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Erst mit diesem Krafttraining schmilzt das Fett

Ein Sportwissenschaftler aus Zwickau erklärt, warum Joggen nicht reicht und welche Übungen beim Abnehmen helfen. Teil 7 der SZ-Diätserie.

Von Stephanie Wesely
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Keine Angst vor Gewichten: Frauen sprechen auf Muskeltraining genauso gut an wie Männer. Wichtig ist eine fachkundige Anleitung.
Keine Angst vor Gewichten: Frauen sprechen auf Muskeltraining genauso gut an wie Männer. Wichtig ist eine fachkundige Anleitung. © Tobias Hase/dpa

Es herrscht jetzt wieder Hochbetrieb in den Fitnessstudios. Denn viele haben sich zu Jahresanfang vorgenommen, mehr Sport zu treiben. Neue Erkenntnisse aus der Sportwissenschaft könnten ihre Motivation und das Durchhalten fördern. Denn es wurde nachgewiesen, dass aktive Muskulatur Stoffe an den Körper abgibt, die ihn gesund und schlank erhalten, sagt Dr. Klaus Zimmermann, Sportwissenschaftler aus Zwickau.

„Grund dafür sind sogenannte Myokine – hormonähnliche, heilsame Stoffe, die unsere Muskeln bei intensiverer Kontraktion produzieren und freisetzen. Sie verteilen sich dann über die Blutbahn im gesamten Körper.“ Bei den Organen und Geweben angekommen, würden sie an diese bestimmte Signale abgeben, wodurch deren Tätigkeit und Funktionsfähigkeit maßgeblich beeinflusst werde. „Auf diese Art und Weise kommunizieren unsere Muskeln mit Knochen und Gelenken, mit dem Fettgewebe, dem Gefäßsystem, dem Gehirn, der Bauchspeicheldrüse, der Leber oder dem Immunsystem“, sagt er.

Die Wissenschaft sei hier noch am Anfang, man kenne noch längst nicht alle Myokine. Doch schon jetzt sei klar, dass in die Muskulatur eine Art Apotheke enthält, die den Körper mit gesundheitsfördernden Substanzen versorgt – vorausgesetzt, man bewegt sich ausreichend.

Das schädliche Bauchfett schmilzt

Einer der ersten entdeckten Botenstoffe war das Interleukin 6 (IL-6). Wird es im Muskelgewebe bei Bewegung freigesetzt, wirkt es Entzündungsvorgängen im Körper entgegen und stimuliert die Abwehrzellen, die für Immunsystem und Reparaturmechanismen zuständig sind. Damit kann Infekten und sogar Tumorerkrankungen vorgebeugt werden. Zudem lässt IL 6 die Körperzellen wieder empfindlicher für Insulin werden. Das entlastet die Bauchspeicheldrüse – Diabetes kann damit begegnet werden. 

Gleichzeitig bringe es die Fettzellen zum Schmelzen, wie der Sportwissenschaftler sagt. „Das ist also eines der Geheimnisse, warum Sport beim Abnehmen hilft. Dabei wird besonders das schädliche Bauchfett angegriffen, was für Bluthochdruck, Arterienverkalkung, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und Stoffwechselstörungen verantwortlich ist. Interleukin 6 kann aber noch mehr: „Es regt den Knochenstoffwechsel an und beugt damit Osteoporose vor.“

Eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining lässt das Fett schmelzen. Für das Ausdauertraining empfiehlt der Wissenschaftler u.a. Walking, Nordic Walking, Joggen. Als Einsteiger sollte man sich dabei so belasten, dass eine Unterhaltung mit dem Traini
Eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining lässt das Fett schmelzen. Für das Ausdauertraining empfiehlt der Wissenschaftler u.a. Walking, Nordic Walking, Joggen. Als Einsteiger sollte man sich dabei so belasten, dass eine Unterhaltung mit dem Traini © Tobias Hase/dpa

Neben IL 6 gibt es weitere gesundheitsfördernde Myokine. So stimuliert IL 15 das Muskelwachstum selbst. Das Myokin VEGF unterstützt die Neubildung und Dehnbarkeit von Blutgefäßen. Letzteres hilft, den Blutdruck zu senken. SPARC wiederum kann das Tumorwachstum eindämmen. BDNF fördert auch die Bildung neuer Nervenzellen und deren Verbindungen im Gehirn. Dadurch wird durch das Training auch das Lern- und Erinnerungsvermögen verbessert. Da Menschen mit Depressionen und Demenz einen geringeren BDNF-Gehalt im Blut haben, wird diesem Botenstoff auch eine Schutzfunktion gegenüber diesen Erkrankungen zugesprochen.

Zimmermann zufolge trage jeder diese Medizin im Körper. „Wir haben es also selbst in der Hand, ob wir sie nutzen oder nicht“, sagt er. Sogar die Dosis der Ausschüttung lasse sich über die Muskeltätigkeit regulieren. Um den muskeleigenen Medizinschrank verfügbar zu machen und möglichst optimale Wirkungen zu erreichen, bedarf es einer Mindestbewegungsintensität. „Die Gesundheit profitiert zwar auch von wenig fordernden Aktivitäten wie einem gemütlichen Spaziergang. Die Muskelapotheke bleibt dabei aber geschlossen.“ Myokine würden nur bei intensiverer körperlicher Anstrengung ausgeschüttet, bei der man ins Schwitzen kommt. „Hin und wieder muss es in den beanspruchten Muskeln auch mal brennen“, sagt Zimmermann.

Es muss nicht das Fitnessstudio sein

Es müsse aber nicht immer das Training im Fitnessstudio sein. Auch intensivere Alltagstätigkeiten wie Schneeschaufeln kurbeln die Produktion der Muskelbotenstoffe an. „Das Problem dabei aber ist, dass man diese Tätigkeiten nicht regelmäßig genug verrichtet, um merklich davon profitieren zu können.

Auch die Größe der aktivierten Muskulatur und die Belastungsdauer seien entscheidend. „Je größer die Muskelgruppe und je stärker und länger sie beansprucht wird, desto mehr Botenstoffe werden gebildet.“

Am besten gelänge das bei einer sinnvollen Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining, wie es beim sogenannten Zirkel- oder Intervalltraining der Fall sei. „Planen Sie dafür drei bis vier Übungseinheiten von jeweils 20, besser 30 Minuten an nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche ein. Trainieren Sie Ausdauer und Kraft abwechselnd in eigenständigen Einheiten.“

Für das Ausdauertraining empfiehlt der Wissenschaftler Walking, Nordic Walking, Joggen, Schwimmen, Radfahren – auch Hometrainer – oder Skilanglauf. Als Einsteiger sollte man sich dabei so belasten, dass eine Unterhaltung mit dem Trainingspartner noch möglich ist. Fortgeschrittene sollten auch das Intervalltraining nutzen. Hier wechselten sich kürzere Phasen relativ hoher Belastung mit Phasen geringerer Belastung ab.

Keine Altersgrenze nach oben

Beim Krafttraining sei es wichtig, große Muskelpartien zu aktivieren, zum Beispiel Bein- und Gesäßmuskulatur, Bauch- und Rückenmuskeln oder Arm-, Schultergürtel- und Brustmuskulatur. Das Programm sollte acht bis zwölf verschiedene Übungen beinhalten, die möglichst unterschiedliche Muskelgruppen ansprechen. Von jeder Übung werden 10 bis 20 korrekte Wiederholungen mit mittlerem Tempo und gleichmäßiger Atmung empfohlen. Dabei sollte es zur merklicher Muskelermüdung – Muskelbrennen – kommen. „Hanteln oder Fitnessgeräte sind nicht unbedingt erforderlich. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht wie Liegestütze, Klimmzüge, Kniebeugen, Crunches und Rumpfheben in verschiedenen Varianten sind ausreichend“, so Klaus Zimmermann.

„Für das Krafttraining gibt es im Grunde nach oben keine Altersgrenze. Gerade für Senioren sind muskelkräftigende Übungen wichtig, weil sie dem altersbedingten Muskelabbau entgegenwirkten.“ Denn wenn Muskelmasse fehlt, werden selbst bei Aktivität weniger Myokine produziert. Die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports bleibt dadurch begrenzt. „Je früher man mit dem regelmäßigen Training beginnt, umso besser. Doch es ist auch nie zu spät für einen Start in ein aktives Leben“, sagt der Sportwissenschaftler.

Anleitung und Übungsvorschläge unter: www.gesundheitsmuskeltraining.de

Die nächsten Teile der Serie:

  • Teil 8, 25. Januar:
    Was taugt die Hirschhausen-App zum Intervallfasten? Ein Selbsttest.

  • Teil 9, 29. Januar:
    Wie kann ich mein Gewicht auf Dauer halten? 

Bisher in der Serie erschienen: