprochen mit seiner Partei war dieser Brief jedoch nicht. Bei der FDP befindet sich eine Antwort an das russische Generalkonsulat noch in der Abstimmung. Formal soll in diesem Schreiben darauf verwiesen werden, dass sich nicht die FDP als Partei zu dem Denkmal geäußert habe, sondern die Privatperson Stefan Scharf, der in der FDP lediglich einfaches Mitglied sei. Eine Rückendeckung durch die Partei habe es nicht gegeben.

Gleichzeitig verurteilen die Liberalen jedoch den Angriffskrieg auf die Ukraine. Die aktuelle Aggression der Russen in der Ukraine hätten zu einer neuen Sichtweise auch auf die Rote Armee geführt. Eine zeitgemäße Einordnung des Ehrenmals sei überfällig.

Diese anderen Meinungen gibt es

Wie es mit dem Denkmal konkret weitergeht, ist jedoch offen. Das Militärhistorische Museum, vor dessen Toren das Mahnmal steht, hat sich mittlerweile klar positioniert. Die wissenschaftliche Leiterin des Museums, Kristiane Janeke, hält nicht viel von der Idee, das Denkmal zu entfernen, selbst wenn es in ihrem Museum Platz finden sollte: "Man würde damit einen Teil der Stadtgeschichte aus dem öffentlichen Raum entfernen. Das halte ich für falsch. Die Geschichte kann man nicht umschreiben. Diese Denkmäler erinnern an das, was passiert ist." Denkbar wäre eine Kontextualisierung, also eine genauere Beschreibung und Einordnung.

Selbst das geht den Linken im Dresdner Stadtrat zu weit. Tilo Wirtz: "Wir müssen nicht alles täglich nach aktueller weltpolitischer Lage neu kontextualisieren." Eine Diskussion, ob man das Denkmal zum Beispiel bewusst nicht sanieren könnte, lehnt Wirtz ab: "Es ist ein Zeitdokument und gehört natürlich saniert."

Auch das Rathaus kann sich aktuell am ehesten eine Einordnung des Denkmals zum Beispiel durch eine Infotafel vorstellen. Aktuell ist dies am Gedenkobelisk in Nickern geschehen. "Denkmäler können nur zu denken geben, wenn ihre Bedeutung und Geschichte neu interpretiert werden kann." Im Mai hatte die Stadt zu einer digitalen Diskussion über das Sowjetische Ehrenmal eingeladen. Dort wurde über verschiedene Möglichkeiten eines alternativen Umgangs mit dem Mahnmal gesprochen.

Mittlerweile hat Dresden offiziell das Schreiben des Generalkonsulates beantwortet. Weil sich die russische Kritik auf die Privatmeinung von Stefan Scharf auf einer aus Sicht der Stadt "externen Internetseite" bezieht, wurde dieser "Hinweis" an das Konsulat versendet.