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Kritik an Auswahl von Dresdens Baubürgermeister

Die Grünen haben sich auf einen Nachfolger für Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) geeinigt. Es ist ein alter Bekannter. Es droht Ärger wegen der Personalie.

Von Andreas Weller
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Stephan Kühn will vom Bundestag ins Dresdner Rathaus.
Stephan Kühn will vom Bundestag ins Dresdner Rathaus. © Foto: Stefan Kaminski/Bündnis 90

Dresden. Die Rückkehr eines Dresdners, der bereits einige Jahre Politik im Dresdner Rathaus gemacht hat, bahnt sich an. Er soll Dresdens neuer Baubürgermeister werden.

Stephan Kühn war bis 2010 Stadtrat für die Grünen. 2009 wurde er in den Bundestag gewählt, schied deshalb aus dem Rat aus. Jetzt soll er als Baubürgermeister zurückkehren.

Die Stadtratsfraktion verständigte sich am Sonnabend in einer Klausur auf Kühn. Er war einer von 21 Bewerbern um das Amt. Die Findungskommission der Grünen hatte ihn in die engere Wahl gezogen. "Die Entscheidung wurde nach einem intensivem Auswahlverfahren auf Grundlage einer Bewertungs-Matrix nach objektiven Kriterien und mehreren persönlichen Gesprächen getroffen", bestätigen die Grünen.

 Nun hat sich die komplette Fraktion mehrheitlich auf dem Grünen-Politiker geeinigt.  „Ich freue mich, dass ich die Chance bekomme, in Dresden wieder stärker politisch zu wirken und die Zukunft meiner Heimatstadt mitgestalten zu können", so Kühn. "Ich möchte die Verkehrswende und eine klimabewusste Stadtgestaltung voranbringen. Mir ist eine gute Beteiligung und die Stärkung der Baukultur wichtig.“  Er werde sich nun Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und den anderen Fraktionen vorstellen. Da die Grünen das Vorschlagsrechts auf den Posten haben, gilt seine Wahl eigentlich als Formsache.

Doch ohne größere Diskussionen wird das nicht ablaufen. FDP-Fraktionschef Holger Zastrow ist über die Entscheidung für Kühn entsetzt. "Das können die Grünen nicht ernst meinen." Er kritisiert, dass Kühn Diplom-Soziologe ist und bisher vor allem als Berufspolitiker aktiv war. "Diese Art von Karrieren führen nicht unbedingt zu was Gutem. Die Grünen haben mit Schmidt-Lamontain bereits eine unglückliche Besetzung vorgenommen."

Laut Zastrow fehlen Kühn die berufliche Qualifikation und die Verwaltungserfahrung, um dieses wohl "schwierigste Amt" in der Stadt auszufüllen, wie der FDP-Mann es bezeichnet. "Das zeigt, wie dünn die Personaldecke bei den Grünen ist. Das ruft nach Gegenvorschlägen." Die FDP werde sich die Bewerber genau anschauen. Zudem hält Zastrow es für "ungerecht und undemokratisch", dass CDU, Grüne, Linke und SPD sich verständigt haben, wer welchen Bürgermeisterposten besetzt

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Grünen ihren Kandidaten bereits ausgewählt haben, bevor die Stadt die Stelle überhaupt ausgeschrieben hat. Eigentlich muss zuerst der Stadtrat die Ausschreibung, inklusive der Anforderungen beschließen.

"Ich finde es befremdlich, dass bereits ein Kandidat nominiert wurde, obwohl die erforderliche Ausschreibung weder beschlossen noch das Bewerbungsverfahren abgeschlossen ist", so Linke-Fraktionschef André Schollbach. "Damit droht das Ausschreibungsverfahren, welches gesetzlich vorgeschrieben ist, beschädigt zu werden. Dieses Vorgehen erscheint angesichts der Bedeutung der zu treffenden Personalentscheidung nicht unproblematisch." 

Den Freien Wähler erscheint Kühns Eignung ebenfalls nicht erwiesen. „Die fachliche Eignung von Herrn Kühn möchte ich erst beurteilen, wenn mir seine Bewerbung vorliegt", so Stadtrat Torsten Nitzsche. "Gemäß Lebenslauf auf seiner Homepage ist er verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Sollte das alles an themenbezogenen Qualifikation sein – dann ist es für einen Fachbürgermeister sehr sehr wenig."

Den Bürgermeister-Deal unter Grünen, CDU, Linken und SPD nennt Nitzsche "undemokratische Ausgrenzungspolitik". Eine Entscheidung, in der alle Fraktionen einbezogen werden, wäre gut für das Wohl der Stadt. "Und ein wichtiges Zeichen für überparteiliche Mitbestimmung.“ 

Stephan Kühn ist 40 Jahre alt. Der Soziologe ist seit 1998 Mitglied bei den Grünen, engagierte sich auch in der Grünen Liga - beispielsweise kämpfte er gegen den Bau der A 17. Im Jahr 2004 wurde er in den Stadtrat gewählt. Dort war er verkehrs- und baupolitischer Sprecher der Fraktion.

Als Kühn 2009 in den Bundestag gewählt wurde, blieb er noch ein Jahr im Stadtrat, gab dann das Mandat auf. Er war Vorsitzender der Grünen in Dresden und ist im Landesvorstand der Partei. Im Bundestag war er zunächst baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und ist nun für Verkehrspolitik zuständig. Er gilt als Fachmann in dem Bereich, den er nun in der Stadtverwaltung führen soll. 

Schmidt-Lamontain geht aus persönlichen Gründen nach Heidelberg. Dort soll er noch im Juli zum Klimabürgermeister gewählt werden. 

Kühns Wahl in Dresden ist für September oder Oktober vorgesehen.