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Meinung: Hilft der Schlichterspruch im Dresdner Bürgermeisterstreit?

Der Vorschlag von Gunda Röstel und Thomas de Maizière zur Lösung des Dresdner Bürgermeisterstreits liegt auf dem Tisch. Wie das Ergebnis der externen Moderatoren einzuordnen ist. Ein Pro und Contra.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Ist der Vorschlag der Moderatoren die Lösung für den Dresdner Bürgermeisterstreit? Ein Pro und Contra.
Ist der Vorschlag der Moderatoren die Lösung für den Dresdner Bürgermeisterstreit? Ein Pro und Contra. © Marion Doering

Dresden. Sechs statt sieben Bürgermeister sollen in Zukunft gemeinsam mit Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) die Stadt steuern. Die Moderation ist in einen Schlichterspruch gemündet. Ob dieser den Namen Kompromiss verdient, wird unterschiedlich bewertet. Die Sächsische.de-Reporter Dirk Hein und Andreas Weller betrachten den Vorschlag von den verschiedenen Seiten. Weshalb die Räte dem Vorschlag (nicht) zustimmen sollten.

Pro: Es ist eben ein Kompromiss

Von Dirk Hein

Seit August schafft es Dresden einfach nicht, neue Bürgermeister zu wählen. Zwar gab es eine einfache Mehrheit dafür, dass die bisherigen Amtsinhaber einfach weiterarbeiten. Doch OB Dirk Hilbert hatte bereits vor einem Jahr dem Rat mitgeteilt, dass er dem sein Einvernehmen verweigern wird. Seitdem ließen sowohl der OB als auch die einzelnen Fraktionen im Rat kein Fettnäpfchen aus. Gerade Hilbert wurde weit unter der Gürtellinie angegangen, als Diktator und Demokratiefeind beschimpft.

Die bislang beste Entscheidung im Bürgermeisterstreit war das Eingeständnis, dass weder der OB noch die einzelnen Räte diese Karre aus dem Dreck ziehen können. Kaum einen Monat hatten die danach beauftragten Moderatoren Zeit, um sich alle Positionen anzuhören, darüber nachzudenken und eine Art Schlichterspruch zu fällen.

Ganz ehrlich: Der jetzt erzielte Kompromiss ist kein großer Wurf, ihm fehlt jegliche Überraschung, es gibt keinen Türöffner hin zu einer breiten Mehrheit im Rat. Weite Teile des Rates bleiben außen vor. Grüne, Linke und CDU teilen sich fortan die Macht im Rathaus. Völlig zu Recht ist niemand begeistert.

Zum ersten Mal überhaupt steht jetzt aber eine tatsächliche Mehrheit im Rat. OB Dirk Hilbert hat klar erklärt, dass er dem jetzt erzielten Kompromiss zustimmen wird. Von daher könnte Ende Januar endlich gewählt werden. So greifbar wie jetzt war eine Einigung in einem Streit, der keinem Bürger mehr wirklich vermittelbar ist, noch nie.

Das Wesen eines gelungenen Kompromisses ist dabei, dass niemand wirklich jubelt. Grüne und Linke können zwar ihre Wunschkandidaten im Amt behalten, sie müssen aber einen deutlich erstarkten OB Dirk Hilbert akzeptieren. Hilbert wiederum verzichtet auf einen zusätzlichen Bürgermeister mit FDP-Parteibuch und arbeitet fast sieben weitere Jahre mit Eva Jähnigen zusammen. Beide hatten sich im Wahlkampf hart und teilweise unanständig attackiert. Dem nicht zuzustimmen, fehlt es schlicht an Alternativen.

Mail an Dirk Hein

Contra: Viele haben viel zu verlieren

Von Andreas Weller

Die Moderatoren haben das Bestmögliche getan, aber der Karren steckt viel zu tief und fest. Außerdem war es keine Moderation. Zumindest hätte man neben den Einzelgesprächen auch gemeinsame und echte Verhandlungen erwarten können. Dass aus dem Abfragen "roter Linien" ein Lösungsvorschlag gequetscht wird, der weniger ist als bisher auf dem Tisch lag, ist unbefriedigend.

Alle vorher benannten Ziele sind auch in dem Vorschlag verpufft - es gibt keine große Veränderung in den Ressorts, es gibt keine breitere Beteiligung der Fraktionen und damit der Dresdner, sondern eine Fraktion ist raus. Vielleicht könnte man sagen, OB Hilbert hätte sich damit durchgesetzt, die Anzahl der Bürgermeister zu reduzieren. Aber das kann nicht der einzige Maßstab sein.

Politisch bringt der Vorschlag aber viele in Bedrängnis. Der OB hätte mehr Macht und könnte zwar dem politischen Gegner schaden. Denn gegen das bisherige Bündnis aus Grünen, Linken und SPD war kaum eine Entscheidung im Rat möglich. Allerdings ist die neue Allianz aus Grünen, Linke und CDU extrem fragil. Was wird aus Hilberts Programm, zu dem er eine breite Mehrheit verpflichten wollte? Prestigeprojekte wie Fernsehturm und neues Sachsenbad geraten ins Wanken.

Dazu kommt, dass viele viel zu verlieren haben. Dass die SPD ihren Bürgermeister einbüßt, ist ihr bewusst. Die CDU kommt aber in Erklärungsnot bei ihrer Klientel, wenn sie noch enger mit der Linken zusammenarbeitet. Für die AfD ist dies ein gefundenes Fressen. Dazu kommt, dass noch weniger die Macht unter sich aufteilen. Die Linke ist in der Zwickmühle. Sie will ihre zwei Bürgermeisterinnen behalten. Wenn sie aber die SPD herauskatapultiert, bringt sie die SPD in ihre frühere Rolle - die linke Oppositionskraft.

Mit Verlusten in der Wählergunst müssen auch die Grünen rechnen, denn sie zeigen hier, dass es vordringlich um Machterhalt geht, ungeachtet bisheriger Kooperationen. Für einen echten Kompromiss hätte es mehr Zeit und Tiefe bedurft.

Mail an Andreas Weller