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Ärger um Reparaturbonus in Sachsen: Aufbaubank verteidigt ihr Verfahren

Sachsen fördert Reparaturen defekter Haushaltsgeräte. Doch viele Ältere scheitern am Online-Antrag. Nach einem Sächsische.de-Bericht reagiert die SAB jetzt.

Von Andreas Rentsch
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Eigentlich solle der SAB-Reparaturbonus ja für nachhaltiges Handeln belohnen, sagt Peter Schubert von der Computerklitsche in Radebeul. „In der jetzigen Form ist er aber eher eine Strafe.“
Eigentlich solle der SAB-Reparaturbonus ja für nachhaltiges Handeln belohnen, sagt Peter Schubert von der Computerklitsche in Radebeul. „In der jetzigen Form ist er aber eher eine Strafe.“ © Jürgen Lösel

Die Idee kommt an: Wer sein defektes Haushaltsgerät repariert, statt es zu entsorgen, kann bis zu 200 Euro von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) dazubekommen. Bis zum 20. März habe es bereits 6.076 Förderzusagen gegeben, meldet die Bank. Damit sind aus dem Fördertopf von einer Million Euro für 2024 bereits jetzt 640.925 Euro ausgereicht. Doch der komplizierte Antragsprozess sorgt für Ärger.

Nachdem Sächsische.de über die Probleme der 89-jährigen Herta Pingel aus Dresden berichtete, meldeten sich viele andere Leser, die ebenfalls an dem Online-Verfahren gescheitert waren. In der Kritik steht vor allem der von der SAB zwischengeschaltete Dienstleister Verimi. Nur mit einer bei Verimi bestätigten digitalen Identität können Privatleute ihren Förderantrag signieren.

Herta Pingel aus Dresden-Gruna hat ihren SAB-Reparaturbonus inzwischen erhalten. Die rund 220 Euro teure Kühlschrankreparatur bezahlt zur Hälfte der Staat.
Herta Pingel aus Dresden-Gruna hat ihren SAB-Reparaturbonus inzwischen erhalten. Die rund 220 Euro teure Kühlschrankreparatur bezahlt zur Hälfte der Staat. © SZ/Veit Hengst

Was sagt die SAB zum Vorwurf, das Verfahren sei zu kompliziert?

Diesen Vorwurf nehme man „sehr ernst“, sagt SAB-Sprecher Volker Stößel. Gleichwohl verteidigt er die Identifizierung über den externen Dienstleister und die komplett digitale Antragstellung. Nur so könne der eigene Kosten- und Verwaltungsaufwand niedrig gehalten werden. Immerhin, so Stößel, seien bis zum 20. März mehr als 6.000 Anträge für den Reparaturbonus erfolgreich eingereicht worden.

Was ist mit Älteren, die an dem komplexen Verfahren scheitern?

Knapp 27 Prozent der bewilligten Anträge stammen von über 60-Jährigen. 120 Anträge seien gar von Vertretern der Generation Ü80 eingereicht worden, sagt Stößel. Wer es nicht schafft, sich über Verimi auszuweisen, dem bleibt noch die „Einreichung durch einen bevollmächtigten Dritten“. Dafür müssen Vollmachtnehmer und Vollmachtgeber ein gesondertes Formular ausfüllen, unterschreiben, einscannen und die Datei ins SAB-Benutzerkonto des Antragstellers hochladen. Über diesen Umweg hatte auch Herta Pingel aus Dresden ihren Antrag auf den Weg gebracht.

Plant die SAB, Ident-Verfahren und Onlineantrag zu vereinfachen?

„Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung und Vereinfachung der einzelnen Phasen der Antragsstellung“, beteuert Stößel. Unter anderem prüfe die Bank, „inwieweit alternative Identifikationsverfahren angeboten werden können“.

Heißt das, bald wird auch Post Ident als Option angeboten?

Nein. „Ein kostenintensives Verfahren wie Post Ident, das händische Bearbeitungsschritte erfordert, wäre in Anbetracht der entstehenden Personalkosten nicht wirtschaftlich“, so Stößel. Ermöglichen ließe sich Post Ident allenfalls mit einer Erhöhung des Mindestbetrages der Reparaturrechnung. Momentan liegt diese Grenze zur Förderfähigkeit bei 75 Euro. Die Summe höher anzusetzen, läuft laut SAB dem Förderzweck zuwider und ist „aus Sicht des Steuerzahlers nicht gerechtfertigt“.

Die Idee, dass es für die Reparatur defekter Geräte einen Zuschuss vom Land gibt, freut viele Sachsen. Doch der Aufwand bei der Antragstellung schreckt viele ab.
Die Idee, dass es für die Reparatur defekter Geräte einen Zuschuss vom Land gibt, freut viele Sachsen. Doch der Aufwand bei der Antragstellung schreckt viele ab. © dpa

Es führt also beim Ident-Verfahren kein Weg an Verimi vorbei?

Zumindest dann nicht, wenn Anträge über bevollmächtigte Dritte die Ausnahme bleiben sollen. In Verwendung sind derzeit drei Verfahren: Video-Ident, Bank-Ident und die Identifikation über die Onlinefunktion des Personalausweises (eID).

Eine vierte Variante namens Foto Ident soll ab Ende März wieder einsatzbereit sein. Jede dieser Methoden setzt andere Technik voraus. Beispiel eID: Hier benötigen Anwender einen gültigen Personalausweis mit aktivierter Online-Ausweisfunktion, die sechsstellige PIN dafür und ein NFC-fähiges Smartphone. NFC ist ein Standard für drahtlose Datentransfers über Nahdistanzen. Zu guter Letzt muss noch die Verimi-App aufs Handy geladen werden.

Die Nutzung der eID-Methode sei zwar relativ einfach, habe aber einen entscheidenden Nachteil, sagt Peter Schubert von der Computerklitsche, einem Reparaturbetrieb in Radebeul. „Die Wenigsten nutzen die Online-Ausweisfunktion.“ Bank Ident ist da praktikabler, funktioniert aber nur für Online-Banking-Nutzer.

Gleichzeitig gelten auch hier Einschränkungen. Bestimmte Kontotypen sind vom Ident-Verfahren ausgeschlossen. Das betrifft Gemeinschafts-, Spar- und Depotkonten, aber auch Konten, für die neben dem eigentlichen Inhaber noch jemand anders eine Vollmacht hat. Genau diese Konstellation hatte es bei der Rentnerin Herta Pingel gegeben: Auf ihr Girokonto bei der Ostsächsischen Sparkasse hatte auch ihr Schwiegersohn vollen Zugriff – was Bank Ident unmöglich machte.

Werden zumindest die Sprechzeiten der SAB-Hotline ausgeweitet?

Nein. Auch hier verweist die SAB auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Demnach bleibt es bei den gewohnten Zeitfenstern: dienstags zwischen 15 und 17 und donnerstags von 9 bis 11 Uhr. Für Fragen zur Verifizierung gibt es ansonsten noch das elektronische Kontaktformular der SAB oder die Verimi-Plattform. Dort sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen für alle Ident-Verfahren hinterlegt.

Wann wird der Fördertopf leer sein, gehen späte Antragsteller leer aus?

„Das zuständige Ministerium hat einen finanziellen Sicherheitspuffer eingerichtet, um auch bei einem Anstieg der Antragszahl kurz vor Antragsstopp genügend Mittel bereitstellen zu können“, erklärt Volker Stößel. Läuft der Prozess weiter wie bisher, sollten die Fördermittel für weitere drei bis vier Monate ausreichen.

Wie können Reparaturbetriebe den Antragstellern helfen?

Nach Informationen von Sächsische.de sind einige Firmen dazu übergegangen, ihren wenig onlineaffinen Kunden kostenlos zu helfen. Je nach gewählter Identifizierungsmethode sei das aber gar nicht einfach, sagt Computerfachmann Peter Schubert. „So darf aus Datenschutzgründen bei der Verifizierung per Video Ident keine andere Person im Raum sein.“

„Für Menschen jenseits der 60, die froh sind, wenn sie eine WhatsApp-Nachricht an ihre Familie schicken können, ist die Antragstellung und vor allem das Verifizierungsverfahren eine echte Zumutung", sagt Peter Schubert.
„Für Menschen jenseits der 60, die froh sind, wenn sie eine WhatsApp-Nachricht an ihre Familie schicken können, ist die Antragstellung und vor allem das Verifizierungsverfahren eine echte Zumutung", sagt Peter Schubert. © Jürgen Lösel

Auch das gebrochene Deutsch mancher Callcenter-Mitarbeiter werde mitunter zum Problem. „Uns ist es passiert, dass der nette Mitarbeiter im Video-Chat einfach aufgelegt hat, weil es Opa Werner nicht binnen weniger Sekunden geschafft hat, nach dem Selfie seine Smartphone-Kamera umzustellen, damit er den Ausweis ablichten kann.“

Neu ist diese Kritik nicht. Schon im September 2023 hatte Sächsische.de über einen Fall aus Ostsachsen berichtet, bei dem ein schwerhöriger 84-Jähriger 15-mal im Video-Ident-Prozess von Verimi gescheitert war. Die erhofften 300 Euro für den Kauf einer Balkonsolaranlage blieben dem Mann verwehrt. Als Reaktion hatten die SAB und Verimi Bank Ident als zusätzliche Identifizierungsmethode eingeführt.

Was sagt das Ministerium zum Ärger mit dem Reparaturbonus?

Das Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft plant, das bestehende Verfahren einer umfassenden Bewertung zu unterziehen. „Der abschließende Sachbericht ist für den 6. Mai angesetzt und wird zu diesem Zeitpunkt präsentiert“, sagt Stößel. Für die Einführung von Verbesserungen wären dann noch rund zweieinhalb Monate Zeit. Eine Anfrage von Sächsische.de ans Ministerium blieb bislang unbeantwortet.