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"Schäbig und unwürdig": heftige Debatte um Mehrkosten für Geflüchtete in Dresden

Dresden braucht mehr als 80 Millionen Euro zusätzlich, um Geflüchtete unterzubringen. Im Stadtrat gab es großen Streit darum. Wie die Debatte verlief und wer letztlich zugestimmt hat.

Von Andreas Weller
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Zwei Millionen Euro müssen in den Brandschutz der ehemaligen "Cityherberge", die jetzt eine Unterkunft für Geflüchtete ist, investiert werden.
Zwei Millionen Euro müssen in den Brandschutz der ehemaligen "Cityherberge", die jetzt eine Unterkunft für Geflüchtete ist, investiert werden. © Archiv: Sven Ellger

Dresden. Immer mehr Menschen sind weltweit auf der Flucht. Auch in Dresden kommen mehr Menschen an als geplant. Deshalb und weil Bund und Land die Kosten nicht ausreichend abfedern, wird mehr Geld als geplant benötigt. Der Dresdner Stadtrat musste nun über eine hohe zusätzliche Summe entscheiden. Es kam zu verbalen gegenseitigen Attacken.

Um welche Summen geht es für Dresden?

Die Stadt Dresden hat im Doppelhaushalt für 2023 und 2024 zunächst gut 52,7 Millionen Euro vor allem für die Unterbringung, aber auch soziale Betreuung und Integration von Geflüchteten eingeplant. Aktuell verfügt die Stadt über gut 5.000 Plätze für Geflüchtete, die auch komplett belegt sind. Im vergangenen Jahr wurden Dresden rund 2.000 Menschen zugewiesen, etwa doppelt so viele wie 2021 und in diesem Jahr werden ebenfalls 2.000 Geflüchtete erwartet.

Da das deutlich mehr sind, als zur Planung des Haushaltes Ende 2022 absehbar war und die Kosten enorm gestiegen sind, braucht Dresden auch deutlich mehr Geld. Deshalb hat sich die Stadt mit der entsprechenden Vorlage vom Rat die Freigabe geholt, über weitere 81,5 Millionen Euro verfügen zu können. Insgesamt beläuft sich die Summer auf über 131 Millionen Euro, plus zwei Millionen Euro für den benötigten Brandschutz in der ehemaligen "Cityherberge" an der Lingnerallee und knapp eine Million Euro für soziale Betreuung und Sprachkurse zusätzlich.

Gut 47 Millionen Euro von den Gesamtkosten werden durch das Land per Asylpauschale erstattet, dazu kommen kleinere andere Erstattungen vom Bund, aber die Stadt muss das Geld komplett vorstecken und rechnet für dieses Jahr mit mehr als 43 Millionen Euro Kosten, die sie übernehmen muss.

Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) betonte im Stadtrat, dass die Unterbringung, Versorgung und Betreuung per Gesetz eine Pflichtaufgabe ist. "Wir brauchen die Freigabe, um dies abzusichern und Mietverträge abschließen zu können."

Weshalb gibt es Streit um die Mehrkosten für Geflüchtete?

CDU-Stadtrat Peter Krüger kritisierte einerseits die nicht ausreichende Refinanzierung durch den Bund, aber auch die Unterbringung in Dresden. "Die kommunalen Finanzen stehen vor einer Zerreißprobe und die Bevölkerung bekommt die verfehlte Asylpolitik zu spüren." Er stelle das Grundrecht auf Asyl nicht infrage, aber so könne es nicht weitergehen.

"Die Stadtverwaltung sagt, die zusätzliche Unterbringung sei nur in kostenintensiven Unterbringungsmöglichkeiten möglich. Wir haben mehrfach Leichtbauhallen vorgeschlagen und damit eine andere, kostengünstigere Unterbringung." So würden Wohnungen belegt, die Dresdner Familien dringend benötigen. "Suchen Sie nach Einsparmöglichkeiten", fordert Krüger die Verwaltung auf.

Auch die als rechtsextrem eingestufte AfD lehnt die Freigabe der Mittel erwartungsgemäß ab. "Das zusätzliche Geld wird den Bürger der Stadt Dresden an Gehwegen, an Straßen und so weiter fehlen", so Stadträtin Daniela Walter.

In Dresden werde nach "Gutdünken" eine teurere Unterbringung als notwendig praktiziert, kritisiert Torsten Nitzsche von den Freien Wählern. "Zudem fällt der Mehrbedarf für etwa 2.000 Personen an, das entspricht ungefähr der Zahl der abgelehnten Asylbewerber – wenn der Freistaat seiner Verpflichtung nachkommen würde, hätten wir das Problem gar nicht." Damit meint Nitzsche mehr Abschiebungen.

Zudem kritisiert er die zwei Millionen Euro zusätzlich für die ehemalige "Cityherberge". "Im März 2023, als es um die Anmietung ging, hieß es, sechs Millionen seien die Fixkosten, weil die Stadt das Gebäude intensiv geprüft habe und jetzt nach nicht mal einem Jahr, fallen zwei Millionen zusätzlich an?"

Kann bei den Zusatzkosten gespart werden?

Darauf setzt zumindest FDP-Stadtrat Christoph Blödner. "Die angegebenen Kosten sind leider notwendig und waren auch bekannt." Dresden sei nun einmal verpflichtet, die Menschen unterzubringen. "Außerdem ist es Maximalbetrag, der hoffentlich nicht ausgeschöpft wird. Zum 31. März sind Hotels aus der Vorlage abgemietet und wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, werden wir diese nicht erneut benötigen, sodass die ersten zehn Millionen Euro eingespart werden können."

Auch Grüne und Linke kritisierten, dass vor allem das Land mit der Asylpauschale die tatsächlichen Kosten für Dresden nicht ausgleiche. Die Pauschale bevorzuge den ländlichen Raum, wo Unterkünfte deutlich günstiger zu bekommen sind. Es müssten die realen Kosten erstattet werden.

Dann gingen einige Räte auch auf die CDU los, weil diese im Land die Regierung anführt, die Innen- und Finanzminister stellt, aber große Städte wie Dresden hängen lasse und im Stadtrat gegen die Mehrkosten stimmt. "Die CDU verweigert sich hier total", so Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher. "Es geht nicht nur um Unterbringung, sondern um soziale Integration. Wen Sie diese Vorlage ablehnen, sagen Sie nein zur Integration in Dresden."

Noch deutlicher wurde Johannes Lichdi (Dissidenten): "Die CDU sieht sich als die staatstragende und sachliche Partei und begeht hier mal wieder aus Angst vor der AfD politischen Selbstmord. Sie gehen an ihrer staatspolitischen Verantwortung vorbei, das ist schäbig und unwürdig."

Am Ende stimmten 39 Räte, inklusive Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) für die Vorlage und 27 dagegen.