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Impfpflichtdebatte in Dresden: "Niemand wird sofort entlassen"

Die Pflege-Impfpflicht gilt. Auch in Dresden könnten Beschäftigte ihren Job verlieren. Im Stadtrat ging es am Donnerstag auch um die Frage, welche Verantwortung das Rathaus für diese Menschen hat.

Von Dirk Hein
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Anti-Impf-Protest vor der Frauenkirche: Am Donnerstag war der Umgang mit der Problematik Thema im Dresdner Stadtrat.
Anti-Impf-Protest vor der Frauenkirche: Am Donnerstag war der Umgang mit der Problematik Thema im Dresdner Stadtrat. © Daniel Förster

Dresden. Seit Mitte März gilt für Mitarbeiter von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen die Corona-Impfpflicht. Wer ungeimpft ist und dies auch bleiben möchte, könnte frühestens ab Anfang Mai seinen Job verlieren. Bis dahin gelten Übergangsfristen. Doch welche Verantwortung trägt das Rathaus, wenn eigene Mitarbeiter auf die Straße gesetzt werden?

Diskutiert wurde im Stadtrat dazu im Rahmen einer von AfD und Freien Wählern beantragten Aktuellen Stunde. Für die AfD sprach die Dresdner Kinderärztin Ingrid Heimke: "Bevor die Stadt Dresden dieses medizinisch nutzlose, unmenschliche Gesetz praktisch umsetzt, bitte ich Sie, Herr OB Hilbert, mit uns Fachkräften zu sprechen." Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen würde durch eine Impfpflicht immer bedrohlicher.

"Wir hören nicht auf zu informieren"

Für die Grünen sprach Robin Weidemann, Leiter des Corona-Krisenstabes im Uniklinikum, im Stadtrat. Das Uniklinikum könne mittlerweile auf eine extrem hohe Impfquote von 90 Prozent blicken. "Das wichtigste überhaupt sind Informationen, wir haben wöchentlich einen Podcast zum Thema bereitgestellt. Wir haben unser Angebot nochmals verstärkt. Wir haben Mitarbeiter mit Sorgen, direkt angesprochen", so Weidemann. Und: "Wir hören nicht auf zu informieren, es kommen immer Leute mit Fragen."

Im Rat gab es am Donnerstag aber auch die Hoffnung, dass die Pflege-Impfpflicht überhaupt nicht zur Anwendung kommen wird.

Stadtrat und Klinik-Experte Jens Matthis (Linke): "Es ist eine vernünftige Regelung, dass Menschen in der Pflege und im Krankenhaus geimpft sind." Das Gesetz zur Pflege-Impfpflicht könnte laut Matthis jedoch auslaufen, ohne dass es große Auswirkungen gibt: "Aktuell hat die Verwaltung gar keine Kapazitäten, das Gesetz auszuführen." Tatsächlich ist das zuständige Gesundheitsamt chronisch überlastet. Neben der Corona-Nachverfolgung müssen aktuell auch Aufgaben bei der Integration von Geflüchteten aus der Ukraine erledigt werden.

Ähnliche Aussagen machte die SPD. Rätin Viola Vogel: "Niemand wird sofort entlassen, es darf weiter gearbeitet werden, bis tatsächlich ein Betretungsverbot ausgesprochen wird." Es gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Verwaltungshandeln. Das Gesetz würde ohnehin bereits zur Farce. "Gemeinsam wird von Ländern und Kommunen bereits an einer faktischen Nichtanwendbarkeit gearbeitet."

Frank Hannig (Freie Wähler): "Die Impfpflicht ist eine Schande, aber es kann geklagt werden, keiner wird einfach gefeuert."

Auch Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) hatte sich in den letzten Tagen eher zurückhaltend geäußert. Das Gesundheitsamt werde jeden einzelnen Betroffenen kontaktieren und nach den Gründen fragen. Es würde auch geprüft, ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt. "Das Gesundheitsamt wird jeden Fall individuell betrachten, die betroffene Einrichtung genaustens anhören und pragmatisch entscheiden."

Eilantrag zur Impfpflicht wurde abgelehnt

Ein Eilantrag der AfD, laut dem der Oberbürgermeister nach alternativen Jobangeboten für Mitarbeiter suchen solle, denen kurzfristig eine Entlassung drohe, fand entsprechend keine Mehrheit. "Aktuell sind alle Einrichtungen arbeitsfähig, es besteht keinerlei Gefahr", sagte etwa Stadtrat Christoph Blödner (FDP). Die CDU mahnte jedoch: "Der Stadt als großer Arbeitgeber sollte es nicht egal sein, wenn aktuell 500 Mitarbeiter im Klinikum in Sorge vor einer Entlassung sind." Man erwarte, dass der OB zeitnah nach Lösungen sucht, so Stadtrat Veit Böhm. "Es braucht dieses Signal."

Auch die aktuelle Flüchtlingslage war gestern Thema im Rat. Um die Ukraine-Flüchtlinge zu betreuen und unterzubringen sollen zunächst die ohnehin im Haushalt 2022 geplanten Budgets für Asyl Anwendung finden. So verfügt das Sozialamt noch über rund 22,2 Millionen Euro für soziale Hilfen, das Jugendamt über rund 2,7 Millionen Euro zur Betreuung minderjähriger Flüchtlinge und das Hochbauamt zur Unterbringung über rund sieben Millionen Euro. Der Stadtrat stimmte diesem Plan einstimmig zu.

Nicht zugelassen hatte OB Dirk Hilbert einen Eilantrag von Grünen, Linken und SPD, die Stadtteilbibliotheken offenzuhalten. Von dort soll Personal ins Gesundheitsamt abgezogen werden. Mindestens vier Stadtteilbibliotheken müssen deshalb schließen.

Hilbert zeigte sich erstaunt über die Debatte: "Die Diskussion um die Bibliotheken ist sehr irritierend. Niemand stellt deren Bedeutung in Abrede. Aber im Sinne einer Prioritätensetzung müssen nun auch 150 Beschäftigte aus dem Bereich der Kultur geschult werden und aushelfen."