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Fördermittel-Poker: Verlieren die Dresdner Verkehrsbetriebe 25 Millionen Euro?

Für knapp 200 Millionen Euro haben die DVB neue Straßenbahnen gekauft. Jetzt gibt es Ärger mit den Fördergeldern. 25 Millionen Euro könnten Dresden verloren gehen.

Von Dirk Hein
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Die neuen Dresdner Straßenbahnen: 25 Millionen Euro weniger Fördergelder stehen im Raum.
Die neuen Dresdner Straßenbahnen: 25 Millionen Euro weniger Fördergelder stehen im Raum. © Archiv/Sven Ellger

Dresden. Es hätte alles so schön sein können: Mit einer großen Lasershow und mehreren Tagen Volksfest wurde die neue Dresdner Straßenbahn Anfang Oktober 2021 offiziell im Gorbitzer Straßenbahndepot vorgestellt. Seither lief wenig nach Plan. Ursprünglich war davon die Rede, dass der Linienbetrieb im folgenden Frühjahr starten könnte, dann rutschte der Termin immer weiter nach hinten. Auch danach entwickelten sich die so dringend benötigten breiteren und hochmodernen Stadtbahnwagen eher zum PR-Desaster denn zum Hit auf den Gleisen.

Premierenfahrten mit Hindernissen

Die Dresdner liebten ihre neuen Bahnen vom Anfang an. Als die ersten zwei neuen Bahnen nach langem Warten Ende November 2022 auf die ersten Probefahrten gingen, kamen hunderte Fans zur Mitfahrgelegenheit.

Nach einem großen Fest verschwanden die Bahnen jedoch wieder in den Depots - für Reparaturen. Der erste Stresstest mit hunderten in die Bahn gepressten Passagieren hatte damals laut Sprecher Falk Lösch erste Kinderkrankheiten offenbart.

Konkret gearbeitet werden musste in der Werkstatt beispielsweise an einem Display in der Fahrerkabine. An den Haltestellen hätte der Bildschirm auf Bilder der sich öffnenden Türen umschalten müssen. Allerdings streikte das Display. Erst nach und nach wurden die Probleme im Dezember 2022 zusammen mit dem Hersteller Alstom ausgebessert. Nach Weihnachten sollten dann drei Bahnen regelmäßig fahren.

Zu wenig neue Bahnen auf den Gleisen

Zum einen sind Kinderkrankheiten bei neuen Bahnen nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist laut Kritikern aber das Konstrukt, welches die DVB gewählt haben, um an einen möglichst hohen Anteil an Fördermittel zu kommen. Das gesamte Investitionsvolumen einschließlich Herstellung, Service und langfristiger Wartung für den Kauf der neuen Bahnen beträgt rund 197 Millionen Euro.

Für den Kauf der Stadtbahnen reicht der Freistaat satte 98,3 Millionen Euro Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung an die DVB aus. Doch daran sind Bedingungen geknüpft. Konkret müssen laut früherer DVB-Meldungen alle 30 Bahnen Ende Oktober 2023 in Dresden sein. Können die Verkehrsbetriebe das nicht sicherstellen, droht eine Rückforderung von Fördergeldern zumindest in Teilen.

Bestätigen wollen die DVB diesen Zusammenhang nicht mehr. Auch auf die Frist wird in Nachfragen nicht mehr eingegangen. Offiziell äußern sich die DVB nur so: "Die Inbetriebnahme der neuen Stadtbahnwagen läuft. Aktuell sind 12 von 30 Fahrzeugen in Dresden. Insgesamt neun haben die Zulassung des Betriebsleiters für den Linienverkehr erhalten, zwei weitere sollen zeitnah zugelassen werden."

Bisher hätten jedoch weiterhin lediglich drei Bahnen "erfolgreich ihren mehrwöchigen Probebetrieb mit Fahrgästen absolviert". Die anderen sind noch im Probebetrieb. Fünf bis neun Bahnen seien regelmäßig in der Stadt unterwegs. Bis zum Jahresende sollen "alle Neufahrzeuge in Dresden sein".

25 Millionen Euro könnten nicht ausgezahlt werden

Laut Informationen von Saechsische.de liegt das Hauptaugenmerk der DVB aktuell nicht so sehr auf der rechtzeitigen Inbetriebnahme der Bahnen. Das für die Fördergelder zuständige Verkehrsministerium von Martin Dulig (SPD) soll die Frist um drei Monate verlängert haben. Sprecher Jens Jungmann: "An den mit den Ausgangsbescheiden festgelegten Umsetzungszeiträumen wurden bislang keine Verlängerungen vorgenommen. Aufgrund von Verzögerungen bei der Beschaffung der 30 Straßenbahnwagen wird derzeit jedoch eine Verlängerung geprüft."

Im Zuwendungsbescheid für die Fördergelder seien eine Vielzahl von Bedingungen festgesetzt worden, welche von den DVB zu beachten sind. Bedingungen des Zuwendungsbescheids sind zum Beispiel "dass bezahlte Rechnungen bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraumes einzureichen sind." Würden diese Bedingungen nicht erfüllt, könnten Gelder nicht ausgezahlt oder zurückgefordert werden.

Die DVB haben aber auch noch andere, vermeintlich größere Probleme vor der Brust. Offenbar will die EU etwa 25 Millionen Euro an Fördergeldern nicht auszahlen. Hintergrund soll ein Zusatzgeschäft der DVB-Vorstände sein. Per Option hatten sich die DVB bereits im Herbst 2019 den Kauf von zehn weiteren Bahnen zusichern lassen. Sämtliche Käufe sollen dabei im Aufsichtsrat der DVB abgesegnet und von Juristen geprüft worden sein.

Drei Zusatz-Bahnen seien geordert, auch die anderen sieben will das Unternehmen bestellen. Dazu liefen Finanzierungsgespräche mit dem Freistaat Sachsen, sagte DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach im Dezember 2022. Für die DVB auf den ersten Blick ein lohnendes Geschäft: Bei Vertragsabschluss war jede der neuen Bahnen mit rund 4,2 Millionen Euro veranschlagt. Werden die Bahnen jetzt per Option nachgeordert, gelten noch die damals vereinbarten Preise.

Ein neues Defizit droht

Allerdings könnte es in diesen Prozess zu Fehlern gekommen sein, so der im Raum stehende Vorwurf. Unternehmensintern soll bereits darüber informiert worden sein, das etwa 25 Millionen Euro nicht wie geplant ausgezahlt werden könnten. Die Politik wurde demnach in Kenntnis gesetzt, dass jährlich etwa 2,5 Millionen Euro zusätzliches Defizit anfallen könnten.

Bestätigt wurde das nicht. DVB-Sprecher Falk Lösch verwies auf interne Daten, die nicht kommentiert würden. Laut Verkehrsministerium fand seitens der EU eine Prüfung der mit EFRE-Mitteln geförderten Vorhaben statt. Eines der zur Prüfung ausgewählten Projekte ist das DVB-Projekt zur Beschaffung von 30 Straßenbahnen.

"Bisher liegt nur ein vorläufiger Prüfbericht vor, zu dem die Verwaltungsbehörde Stellung genommen hat. Erst der abschließende Bericht ist für eine grundsätzliche Bewertung maßgeblich." Weil dieses Verfahren noch lief, könnten Details nicht veröffentlicht werden.